Borussia Mönchengladbach

Tore der Versöhnung

Der Mönchengladbacher Günter Netzer zeigt am 30. April 1970 die Meisterschale.
Nur wenige Monate nach dem Freundschaftsspiel in Tel Aviv: Der Mönchengladbacher Günter Netzer im April 1970 mit Meisterschale. © picture alliance / Schirner
Von Thomas Becker · 14.02.2014
Den Fußballverein Borussia Mönchengladbach und das Land Israel verbindet eine enge Freundschaft, die im Februar 1970 mit einem Freundschaftsspiel in Tel Aviv begann. Jetzt wurde der Verein für seine langjährigen Verdienste um die bilateralen Beziehungen mit einem Preis geehrt.
Februar 1970. Die heiße Phase des internationalen Terrorismus hat begonnen. Im Fadenkreuz von Attentaten und Entführungen steht vor allem der Staat Israel. Und ausgerechnet in dieser Zeit plant der Fußballverein Borussia Mönchengladbach eine Flugreise nach Tel Aviv. Die Vereinsführung fürchtet um die Sicherheit ihrer Spieler. Aber am Ende tritt die Mannschaft mit Stars wie Günter Netzer und Berti Vogts tatsächlich die Reise an – in einem Flugzeug der deutschen Luftwaffe.
"Und dann kam es zu diesem denkwürdigen Spiel, das heute alle Fußballfreunde in Israel im Kopf haben, wenn sie den Namen Borussia Mönchengladbach hören", erzählt Professor Manfred Lämmer von der Sporthochschule Köln.
"Dieses Spiel ist unvergessen in Israel und deswegen ist der Verein Borussia Mönchengladbach heute ein Verein, der für eine ganz bestimmte historische Marke steht."
Am 25. Februar 1970 ist es soweit: Im ausverkauften Bloomfield Stadion in Tel Aviv tritt Borussia Mönchengladbach gegen die israelische Nationalmannschaft an. Es ist das erste Mal überhaupt, dass ein Fußball-Bundesligist auf israelischem Boden spielt. Angesichts der Verbrechen im Nationalsozialismus ist eine solche Begegnung alles andere als selbstverständlich.
Manfred Lämmer: "Die schwierigsten Beziehungen, die Deutschland überhaupt hatte nach dem Zweiten Weltkrieg, waren die gegenüber Israel. Im Falle Israel begannen die Beziehungen ja nicht bei Null, sie begannen bei unter Null."
Begeisterter Empfang
Es wundert deswegen umso mehr, dass israelische Fans die Stars von Borussia Mönchengladbach begeistert empfingen und ihnen zujubelten – und das, obwohl Israel am Ende mit 0:6 verlor.
"Schon in der Halbzeit sagte ein Vertreter der Deutschen Botschaft zu dem Geschäftsführer der Borussen: Lieber Herr Grashoff, wir bemühen uns hier seit einigen Jahren in ganz kleinen Schritten Vertrauen zu erwerben für das neue Deutschland. Und Sie brauchen nur 45 Minuten und Sie wecken Begeisterungsstürme."
Viele Jahre reiste der Verein immer in der Winterpause zum Trainingslager nach Israel. Und bis heute verbucht die Borussia insgesamt 27 Partien gegen israelische Mannschaften.
Manfred Lämmer: "Man kann die Rolle, die der Sport und der Fußball hier gespielt haben, nicht hoch genug einschätzen."
Wegen seiner Verdienste um die bilateralen Beziehungen hat der Verein am Dienstagabend den Zukunftspreis der deutschen Israelstiftung erhalten. Edgar Moron, Kuratoriumsvorsitzender der Stiftung, begründete die Wahl bei der Verleihung im Borussiapark so:
"Anfang der Siebzigerjahre ist Borussia Mönchengladbach auf abenteuerlichem Wege nach Israel geflogen und hält seitdem regelmäßig Kontakt zu Israel. Damals stießen Deutsche in Israel noch auf große Ressentiments, was verständlich war. Dies abzubauen, daran hat Borussia Mönchengladbach einen unglaublich erfolgreichen und guten Anteil."
Verdienste der Vergangenheit
Mit dem Preis will die Stiftung an Verdienste der Vergangenheit erinnern, um Impulse für die Zukunft zu wecken. Zur Verleihung am Dienstag kamen auch ehemalige Spieler, etwa Herbert Laumen, der zwei der sechs Tore im Jahr 1970 erzielte – und sich noch gut an die Reise erinnern kann.
Laumen: "Man war natürlich uns gegenüber sehr skeptisch. Aber wir haben dann so ein tolles Spiel hingelegt, dass die Zuschauer so begeistert waren, dass man uns nach dem Spiel Standing Ovation gegeben hat. Das war natürlich die Sensation schlechthin. Das hat uns natürlich sehr viele Freunde gebracht."
Der Impuls, immer wieder nach Israel zu reisen, ging von Trainerlegende Hennes Weisweiler aus, die die Borussen bis 1975 trainierte. Weisweiler war zuvor auch Dozent an der Sporthochschule Köln und lernte dort den späteren israelischen Nationaltrainer Emanuel Schaffer kennen. Beide freundeten sich an, und wie das so ist unter Freunden: Sie wollten sich auch regelmäßig besuchen. Politik spielte dabei zunächst einmal keine Rolle, meint Professor Manfred Lämmer.
Professor Manfred Lämmer: "Diese politische Wirkung in der Öffentlichkeit war – wie ich glaube – zunächst unbeabsichtigt, aber sie wurde dann im Laufe der Zeit auch erkannt, im Laufe der Jahre und dann hat sich Borussia Mönchengladbach zu dieser Wirkung auch bekannt."
Engagement hat ein wenig abgenommen
Die letzte Reise nach Israel liegt mittlerweile sechs Jahre zurück. Das Engagement hat also ein wenig abgenommen. Der Präsident von Borussia Mönchengladbach, Rolf König, meint, dass die Preisverleihung am Dienstag aber ganz sicher neue Impulse für die Zukunft bringt:
"Wir werden das aufwärmen. Wir werden das nicht verwelken lassen, wir werden das wieder beleben mit guten Begegnungen, mit Besuchen in Israel und auch Einladungen, die wir für israelische Clubs nach Mönchengladbach machen."
Konkret ist noch nichts geplant. Aber Rolf Königs hat schon eine Idee: Vor kurzem besuchte Mahmut Abbas, der Präsident der Palästinensischen Autonomiebehörde, den Verein in Mönchengladbach. Ein Besuch, der Perspektiven eröffnet.
Königs: "Der hat eine wunderbare Rede gehalten und hat berichtet, was abläuft in dieser ganzen Region mit dem Frieden. Er hat uns dann ganz spontan eingeladen zu einem Turnier mit Mannschaften aus Palästina. Und wenn wir das jetzt kombinieren können mit Palästina und Israel, dann wäre das ein wunderbarer Beitrag zur Völkerverständigung. Als Friedenstifter."