Bratislava

Die lange verhinderte Hauptstadt

Blick über die Altstadt der slowakischen Hauptstadt Bratislava
Blick über die Altstadt der slowakischen Hauptstadt Bratislava © imago / Volker Preußer
Von Kilian Kirchgeßner · 02.01.2017
Eng und verwinkelt: Die Altstadt von Bratislava wirkt wie eine Kleinausgabe des gerade einmal 60 Kilometer entfernten Wien. Die frühere Provinzmetropole ist seit 1993 Hauptstadt der Slowakei – und hat sich in den vergangenen Jahren rasant entwickelt.
Der schönste Weg nach Bratislava führt über das Wasser. Gemächlich fließt die Donau aus Wien in Richtung Slowakei, ein breiter Strom. Rene Sowa kennt den Fluss in- und auswendig. Er steht auf der Brücke des TwinCity-Liners, mit dem er jeden Tag zwischen Wien und Bratislava pendelt:
"Das ist ein Schnellkatamaran, das ist die Bauweise. Wir haben zwei Rümpfe mit Jetantrieb, die werden von MTU-Dieselmotoren angetrieben, jeweils 1000 PS."
Draußen vor seinem Fenster zieht in strahlendem Sonnenschein die Landschaft der Donauauen vorbei. Mit 50 Stundenkilometern ist Rene Sowa unterwegs, eine Geschwindigkeit, die auf dem Wasser atemberaubend wirkt. Gerade überholt er ein gewaltiges Flusskreuzfahrtschiff:
"Das ist genauso ein Kabinenschiff, quasi ein schwimmendes Hotel. Ja, es sind schon viele neidisch auf unsere Geschwindigkeit. Ein normales Schiff braucht von Wien nach Bratislava sechs Stunden, wir machen das in anderthalb."
Anderthalb Stunden zwischen zwei Metropolen – Wien und Bratislava trennen gerade einmal 60 Kilometer, es sind die beiden am engsten beieinander liegenden Hauptstädte Europas. Wien, die Residenz der österreichisch-ungarischen Kaiser, weltberühmt für seine Walzer, seine Kaffeehäuser und sein Flair – und Bratislava? Kapitän Rene Sowa muss nicht lange überlegen:
"Die Burg sticht natürlich sehr heraus, das ist ziemlich gut zu sehen, und auch die Brücke mit dem Ufo obendrauf."
Blick auf die Donau-Brücke von Bratislava: Auf dem 85 Meter hohen Pylon befindet sich das "Cafe Bystrica" - dahinter der Stadtteil Petrzalka.
Blick auf die Donau-Brücke von Bratislava.© picture-alliance / dpa / Votava

Eine mächtige Brücke als Wahrzeichen

Der TwinCity-Liner legt an, ein paar Schritte entfernt vom Fundament der mächtigen Brücke, die zum Wahrzeichen der Stadt geworden ist. Ein Monstrum aus Beton, "asymmetrische Schrägseil-Hängebrücke" nennen Experten sie, mehr als 300 Meter misst die Spannweite; sechs Fahrspuren breit, gebaut im tiefsten Kommunismus: Wer Bratislava erkunden will, sollte sich hier erst einmal einen Überblick verschaffen.
Zu Fuß geht es einmal über die Donau, gut abgeschirmt von der Stadtautobahn. Und dann, am anderen Ufer, liegt der Eingang zum spektakulärsten Aussichtspunkt der Stadt: dem Brückenturm. Steil erhebt er sich in den Himmel, rund 85 Meter hoch thront er über dem Strom. Und weil er mit seinen breiten Fensterstreifen futuristisch aussieht, haben ihn die Einheimischen kurzerhand Ufo getauft.
"Bitteschön, hier geht es rein. Oben wartet eine Kollegin auf Sie!"
"Da vorne ist unsere Burg mit den markanten vier Türmen, und da sehen Sie die Altstadt mit der St.-Martins-Kathedrale. Unter uns ist die Anlegestelle der Personenschiffe, ein wenig weiter donauaufwärts liegt der Lastenhafen. Und wenn wir weiter in die Ferne schauen: Die Berge dort vorne gehören schon zu Österreich, da auf der anderen Seite ist Ungarn zu sehen. Und dort hinter den Bergen liegt Tschechien."
Am besten sei das Panorama allerdings noch einmal eine Etage höher auf der Aussichtsplattform, ruft Ivan Mrena und stürmt voran. Auf der Rückseite des Restaurants öffnet er eine schwere Stahltür, hinter der sich ein Treppenhaus verbirgt.
"Vorsicht, das Geländer hier haben wir in der Nacht frisch gestrichen, die Farbe ist noch feucht!"
Oben steht Mrena auf dem Dach des Restaurants, eine riesige Terrasse mit freiem Blick in alle Himmelsrichtungen. Die slowakische Hauptstadt liegt ihm quasi zu Füßen. Bratislava mit seinen 500.000 Einwohnern boomt, es herrscht quasi Vollbeschäftigung und wirtschaftlich gibt es in der Slowakei keine andere Region, die an den Wohlstand und die Wachstumsraten der Hauptstadt mitsamt dem Speckgürtel heranreicht. Das Pittoreske und das Montröse, beides wirkt von hier oben zum Greifen nah: Die Altstadt mit all ihren Kirchtürmen, Kopfsteinpflaster-Gassen und Plätzen, aber genauso die Plattenbau-Siedlungen, die von allen Seiten an die Altstadt herandrängen.

Das verwinkelte Labyrinth der Altstadt

Die Altstadt wirkt immer noch eng und verwinkelt wie im 19. Jahrhundert. Anders als in vielen Metropolen gab es hier in der Gründerzeit keine gewaltigen Programme, um die Altstadthäuser zu vergrößern oder gleich ganz auszutauschen. Deshalb wirkt das Zentrum fast schon kleinstädtisch. Am mondänsten ist Bratislava auf dem Hviesdoslav-Platz; in der ganzen Stadt gibt es wohl niemanden, der auf diesem baumgesäumten Boulevard so heimisch ist wie Peter Kurhajec.
Er ist Mitte 70, früher hat er die Slowakei als Fünfkämpfer bei internationalen Wettbewerben vertreten – und vor allem ist er ein Urgestein aus Bratislava:
"Da vorne, zwischen den Gebäuden, in denen heute die amerikanische und die deutsche Botschaft residieren, hatte mein Großvater seine Praxis. Er war Arzt und hat zweimal pro Woche kostenlos bedürftige Familien behandelt. Sie nannten ihn den Arzt der Armen; er war außergewöhnlich sozial eingestellt."
In Bratislava wurden über Jahrhunderte hinweg die ungarischen Monarchen gekrönt, insgesamt bis zum Jahr 1830 zehn Könige und acht Königinnen. Eine der bekanntesten war die Kaiserin Maria Theresia, die hier am 25. Juni 1741 die ungarische Stephanskrone erhielt. Während der 40 Jahre ihrer Regierung stieg die Stadt zum Zentrum des Ungarischen Königreiches auf. Mit dem Titel der Krönungsstadt fiel schon damals etwas von dem kaiserlichen Glanz auf die Stadt, die damals allerdings noch einen anderen Namen trug.
"Bratislava heißt erst seit dem Zweiten Weltkrieg Bratislava, vorher hieß die Stadt Preßburg, Poszony, Presporok. Die Stadt hatte im Laufe der Zeit 19 verschiedene Namen. Und sie war vor allem dafür bekannt, dass hier verschiedene Nationalitäten zusammenlebten; Slowaken, Ungarn, Deutsche, Kroaten, Juden und viele andere. Es war eine wichtige Station zwischen Wien und Budapest – jeder Reisende hat auf seinem Weg hier Halt gemacht, um sich Bratislava anzuschauen.
Entlang des zentralen Platzes mit seinen Springbrunnen und Schatten spendenden Bäumen haben die Cafés ihre Tische unter freiem Himmel aufgebaut, der Blick wandert von hier zum prachtvollen Nationaltheater auf der Stirnseite des langgestreckten Platzes. Kopfsteinpflastergassen führen in das Gewirr der Altstadt. Wie in einem Labyrinth verläuft man sich in den Sträßchen, die durch Passagen und Stichstraßen immer wieder miteinander verschränkt sind. Herrengasse, Pfarrgasse oder Basteigasse heißen sie gemäß ihrer historischen Bedeutung.

Früher fuhr eine Straßenbahn nach Wien

Peter Kurhajec schlendert wieder zurück auf den Hviezdoslav-Platz, den langgestreckten Boulevard in Sichtweite der Donau:
"Hier war die Endstation der Straßenbahn, sie führte direkt nach Wien. Von dort kamen oft die Tagesausflügler, weil es hier die besten Torten gab. Stürzer, Meinl und so weiter, so hießen die Kaffeehäuser. Wussten Sie, dass sogar die Sachertorte von einem slowakischen Lehrling erfunden worden ist?"
Ob diese Legende mit der Sachertorte nun stimmt oder nicht – Peter Kurhajec erzählt sie ohne einen Anflug von Nationalstolz. Denn der, sagt er, sei in einer Stadt wie Bratislava ohnehin völlig fehl am Platze. Vom Marktplatz aus kann man problemlos innerhalb weniger Kilometer über die Grenze nach Österreich oder nach Ungarn wandern, auch Tschechien ist nicht weit, und diese Nähe zu den Nachbarn habe Bratislava seit jeher geprägt:
"Hier gab es eine bekannte Schänke, von der bei uns in der Familie immer wieder erzählt wurde, mein Großvater ging da noch hin: Es gab dort einen ungarischen Tisch, einen deutschen Tisch, einen slowakischen Tisch und so weiter. Immer abwechselnd hat man an den Tischen Lieder in der jeweiligen Sprache gesungen, anschließend war der nächste Tisch dran, man hat sich gegenseitig respektiert. Und nach einer bestimmten Zeit, wenn alle schon etwas getrunken hatten, fielen sie immer in den Gesang mit ein und alle sangen auf einmal."
Peter Kurhajec will an diese Tradition anknüpfen: Er verleiht einen bedeutenden Preis für Mitmenschlichkeit, engagiert sich in Bratislava für Kranke und Behinderte und produziert wie am Fließband Ideen dafür, wie die Stadt lebenswerter werden könnte.
Die Burg Bratislava in der Dämmerung
Über der Donau thront die Burg Bratislava.© picture alliance /dpa /CTK /Katerina Sulova

Ein Denkmal für einen einfachen Mann

Auf einmal schmunzelt er: Ein Original aus Bratislava, das müsse man unbedingt sehen, ruft er und geht durch das Gewirr der Straßen, bis er an einer lebensgroßen Bronze-Statue steht, die einen eleganten Herrn zeigt, der vornehm seinen Hut zieht. Den "schönen Naci" nennen sie ihn hier in Bratislava, Naci als alten Kosenamen für Ignaz.
"Er war obdachlos, und um sich ein wenig Geld zu verdienen, ging er durch die Häuser und klopfte die Teppiche. Auf den Innenhöfen sang er immer, nicht wirklich gut, aber jedenfalls mit viel Herzblut. Und dann bürgerte es sich ein, dass ihm die reichen Witwen die Fracks und Zylinder ihrer verstorbenen Männer schenkten."
Dass Bratislava einem solchen Bürger ein Denkmal setzt, spricht Bände: Nicht Feldherren, nicht Adelige, nicht gekrönte Häupter, sondern einen einfachen Mann ehren sie. Knapp ein halbes Jahrhundert ist der "schöne Naci" inzwischen schon tot, aber immer noch sind es Leute wie er, die mit ihrem eigenen Kopf und ungewöhnlichem Charme die Stadt prägen.

Kultureller Treffpunkt in einer Wohnung

Einer von ihnen ist Arthur. Er empfängt im ersten Stock eines barocken Hauses mitten in der Altstadt. "Flat Gallery" steht auf seinem Klingelschild:
"Eigentlich ist das hier unsere Wohnung, die wir aber in eine Art Gesellschaftsraum umgewandelt haben. Früher war es ja normal in Städten, dass sich in öffentlichen Räumen kulturelle und gesellschaftliche Ereignisse abspielten. Wir wollen daran anknüpfen und haben hier eine Galerie eingerichtet, in der wir uns auf junge Künstler spezialisieren, meistens frische Absolventen der Kunsthochschulen."
Arthur ist ein junger Mann um die 30, und stolz zeigt er auf die Bilder an den Wänden: Ein slowakischer Künstler hat sie gemalt, der jetzt in London lebt, und zwei Monate lang kann jeder hier in Bratislava an der Türe klingeln und sich die Ausstellung anschauen – danach wird umdekoriert und der nächste Künstler kommt an die Reihe. Und wenn kein Gast da ist, dann sind die Ausstellungsräume das Wohnzimmer von Arthur:
"Die Leute haben lange nicht kapiert, dass das eine Wohnung ist. Sie dachten, es sei eine klassische Galerie und alles gehöre zur Ausstellung. Hier stand zum Beispiel eine Dame, die hatte mein Tagebuch in der Hand und blätterte darin herum. Und jemand anders hat alles fotografiert, sogar die Bücher im Regal, weil er dachte, das seien Exponate."
Inzwischen gehört die Flat Gallery zu den festen Adressen im Kulturleben von Bratislava – inklusive Cäsar, dem Haushund.
Andrej Jaros ist bei dem Galeristen-Duo für die Konzeption zuständig. Mit der Galerie in seiner Wohnung, sagt er, wolle er das Kulturleben in Bratislava endlich an die großen Metropolen heranführen:
"Das Projekt hatte ich schon lange im Kopf. Etwas Ähnliches gibt es in Berlin, London, New York – da ist das längst ganz normal. Ich wollte so etwas für uns auf dem slowakischen Markt etablieren und sah das als Möglichkeit für junge Künstler; als Plattform, auf der sie ihre Talente zeigen können."

Petrzalka - die größte Siedlung in Mitteleuropa

Von der Wohnungsgalerie sind es Luftlinie zwei Kilometer in einen anderen Teil von Bratislava, der sich kaum stärker von der mediterranen Leichtigkeit der Altstadt unterscheiden könnte, der für das Bratislava von heute aber genauso prägend ist: Petrzalka auf der anderen Seite der Donau, ist ein eigenes Stadtviertel, bestehend aus Hunderten, zum Teil mehr als zehnstöckigen Plattenbauten.
"Wenn man Petrzalka separat zählen würde, wäre es die drittgrößte Stadt der Slowakei. Wir haben 115.000 Einwohner und sind die größte Siedlung in ganz Mitteleuropa."
Milan Vetrak ist Abgeordneter im Stadtparlament von Bratislava und begeisterter Bewohner von Petrzalka. Jetzt steht er zwischen den Hochhäusern und zeigt auf eine Gedenktafel. Die Jahreszahl 1973 ist darauf eingraviert; damals wurde der Grundstein für die gewaltige Siedlung gelegt. Milan Vetrak ist 1980 mit seinen Eltern hierher gezogen, damals war er noch ein kleiner Junge:
"Die ganze Siedlung war eine einzige Baustelle: Rasen gab es nicht, aber dafür überall Haufen von Schutt und Erde, auf denen wir rumtoben konnten. Für uns als Kinder war das toll."
Der Abenteuerspielplatz von einst hatte aber noch eine Besonderheit: Aus den oberen Stockwerken der Plattenbauten konnten die Bewohner nach Österreich schauen, quasi zum Klassenfeind in den Vorgarten – die Grenze verläuft direkt neben dem Stadtviertel:
"Ich war bei der politischen Wende 15, 16 Jahre alt Deshalb habe ich gar nicht so viel davon mitbekommen. Aber wenn ich mit Älteren spreche, höre ich das immer wieder raus: Ein paar Meter von deinem Haus entfernt ist der Eiserne Vorhang, wo sie dich erschießen, wenn du zu nahe kommst. Viele haben ihren Fluchtversuch ja auch mit dem Leben bezahlt. Bis heute steht am Donau-Ufer das Denkmal für einen, der über den Fluss entkommen wollte, aber es war gerade Hochwasser, der Strom war reißend und er wurde schließlich erschossen."

Unübersehbare Spuren des Sozialismus

Die Zeit des Sozialismus hat die Stadt Bratislava tief in ihren Grundfesten erschüttert. Nicht nur die gewachsenen Beziehungen zu Wien brachen ab und müssen jetzt mühsam wieder aufgebaut werden; auch das Stadtbild hat gelitten. Die historische Altstadt ist regelrecht umzingelt von Plattenbauten, und zwischen dem Martins-Dom und dem Felsen, auf dem die wehrhafte Burg steht, haben die Kommunisten eine sechsspurige Schneise für die Autos geschlagen.
Bis heute verläuft hier eine der Haupt-Verkehrsadern und zerschneidet die Altstadt in zwei Teile. Über die futuristische Brücke mit dem Ufo-Turm führt die Straße hinüber nach Petrzalka; sie bindet die Trabanten-Siedlung an den Rest der Stadt an.
Wie aber geht das beides zusammen, das historische Bratislava in der Mitte und die vielen sozialistisch geprägten Viertel ringsum?
Auf die Suche nach einer Antwort geht es wieder zurück in die Altstadt. Im prächtigsten Gebäude dort, dem Palast des Primators, hat Ingrid Konrad ihr Büro. Sie ist die sogenannte Haupt-Architektin von Bratislava – eine Art oberste Stadtplanerin.
Ihr Besprechungsraum ist ein riesiger Barocksaal, durch die geöffneten Kassettenfenster dringen von draußen gedämpft die Unterhaltungen der Passanten in den Raum:
"Die Stadt entwickelt sich seit 1989 viel rasanter als andere Städte. Mein Eindruck ist, dass Bratislava zu seinen Wurzeln zurückkehrt. Die alte Mentalität mit der Mehrsprachigkeit und der Liberalität kommt wohl nicht wieder zurück, aber der Genius loci tritt Schicht für Schicht wieder zum Vorschein. Nehmen Sie nur den Charakter der Stadt: Der ganze zentrale Bereich ist geschützt, wir haben eine der größten Fußgängerzonen in Mitteleuropa, genau genommen ist die ganze Altstadt eine einzige Fußgängerzone."

Rasante Entwicklung seit 1989

Es seien die jungen Leute mit internationaler Ausbildung, die Bratislava zu seinem urbanen Flair verhelfen – Leute wie Arthur und Andrej mit ihrer Wohnungsgalerie. Ingrid Konrad, die Haupt-Architektin, arbeitet viel mit Bürgerinitiativen zusammen, die sich in die Entwicklung von Bratislava einmischen. Ein neues Verkehrskonzept ist derzeit geplant, der marode Hauptbahnhof aus sozialistischer Zeit braucht dringend eine Renovierung, das Donauufer soll eine neue Promenade bekommen – Herausforderungen gibt es genug. Ingrid Konrad wiegt ihren Kopf:
"Ich selbst habe lange in Österreich gearbeitet und viele Visionen und Ideen mitgebracht. Ich würde nicht sagen, dass wir etwas aufholen müssen; es geht eher darum, die Potenziale von Bratislava zu nutzen. Die Leute hier sind flexibel und aufgeschlossen für Neues – das ist eine große Chance."
Erst vor zehn Jahren ist in Bratislava das neue Gebäude des Nationaltheaters eröffnet worden, ein moderner Bau direkt am Donau-Ufer. Die Slowaken wollten mit dem seit Langem geplanten Bau ihre nationale Eigenständigkeit unterstreichen, die noch so jung ist. Es ist ein selbstbewusstes, ein unübersehbares Gebäude geworden, Ausdruck des neuen slowakischen Selbstbildes. Zugleich mit solchen Neuerungen muss die Stadtplanerin Ingrid Konrad mit dem massenweisen Zuzug von neuen Bewohnern klarkommen: Bis jetzt wohnt etwa jeder zehnte Slowake in der Hauptstadt, aber die Tendenz ist stark steigend. Die Immobilienpreise sind in den vergangenen Jahren durch die Decke gegangen, für Wohnungen in guter Lage werden längst Preise verlangt, die denen von Wien gleichen.
Die Hauptfunktion einer Stadt sei es aber nun einmal, Wohnraum anzubieten, sagt Ingrid Konrad – und deutet an, wie es weitergehen könnte mit der Stadtentwicklung:
"Als Bratislava in der Monarchie des 19. Jahrhunderts an Bedeutung verloren hat, gewann die Stadt auf anderem Gebiet an Einfluss: im Bereich der Industrialisierung. Um das historische Zentrum sind 80, 90 Fabriken entstanden, kleine und größere; diese Industrieareale stehen jetzt leer und bilden eine Art Reservoir für das Zentrum."

Bereit zur Rückfahrt mit dem Katamaran

Am Donauufer, direkt im Schatten der modernen Brücke mit ihrem Ufo-Turm, macht sich Kapitän Rene Sowa mit seinem TwinCity-Liner bereit zur Rückfahrt nach Wien. Die Passagiere strömen an Bord, und er setzt von seinem Steuerstand aus einen Funkspruch ab.
Gleich werden die Matrosen die Leinen losmachen, in anderthalb Stunden ist das Schiff wieder in Wien. Sie funktioniert wieder, die Verbindung zwischen den beiden Städten, die sich so ähnlich sind und doch lange Jahrzehnte getrennt waren. Und auch wenn Bratislava weniger berühmt ist als Wien: Aus dem Schatten hervorzutreten, das verdient die slowakische Metropole allemal.
Mehr zum Thema