Boni für VW-Vorstände

Kommt zurück auf den Boden!

Ein Mitarbeiter von Volkswagen poliert am 12.03.2015 in Berlin vor Beginn der Jahres-Pressekonferenz das Logo an einem VW Sport Coupe.
Ein Mitarbeiter von Volkswagen poliert am 12.03.2015 in Berlin vor Beginn der Jahres-Pressekonferenz das Logo an einem VW Sport Coupe. © picture alliance / dpa / Kay Nietfeld
Von Michael Braun · 11.04.2016
Dass die VW-Vorstände nicht gänzlich auf ihre Boni verzichten wollen, ist verständlich. Denn das könnte als Schuldeingeständnis gewertet werden, meint Michael Braun. Doch es scheint, dass die Manager beim Thema Geld die Bodenhaftung verloren haben − und den Anstand.
Einer der Großaktionäre hat ein hehres Ziel: Er tue alles, sagte Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil, für ein Comeback von VW als ein Vorzeigeunternehmen. Gleich heute will er daran arbeiten, die Erfolgsboni der VW-Vorstände zu verhindern.
Klingt klar, denn wo wegen "Dieselgate" ein Milliardenverlust droht für das Jahr 2015, kann kein Erfolg sein. Aber in den Jahren zuvor, 2014 und 2013 etwa, da war VW ja auch schon auf dem Weg, Toyota als weltgrößten Autobauer zu überholen. Und die Erfolge dieser Jahre sind noch nicht voll honoriert worden. Boni werden seit einiger Zeit scheibchenweise ausbezahlt. Die Erfolge sollen nachhaltig, dauerhaft sein.
Eben. Eigentlich müssten die VW-Vorstände nicht nur auf die Erfolgsbeteiligung des Jahres 2015 verzichten, sondern auch die der Vorjahre zurückzahlen. Denn die Betrugssoftware wurde mindestens schon in Autos des Modelljahrgangs 2014 eingebaut. Die Entscheidung, auf diese krumme Tour die Abgaswerte scheinbar einzuhalten, dürfte schon 2007 gefallen sein. Die Erfolge der letzten Jahre beruhten also wesentlich auf dem betrügerischen Umgang mit Behörden und Kunden, von der Umwelt ganz zu schweigen.
Vielleicht sehen die VW-Vorstände das sogar ein. Nur wollen sie nicht gänzlich auf ihre Boni verzichten, weil das als Schuldeingeständnis gewertet werden könnte. Würde diese Schuld festgestellt, müsste VW gegen seine amtierenden oder ehemaligen Vorstände klagen. Und dann ginge es nicht nur um ein paar Millionen Euro Bonus, sondern womöglich angesichts der drohenden Milliardenschäden an die Existenz.

VW beweist immer noch viel Unkultur

Das macht die Lage nicht besser, aber juristisch verständlich. Doch warum glaube ich an juristischen Selbstschutz als Motivation der VW-Vorstände nicht? Weil sie auch nach der Entdeckung des Skandals zu viel Unkultur bewiesen haben. Da rückt zum Beispiel der ehemalige Finanzvorstand an die Spitze des Aufsichtsrates. Um glaubhaft aufzuklären, was er zuvor finanziert hat? Da tritt ein Vorstandschef Winterkorn zurück. Und dann kommt raus, dass sein Vertrag weiterläuft, dass er weiter auf der Gehaltsliste von VW steht.
Mal ganz abgesehen davon, dass Vorstände glauben, allein durch einen Vorstandsvertrag überproportional viel verdienen zu müssen. Gut, in Amerika sind die Chefgehälter noch deutlich höher. Und viel Verantwortung hat ein Konzernlenker auch zu tragen.
Aber wenn Dieter Zetsche als Daimler-Chef mit 9,7 Millionen Euro das gut 300-fache eines Metallers im tarifvertraglichen Einstiegslohn verdient, Martin Winterkorn bei VW 2013 mit 15 Millionen Euro sogar fast 500 Mal so viel, muss die Frage erlaubt sein: Kann ein Mensch so viel mehr leisten, dass er so viel mehr verdient? Eher scheint mir, dass diese Liga der Großverdiener die Bodenhaftung verloren hat. Vielleicht sogar den Anstand.
Es kann sein, dass in solcher Atmosphäre anstandsarmer Machtfülle eine manipulierte Motorensoftware gar kein Unrechtsbewusstsein mehr erzeugt. Deshalb muss über die Gehaltsspanne in den Unternehmen immer wieder geredet werden. Die öffentliche Debatte muss die Bodenhaftung wieder herstellen. Gesetzlich festgelegte Gehaltsgrenzen passen nicht in ein marktwirtschaftliches System.
Übrigens: Neidisch bin ich auf Winterkorns Millionen nicht.
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