Brandenburg

Nachhilfe für Waldbesitzer

Novembernebel und erster Raureif verzaubern den Herbstwald im Sauerland auch in diesem Monat.
Wie geht Wald? Frank Setzer hat Antworten © picture alliance / Klaus Rose
Von Axel Flemming · 01.11.2014
Der größte Teil des deutschen Waldes ist in Privatbesitz. Doch was macht man eigentlich damit? Was tun, wenn Rotwild zur Plage wird? Und wie geht Holzvermaktung? Forstexperte Frank Setzer gibt Nachhilfe für Waldeigentümer.
"So, jetzt kommen Sie mal! Hallo."
Frank Setzer steht im Wald bei Finsterwalde. Der groß gewachsene Mann mit Brille trägt eine braune Cargo-Hose, eine dunkelbraune Outdoorjacke und stabile, beigefarbene Schuhe. Er zeigt auf eine Kiefer und fragt:
"Was sehen wir hier?"
Setzer will nicht wissen, ob die Teilnehmer eine Kiefer erkennen, sondern was sie mit dem Blick des Besitzers zu diesem Exemplar sagen. Im Hauptberuf ist der 40-Jährige Professor für Forstpolitik und Umweltrecht an der Fachhochschule Erfurt – heute aber unterwegs mit 19 Männern und einer Frau, die vorher bei ihm eine Waldbauernschulung gemacht haben. Anderthalb Tage Theorie: Vorträge über den Holzmarkt, Förderrichtlinien, Steuerfragen, Gewinn- und Verlustrechnung. Jetzt folgt die Praxis:
"Was fällt Ihnen in diesem Bestand auf?"
"Wir hatten ja im Osten gar keine Beziehung mehr zum Wald"

Es geht ihm darum, ob die Bäume sich beim Wachsen in die Quere kommen, ob die Kronen noch Licht für kleinere Bäume durchlassen. Wie gut, dass sich da die Oktobersonne doch noch durch den Nebel gekämpft hat. Der Sommer aber ist vorbei, die meisten Teilnehmer haben die Reißverschlüsse ihrer Jacken hochgezogen. Einer von ihnen: Roland Bielagk. Er kommt schon seit fünf Jahren zur Schulung, seit er den Wald von seinem Vater geerbt hat, der ihn aber nicht selbst bewirtschaftete:
"Ja, ich hatte ja gar keine Beziehung mehr. Also wir hatten ja im Osten gar keine Beziehung mehr zum Wald."
"Wie viel haben Sie?"
"30 Hektar!"
Hoffen auf ein paar praktische Tipps
Fast alle Teilnehmer sind Männer, bis auf Christine Naumann. Ihr geht es heute weniger um die Beziehung zum Wald, sie hofft ganz einfach auf ein paar praktische Tipps. Und hört Setzer aufmerksam zu, denn die 55 Hektar, durch die die Gruppe gerade streift, gehören ihrer Mutter.
"Unser Wald beginnt vorne an der Straße, also die ganze Strecke, die wir den hoppeligen Weg gefahren sind, das ist unser Wald."
Christine Naumann hat ihre Enkeltochter mit dabei. Die Gruppe marschiert zu einer Lichtung, die sich bei näherem Hinsehen allerdings als Wald im Werden entpuppt. Vor zwei Jahren wurde das kreisrunde Gelände im Durchmesser von etwa 150 Metern gerodet, neue Kiefern gesät und gepflanzt. Aber Naumann ist nicht zufrieden:
"Da, wo das hohe Gras ist, wenn man dann näher dran geht, da sieht man dann, dass sich die Kiefer müht. Und das wollte ich gerne mal zeigen und hoffe dann mal, dass Sie mir was sagen, wie wir da jetzt weitermachen. Oder ob ich da jetzt Geduld haben muss, bis die sich da durchkämpfen?"
"Waldbau ist letztlich Kunst"
Frank Setzer rät zur Geduld, lenkt den Blick von Naumann und den anderen Waldschülern nach unten, zeigt die Spuren von Wildschweinen, die durch ihr Wühlen den Boden auflockern und so den Samen der Bäume die Chance geben, Wurzeln zu schlagen. Sogar kleine Birken haben sich schon angesiedelt. Setzer vermittelt nicht dogmatisch den einen Weg, wie Wald sein soll. Kahlschlag, Durchforsten, Wachsen lassen – alles geht.
"Waldbau ist letztlich Kunst. Weil das hat was mit Ästhetik zu tun. Also es gibt nicht das, was richtig ist oder was falsch ist, sondern Waldbau kann jeder so betreiben, wie er seinen Wald gestalten möchte."
Wo sich der Wald von selbst verjüngt, ist es am besten, gar nichts zu tun: kein Totholz rausnehmen, nichts pflanzen, nichts fällen; auch wenn das vielen Waldbesitzern schwerfällt. Die Gruppe zieht weiter. Die Gespräche drehen sich um Bodenverdichtung, Rüttelgassen und Forstbetriebsgemeinschaften. Dem Kind ist das zu langweilig, es spielt lieber mit der Puppe, die Oma aus der Jacke zieht.
Nächster Stopp: das Waldstück, das an das der Naumanns angrenzt. Die Bäume stehen, wie von einem autoritären Lehrer der Baumschule diszipliniert, in Reih und Glied, dicht an dicht.
"Alles ein Alter, alles eine Höhe, alles schön in Reihe."
Die Kiefern sind um die 20 Meter hoch, die dünnen Stämme wiegen ihre schütteren Kronen im schwachen Wind.
Merke: kleine Krone, wenig Geld
"Wir gucken in die Kronen. Die Kronen sind klein. Merke: kleine Krone, wenig grün. Wenig grün, wenig Zuwachs. Wenig Zuwachs, wenig Holz. Wenig Holz, wenig Geld."
Frank Setzer stellt sich unangenehm dicht neben einen der Teilnehmer, der ebenfalls ein Stück Wald besitzt, um zu demonstrieren, was er meint.
"Dann trocknen die halt hier unten weg, weil kein Licht rein kommt. Es bleibt dann also nur das, was von oben noch ein bisschen Licht kriegt am Baum dran als Grün."
Weiter geht es, vorbei an Wiesen und jungen Bäumen, an deren Rinde sich das Rotwild zu schaffen gemacht hat. Damit ihr das nicht passiert hat Christine Naumann fast einen Hektar Wald mit einem Zaun eingehegt. Das hält die gefräßigen Rehe draußen; allerdings auch die Wildschweine, die ja – wie gerade gelernt – so schön den Boden auflockern. Setzer regt an, eine Sauklappe in den Zaun zu setzen, die Schweine und Füchse durchlässt, die Rehe aber nicht.
Die Kettensäge wurde nur zur Demonstration mitgebracht, mit ihrer Hilfe schneidet ein Teilnehmer zu guter Letzt eine Baumscheibe aus einem etwa 40 Zentimeter dicken Stamm, die er der Enkelin von Christina Naumann schenkt.
Mehr zum Thema