Botanicus Interacticus

Das musizierende Gewächs des Pflanzenflüsterers

Auf einem Fensterbrett in Köln blüht eine Orchidee (Phalaenopsis), aufgenommen am 25.08.2012.
Orchideen mit ihren saftigen Blättern eignen sich besonders gut für die Technik, erklärt Philipp Schössler. © picture-alliance / dpa / Maximilian Schönherr
Von Moritz Metz · 28.05.2015
Eine Pflanze, die Berührungen in Musik übersetzt, steht in einem Labor der Berliner Universität der Künste. Der Designer Philipp Schössler hat diesen Botanicus Interacticus entwickelt. Den Kern der innovativen Technik bildet ein Sensor in der Blumenerde.
Reporter: Herr Baum, Herr Baum, bleiben Sie mal kurz stehen! Was sagen Sie zur Berliner Grünflächenverordnung? Tja, das ist ein ganz normaler Stadtbaum, hier vor der Universität der Künste in Berlin-Schöneberg - und dass der nicht antworten wird, dass der keinen Pieps macht, das war mir vorher schon klar: Anders allerdings eine interaktive, musikmachende Pflanze, und die lasse ich mir da drinnen in der Universität der Künste mal zeigen.
(Melodie)
Reporter: Das ist jetzt schon was anderes, das ist auch eine Pflanze und die macht dann doch ein Geräusch, endlich habe ich eine gefunden. Und zwar bei Philipp Schössler, der ist Student an der UdK in Berlin und den besuche ich gerade in seinem sehr schönen, werkstattmäßigen Labor - und hier steht eben eine Pflanze, das ist so eine Topfpflanze?
Philipp Schössler: Genau, das ist eine ganz normale Hauspflanze, die man auch in jedem Pflanzenshop kaufen kann.
Reporter: Die könnte vielleicht ein bisschen Wasser vertragen. Na ja. Wenn ich hier die Erde anlange, dann kommt aus Philipps Laptop ein Geräusch. Das muss ich noch mal genau ausprobieren. Ich berühre jetzt erstmal ein Blatt an der Seite, ganz am Rand. Und je näher ich mit dem Finger an dem Blatt nach oben fahre, desto höher wird der Ton. Quasi eine Melodie.
In dem kleinen Blumentopf dieser Pflanze steckt so ein Metallstück, und daran ist eine Klemme befestigt, das läuft dann zu einem kleinen Chip, der hier auf dem Tisch liegt und ein bisschen klingt - der ist wiederum mit einem USB -Kabel mit dem Laptop verbunden. Und das ist der Sensor? Der nimmt sozusagen die Frequenzen der Pflanze wahr?
Ein kapazitiver Sensor steckt im Blumentopf
Philipp Schössler: Nee, das ist ein kapazitiver Sensor, wir erzeugen Frequenzen, wir wissen was wir raus senden, kriegen was anderes zurück und daraus können wir eben feststellen, wo man was anfasst.
Reporter: Das heißt, die Pflanze wird die ganze Zeit von irgendwelchen Radiofrequenzen durchdrungen - und was dann eben empfangen wird, der Unterschied, wird dann in Musik von deinem Laptop umgewandelt?
Philipp Schössler: Genau, die Frequenzen, die wir senden, die gehen von 3,5 Kilohertz bis 3,5 Megahertz und das in Steps von 11.000 Kilohertz. Also, sodass wir ungefähr 200 Punkte senden - und je nachdem, wo man das Objekt anfasst, ändert sich die Amplitude in bestimmten Frequenzbereichen und das kriegen wir zurück, wandeln es in digitale Signale um und können MIDI ansteuern oder sonstige Interfaces benutzen.
Reporter: Du setzt die Pflanze da unter Radiowellen, das arme Ding! Vielleicht sieht sie deshalb so vertrocknet aus - oder macht das der nichts?
"Ich glaube nicht, dass das den Pflanzen was ausmacht"
Philipp Schössler: Nein, ich glaube nicht, dass das den Pflanzen was ausmacht, wir haben auch Langzeittests gemacht und hatten es wirklich über Monate drin. Und das macht den Pflanzen gar nichts aus. Also manchmal ist die statische Ladung der Atmosphäre höher als die Stromstärke, die wir hier durchschicken.
Reporter: Du hast hier noch eine Orchidee zu stehen, da nebenan, die sieht sehr schön aus, mit so weißen tollen Blüten und so Früchten, die dranhängen, oder Knospen. Die können auch Musik machen?
Philipp Schössler: Kann sie genauso.
Reporter: Probieren wir das mal aus (Geräusche). Man sieht jetzt zahlreiche bunte Punkte auf dem Bildschirm umherspringen. Gleiches Konzept, andere Pflanze, wie ist der Unterschied bei Pflanzen? Haben die unterschiedliche Leitfähigkeit?
Der Wassergehalt ist entscheidend
Philipp Schössler: Ja, auf jeden Fall. Es kommt drauf an, wie wasserführend eine Pflanze ist. Also bei der Orchidee sehen wir jetzt, dass die Blätter sehr saftig sind, was natürlich eine sehr gute Response gibt, und diese Pflanze, die wir vorher hatten, ist ein bisschen holziger. Das ist auf jeden Fall anders.
Reporter: Jetzt ist das eine sehr schöne Kunstausstellung wert. Also Pflanzen, die man anfassen kann, die Natur, die Technik so verbunden, der Computer spielt irgendwelche Melodien, Berührungen mit Geräuschen verbunden, das funktioniert auf jeden Fall gut, aber was soll das Ganze, also was kann man damit wirklich am Ende machen, wozu investiert denn so eine Disney-Research-Firma denn Geld darin, dass dann Pflanzen Geräusche machen?
Philipp Schössler: Dieser ganze Sensor wurde erstmal nicht entwickelt, um die Pflanzen interaktiv zu machen und es macht auf jeden Fall Spaß. Und es ist auch schön, die Leute zu beobachten, wie sie mit den Pflanzen dann umgehen. Wenn sie auf die zukommen, also wenn man dann so eine fragile Pflanze wie eine Orchidee hat, sind die Leute auch vorsichtig. Und wenn man dann einen großen Bambus hat, dann sind die wirklich rau zu den Pflanzen, das ist auch wirklich schön, Pflanzen zu benutzen, um Sachen interaktiv zu machen.
Reporter: Man könnte damit aber auch was ansteuern, dass man dann zum Beispiel mit diesem einen Blatt, wenn man das so anfasst, dass dann der Lichtschalter angeht - oder wenn ich an der Blüte kraule, dass dann die Mikrowelle in der Küche sich auf einen anderen Modus stellt und schon mal die Tiefkühlpizza fertig macht, oder?
"Man könnte überlegen, ob man daraus eine Fernbedienung macht"
Philipp Schössler: Das wäre möglich. Man könnte zu Hause alles Mögliche damit ansteuern, wenn man das möchte. Man könnte auch überlegen, ob man daraus eine Fernbedienung macht für einen Fernseher und sagt: Jedes Blatt ist für einen Kanal gut und dann muss man sich um die Pflanze kümmern - weil wenn die Blätter verloren gehen, dann gehen die Kanäle verloren - mal kucken was daraus noch so wird!
Reporter: Jetzt habe ich mich auf der Straße draußen noch mit einem Baum unterhalten, der war total still, offensichtlich, weil der hatte eben noch nicht so einen Sensor. Würde es auch funktionieren, wenn man dem auch so ein Ding einimplantiert - oder ist da zu viel draußen zu viel an Funkwellen unterwegs und der Baum ist zu groß?
Philipp Schössler: Das würde auf jeden Fall funktionieren, der Baum ist nicht zu groß, wir müssten einfach nur ein stärkeres Signal durchsenden. Wir haben es auch schon mit kleinen Bäumen getestet und das hat auch funktioniert.
Reporter: Das wäre natürlich auch eine Sache um vielleicht das Bewusstsein der Menschen für Pflanzen ... also Bäume, die dann bei Facebook posten, wenn man sie anfasst, oder?
Philipp Schössler: Genau, das wäre möglich, Bäume mit den Sozialen Medien zu verbinden. Oder Straßenlaternen ein-aus-schalten, wer weiß!
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