Bogdan Roscic

Plattenboss goes Staatsoper

Der in Belgrad geborene österreichische Bogdan Roscic wird ab September 2020 Chef der Wiener Staatsoper.
Der in Belgrad geborene österreichische Bogdan Roscic wird ab September 2020 Chef der Wiener Staatsoper. © dpa / Alex Halada
Von Ralf Borchard · 21.12.2016
Für die traditionsbewusste Wiener Staatsoper ist es eine kleine Kulturrevolution: Mit dem ehemaligen Musikmanager Bogdan Roscic wird ein Quereinsteiger Staatsoperndirektor. Dienstbeginn ist der 1. September 2020.
Der 52-Jährige begann als Popmusik-Kritiker für österreichische Zeitungen, formte den Musiksender Ö3 zum Formatradio, war als Plattenmanager im Bereich klassische Musik etwa bei der Deutschen Grammophon in Hamburg und ist derzeit Chef der Klassiksparte von Sony Music mit Sitz in New York.
Ein Opernhaus hat er noch nie geleitet. Kein Problem, meint Roscic:
"Ich finde, da befinde ich mich in glänzender Gesellschaft. Und da meine ich nicht nur den Ioan Holender oder den Tony Hall in London oder Peter Gelb, ohne jetzt damit sagen zu wollen, dass die Art und Weise, wie die Häuser jeweils geführt werden, das Modell für die Wiener Staatsoper ist.
Ich glaube, man soll Erfahrung nie gering schätzen im Leben, aber ich glaube, die Aufgabe ist doch eher eine des Gestaltens. Für mich ist Theater so was wie einer Maschine Kunst abzupressen. Und ich glaube, das Werkzeug dafür sind Ideen. Und wenn die gut sind, dann habe ich die Erfahrung in meinem Berufsleben gemacht, dass man Skepsis in anderes verwandeln kann."

Bestens vernetzt in der Kulturwelt

Der österreichische Kulturminister Thomas Drozda, der für die Personalie verantwortlich ist, betont, man spüre bei Roscic einen herausragenden Gestaltungwillen. Er sei in der Kulturwelt bestens vernetzt, der Richtige, um die Oper auch für ein neues Publikum attraktiv zu machen, so Drozda:
"Mit dem Stichwort 4.0 geht es auch darum, eine Staatsoper 4.0 zu kreieren."
Bogdan Roscic selbst formulierte den Anspruch, die Oper ab 2020 in Wien gleichsam neu zu erfinden. Mit mehr Zeitgenössischem, mit einem neuen Generalmusikdirektor, der noch zu finden ist, im Konkurrenzkampf mit anderen Sparten. Die Oper steht aus seiner Sicht in der Kulturwelt in Frage:
"Sie steht unter Druck. Es ist die größte Materialschlacht der Kulturwelt. Und sie muss liefern."
Zwar könne sich die Wiener Staatsoper derzeit noch auf eine Auslastung von an die 100 Prozent berufen. Aber Roscic verwies auf die Probleme der Metropolitan Opera in New York, wo häufig bereits die Hälfte bis zwei Drittel der Sitze leer blieben:
"Ich glaube, dass man lernen kann von dem, was unter den viel gnadenloseren Bedingungen der amerikanischen Alltagskultur gerade abläuft. Und ich glaube, dass die Wiener Staatsoper diese selbe Lage - nur unter wesentlich günstigeren und geschützteren Bedingungen - auch schon zu spüren bekommt. Und zwar in dem inzwischen ja bekannten Faktum, dass das Durchschnittsalter ihres Publikums relativ rapide steigt."

Hin zu neuen Verbreitungswegen im Internet

Die Oper von morgen müsse sich, weg von traditionellen Fernseh-Übertragungen auch neue Verbreitungswege im Internet und den sozialen Medien suchen, betonte Roscic, - mit dem Live-Erlebnis in der Oper selbst weiter im Zentrum:
"Das Ziel kann auch da nur sein: eine allabendlich spürbare Hebung der Qualität dessen, was auf der Bühne zu sehen ist. Ein anderes Ziel kann es schlechterdings nicht geben."
Als Vorbild nennt der künftige Wiener Staatsoperndirektor Gustav Mahler, der von 1897 bis 1907 Staatsoperndirektor in Wien war:
"Mahler war alles zutiefst verhasst, was routiniert war, was unartikuliert war, was zufällig war, was selbtzufrieden war."
Die ersten Reaktionen auf die Personalie Roscic schwanken in Wien zwischen "Ein echter Macher" und "Er wird sich noch wundern über die Widerstände im Traditionshaus Staatsoper".
Der in Belgrad geborene, in Wien sozialisierte und zur Zeit in New York lebende Musikmanager schloss mit dem Satz: Ihm sei schon klar, dass da eine gewaltige Herausforderung warte.
"Damit betraut zu sein, die Verantwortung zu haben, für die inhaltliche Führung eines Theaters dieses Stellenwerts, ist etwas ganz Ungeheures. Und daher ist das für mich, da bin ich mir ganz sicher, ich bin jetzt leider auch schon über 50, die wichtigste berufliche Entscheidung, die ich je treffen werde. Ja, so sehe ich das."
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