Bombardierung des Plaza de Mayo

Ein Mordversuch wird zum Massaker

Der "Plaza de Mayo" in der argentinischen Hauptstadt Buenos Aires am 26. September 1955. Die Menschen warten auf eine Rede von General Eduardo Lonardi, der wenige Tage zuvor den bisherigen Präsidenten Juan Domingo Perón gestürzt hat.
Historische Aufnahme des "Plaza de Mayo" in der argentinischen Hauptstadt Buenos Aires © AFP /
Von Victoria Eglau · 16.06.2015
Viele Jahre regierte Juan Domingo Perón Argentinien mit starker Hand. Der Widerstand gegen ihn mündete vor 60 Jahren in ein Massaker: Kampfflieger der Marine bombardierten den Platz vor dem Regierungssitz. Doch statt Perón starben Hunderte Passanten.
Argentinien 1955: Seit neun Jahren regiert General Juan Domingo Perón das Land. Er genießt großen Rückhalt in der Arbeiterklasse und unteren Mittelschicht, die von seiner umfassenden Sozialpolitik profitiert haben. Nach seiner Wahl 1946 hatte Perón die Rechte der Arbeiter gestärkt, die Zahl der Rentenempfänger verzwanzigfacht und Sozialleistungen wie das Weihnachtsgeld eingeführt.
Perón vertritt einen dritten Weg zwischen Kommunismus und Kapitalismus. Er verfolgt eine nationalistische, protektionistische Politik und treibt die Industrialisierung Argentiniens voran. Doch Perón ist auch ein Populist, der autoritär regiert und die Meinungsfreiheit stark einschränkt.
Er und vor allem seine Ehefrau Eva, genannt Evita, wettern in ihren Reden gegen die sogenannte Oligarchie: Großgrundbesitzer und Unternehmer. Luis Alberto Romero, Historiker:
"Die offizielle Rhetorik war aggressiv. Regierungskritische Stimmen wurden aus den Medien verbannt. All dies stieß bei einem Teil der Gesellschaft auf Ablehnung."
Nach dem Tod seiner Frau verstärkt Perón den Druck auf die Opposition
Evita, die von Argentiniens Armen und einfachen Leuten verehrt wird, stirbt 1952. Danach verstärkt Perón die Unterdrückung der Opposition, der sowohl rechte als auch linke Parteien angehören.
Ein Jahr zuvor hat ein erster Putschversuch reaktionärer Militärs stattgefunden. Teile der Opposition befürworten einen gewaltsamen Umsturz. Peróns ursprünglich gutes Verhältnis zur Katholischen Kirche verschlechtert sich allmählich.
"Als Perón 1953 eine nationale politische Schüler-Union ins Leben rief, war das für die Kirche ein Skandal. Und eine Konkurrenz zu ihren eigenen Jugend-Organisationen. Vorbei war es mit der Harmonie zwischen Perón und der Kirche - es begann ein Machtkampf."
Eine Reihe von Priestern übt von der Kanzel aus scharfe Kritik an Peróns Regierung.
Diese reagiert mit Festnahmen einiger Geistlicher und kirchenfeindlichen Maßnahmen wie der Abschaffung des Religionsunterrichts an staatlichen Schulen.
Undatierte Aufnahme von Juan Perón und seiner Frau Eva
Undatierte Aufnahme von Juan Perón und seiner Frau Eva© dpa / picture alliance
Am 11. Juni 1955 wird die Fronleichnamsprozession in Buenos Aires zu einer oppositionellen Demonstration mit mehr als 200.000 Teilnehmern.
"Peróns Bruch mit der Kirche führte dazu, dass sich die gesamte Opposition, auch die nicht-katholische, hinter der Kirche versammelte. Der Fronleichnamszug war ganz klar eine politische Demonstration."
Fünf Tage später, am 16. Juni, fliegen mittags Marinebomber über das Zentrum von Buenos Aires, auf die der Schriftzug "Cristo vence" (Christus siegt) gepinselt ist. Sie bombardieren die Plaza de Mayo, wo sich der Regierungspalast befindet - mit dem Ziel, Perón zu töten. Doch der Präsident kann sich in Sicherheit bringen - stattdessen sterben mehr als dreihundert Passanten, unter ihnen viele Kinder.
"Das hatte es in der Geschichte noch nie gegeben, dass das Militär die eigene Bevölkerung bombardiert", sagt der Dokumentarfilmer Marcelo Goyeneche über die kriminelle Aktion der argentinischen Marine.
Nach der Bombardierung zündeten Perón-Anhänger Kirchen an
Dieser Teil der Streitkräfte wollte Perón seit langem stürzen und nutzte den aufgeheizten Moment des Konflikts zwischen Regierung und Kirche für den Mordversuch, der zu einem Massaker an Zivilisten wurde. Nach dem Bombardement zündeten aufgebrachte Perón-Anhänger katholische Gotteshäuser an.
"Perón war nach der Bombardierung der Plaza de Mayo sehr geschwächt. Nach dem Kirchenbrand rief er zur Versöhnung auf. Er versuchte eine politische Öffnung, indem er den Oppositionsparteien gestattete, sich im Nationalradio zu äußern."
Doch nach zwei Monaten kehrte Perón zu einem konfrontativen Diskurs zurück. Am 16. September 1955 putschten argentinische Militärs erneut gegen den Präsidenten - diesmal wurde er gestürzt und floh ins Exil. Für die nächsten fast drei Jahre herrschte eine repressive Militärdiktatur in Argentinien, unter der die politische Bewegung des Peronismus' verboten wurde.
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