Bosnischer Schriftsteller: Politiker wollen kulturelle Substanz des Landes vernichten

06.01.2012
Dzevad Karahasan sieht keine finanziellen Gründe dafür, dass bedeutende Kulturinstitutionen in Sarajevo geschlossen wurden oder schließen müssen. Pseudopolitiker wollten die kulturellen Traditionen zunichte machen, sagt er.
Dzevad Karahasan, bosnischer Schriftsteller und Professor für Dramentheorie, sieht keine finanziellen Gründe dafür, dass bedeutende Kulturinstitutionen in Sarajevo - wie das Landesmuseum, die Nationalgalarie und die Nationalbibliothek - geschlossen wurden oder schließen müssen. "Das Geld ist in diesem Falle überhaupt kein Problem", sagte Dzevad Karahasan.

Wenn alle Politiker und Parlamentarier in Bosnien nur auf "eine einzige Mark" ihres Gehaltes verzichten würden, wäre der Erhalt der Institutionen gesichtert, sagte der Schriftsteller. Doch den "Pseudopolitikern" und "Pseudonationalisten" gehe es darum, die kulturellen Traditionen des Landes zunichte zu machen, so der Autor und Dramatiker.

In Bosnien hätten jahrhundertelang verschiedene Religionen zusammengelebt. Die Zeugnisse dafür würden in Einrichtungen wie dem Nationalmuseum aufbewahrt. "Das ist der eigentliche Grund für diese Schließung, das behaupte ich", sagte der Schriftsteller.

Auch das Ausland treffe eine Schuld, so der Autor: "Die so genannte internationale Gemeinschaft arbeitet seit 1992 eng mit den Pseudonationalisten zusammen und macht mit", beklagte Karahasan. Das Abkommen von Dayton sei "in jeder Hinsicht eine zivilisatorische Schande" und ignoriere die kulturelle Substanz Bosniens. Nun sei offensichtlich in den Augen bosnischer Politiker die Zeit gekommen, "Bosnien als Schöpfung der Kultur endgültig kaputtzumachen".

Das vollständige Gespräch können Sie mindestens bis zum 7.6.2012 als MP3-Audio in unserem Audio-on-Demand-Player nachhören.
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