BND-Skandal

Geheimdienste müssen besser kontrolliert werden

Blick auf das Gebäude der neuen Zentrale des Bundesnachrichtendienstes (BND) am 27.04.2015 in Berlin.
Die Geheimdienste haben alles im Visier - aber werden sie auch selbst genug überwacht? © picture-alliance / dpa / Jörg Carstensen
Markus Löning im Gespräch mit Nana Brink · 06.05.2015
Der jüngste Skandal um Spionagehilfe ist für viele der endgültige Beweis: die Geheimdienste müssen stärker an die Kandare genommen werden. Das wäre auch möglich, meint der FDP-Politiker Markus Löning. Das Parlament müsste sich nur endlich mal trauen.
Der Bundestag muss seine Kontrollbefugnis über den Bundesnachrichtendienst deutlich stärker als bisher wahrnehmen, fordert Markus Löning (FDP), bis 2014 Menschenrechtsbeauftragter der Bundesregierung und heute Mitarbeiter der Stiftung Neue Verantwortung.
Das Parlamentarische Kontrollgremium (PKGr) habe derzeit viel zu wenig Möglichkeiten, die Geheimdienste zu kontrollieren, sagte Löning im Deutschlandradio Kultur vor dem Hintergrund des BND-Skandals. Natürlich sei für die Fach- und Dienstaufsicht das Bundeskanzleramt zuständig. "Aber das Grundgesetz sagt eben auch: Der Bundestag muss die Verantwortung über die Geheimdienste führen – und dieser Verantwortung wird er zur Zeit einfach nicht wirklich gerecht."
Theoretisch hätten die Parlamentarier "alle Mittel in der Hand, um zum Beispiel einen Geheimdienstbeauftragten oder eine Behörde einzurichten – einen Stab von Leuten, die wirklich wissen, was läuft." Dass dies bislang nicht passiert sei, liege an der "unseligen Geschichte, die Geheimdienste nun mal haben". Es heiße immer ‚geheim, geheim – ihr dürft nicht'. Zwar treffe dies für bestimmte vertrauliche Bereiche zu, wie dies etwa auch bei der Polizei der Fall sei. Dennoch werde deren Arbeit aber gut kontrolliert. Von den Diensten hingegen lasse man sich an dieser Stelle "ein Stückchen weg bluffen". Löning: "Es gibt keine Tradition einer guten Kontrolle und das muss der Bundestag jetzt ändern – er kann das."

Das Interview im Wortlaut:
Nana Brink: Die Faktenlage ist ja nicht sehr befriedigend, um es mal so auszudrücken, der Erregungszustand zwischen den Partnern der Großen Koalition aber umso größer. In der seit Wochen schwelenden BND-Affäre wissen wir so viel: Die USA haben dem Bundesnachrichtendienst Listen mit gewünschten Spähzielen gegeben. Und unklar ist, ob und in welchem Ausmaß der BND auch Daten von deutschen Unternehmen und Bürgern an den amerikanischen Geheimdienst übermittelt hat. Ann-Kathrin Büsker fasst zusammen:
Innenminister Thomas de Maizière. Heute will er vor dem Parlamentarischen Kontrollgremium, das ja die Geheimdienste kontrolliert, aussagen. Und der FDP-Politiker Markus Löning war Menschenrechtsbeauftragter der Bundesregierung bis 2014 und arbeitet jetzt für die Stiftung neue Verantwortung, das ist ein Thinktank in Berlin. Schönen guten Morgen, Herr Löning!
Markus Löning: Guten Morgen!
Brink: Werden wir heute mehr von Thomas de Maizière erfahren, oder überhaupt mehr erfahren?
Löning: Ich gehe davon aus, dass er im PKGr natürlich Dinge sagen wird ...
Brink: Also im Parlamentarischen Kontrollgremium.
Löning: Richtig. Das wird aber hinter verschlossenen Türen stattfinden. Das heißt, die Leute, die dort sitzen, werden vermutlich hinterher mehr wissen, aber wir draußen werden wahrscheinlich nicht sehr viel mehr wissen, wenn überhaupt.
Brink: Welche Möglichkeiten hat denn das Parlamentarische Kontrollgremium wirklich, die Geheimdienste zu kontrollieren?
Löning: Zu wenig. Letztlich viel zu wenig. Und das sieht man an der Struktur auch dieses Skandals wieder, es ist wie bei anderen BND-Skandalen, die wir vorher auch hatten: Große Aufregung, irgendwas wird vermutet, irgendwas wird hinter verschlossenen Türen besprochen, und am Ende kommt keine richtige Reform raus. Und man muss einfach auch mal klar sagen: Natürlich ist für die Fach- und Dienstaufsicht das Bundeskanzleramt zuständig, aber das Grundgesetz sagt eben auch, der Bundestag muss die Aufsicht über die Geheimdienste führen. Und dieser Verantwortung wird er zurzeit einfach nicht wirklich gerecht.
Brink: Ja, kann er denn dieser Verantwortung gerecht werden? Was dürfen denn die Parlamentarier wissen über den Bundesnachrichtendienst?
Löning: Die Parlamentarier sind die gewählten Vertreter des Volkes, sie machen die Gesetze, sie haben die Haushaltshoheit. Wenn sie Leute brauchen, können sie Leute einstellen. Sie haben alle Mittel in der Hand, um zum Beispiel einen Geheimdienstbeauftragten oder eine Behörde einzurichten, einen Stab von Leuten, die wirklich wissen, was läuft. Das haben die Holländer gerade vorgemacht, da gibt es auch ein Parlamentarisches Kontrollgremium. Und die haben gesagt, wir setzen uns jetzt hier als Zuarbeiter zu unserer parlamentarischen Kontrolle ein Gremium hin, da sitzen Technologieexperten drin, da sitzen Rechtsexperten drin, da sitzen Nachrichtendienstexperten drin, und die können immer und jederzeit in jede Akte, in jeden Vorgang im niederländischen Geheimdienst reinschauen. Die können das kontrollieren ohne Ankündigung, und dann berichten sie an uns als parlamentarisches Aufsichtsgremium, und dann kann man sehen, sind die Sachen in Ordnung, sind sie nicht in Ordnung, müssen wir etwas tun? Und so etwas kann der Bundestag natürlich auch einrichten. Das liegt bei ihm.
Brink: Und warum tut er es nicht?
Löning: Ich würde mal sagen, das ist die unselige Geschichte, die Geheimdienste nun mal haben. Sie sagen immer geheim, geheim, geheim, geheim, und ihr dürft nicht und so weiter. Das stimmt natürlich für bestimmte Bereiche, aber es gibt ja auch andere Bereiche in der öffentlichen Verwaltung, wo natürlich Daten vertraulich oder Vorgänge vertraulich sind. Auch bei der Polizei ist natürlich nicht alles öffentlich. Und trotzdem wird die Polizei gut kontrolliert. Da lässt man sich, finde ich, von den Geheimdiensten einfach ein Stückchen weg bluffen. Dann haben wir die Geschichte des Kalten Krieges und so weiter. Also es gibt da keine Tradition einer richtig guten Kontrolle, und das muss der Bundestag jetzt ändern. Er kann das.
Brink: Ja, unklar ist ja, ob es überhaupt irgendwelche Ergebnisse gebracht hat. Es gibt ja eine Vereinbarung, 2002, die Amerikaner bekommen eben vom BND Suchmerkmale. Und ob das überhaupt passiert ist, das wissen wir ja nicht. Der BND-Präsident Gerhard Schindler hat ja schon gesagt, das ist eine Unterstellung. Kann man dem nicht mehr glauben, oder wenn ja, wie überprüft man das?
Löning: Normalerweise sollte es ja so sein, der Bundestag gibt Haushaltmittel für eine bestimmte Verwaltungsaufgabe, und anschließend kontrolliert er den Haushaltsvollzug, und er kontrolliert vor allem, ist das Geld sinnvoll eingesetzt worden, sind damit die Ziele erreicht worden? Beim BND passiert das nicht. Das liegt unter anderem eben auch daran, dass die verschiedenen Kontrolleure im Bundestag, die es gibt, auch die Haushaltskontrolleure, mit den Mitgliedern im Parlamentarischen Kontrollgremium nicht in richtigem, regelmäßigem Austausch sind und keiner sich ein Gesamtbild der Situation macht. Und es gibt noch eine andere Bremse, die aus meiner Sicht unbedingt eingebaut werden müsste. Zurzeit ist es so, dass der BND viele der Maßnahmen, die er vornimmt, vor allem bei der Untersuchung von Telekommunikation, überhaupt nirgends zur Genehmigung vorlegen muss. Immer, wenn Deutsche nicht betroffen sind, kann er einfach machen, wie er lustig ist. Und das ist etwas, was unbedingt geändert werden muss. Das betrifft auch die Zusammenarbeit mit anderen Diensten. Die Bundesregierung muss endlich klar sagen, jeder ist in seinem Telekommunikationsgeheimnis geschützt, egal, ob er Deutscher ist oder nicht. Und jede Maßnahme, die wir durchführen, wird der G10-Kommission, die solche Maßnahmen autorisieren muss, vorher vorgelegt. Allein schon das würde bedeuten, dass die Dienste erklären müssen, warum machen wir das, wen wollen wir dort abhören, was sind die Ziele. Und über diese Ergebnisse sollte dann später auch berichtet werden. Ich glaube, das wäre ein erster wertvoller, wichtiger Schritt, um das Ganze etwas einzuhegen und dann in einem zweiten Schritt das Parlamentarische Kontrollgremium so ausstatten, dass die Mittel vorhanden sind, dass das Fach-Know-how vorhanden ist, dass ausreichend Stellen vorhanden sind, und dass die Regeln auch so sind, dass direkt vor Ort inspiziert werden kann.
Brink: Aber dann wäre ja das, was der Geheimdienst macht, nicht mehr geheim. Sind wir nicht automatisch immer, wenn wir die Forderung nach mehr Transparenz aufstellen, kommen wir an die Grenze – ein Geheimdienst heißt ja nicht umsonst Geheimdienst.
Löning: Das ist das Argument derer, die nicht gerne kontrolliert werden wollen. Zunächst mal ist es so, dass es in einer parlamentarischen Demokratie keinen Bereich staatlichen Handelns geben kann, der außerhalb von Kontrolle durch das Parlament stattfindet. Zum Zweiten ist es so, dass natürlich auch bestimmte Teile der Kontrolle nicht an die Öffentlichkeit gelangen müssen. Man kann ja auch – ein Teil der Kontrolleure können ja im Parlamentarischen Kontrollgremium berichten. Aber die Parlamentarier machen die Regeln, die bestimmen, was ist geheim, wann ist es geheim, wann ist es etwas, was an die Öffentlichkeit muss. Das haben nicht die Beamten der Dienste zu bestimmen, sondern das haben aus meiner Sicht die gewählten Vertreter des Volkes zu bestimmen. Wann ist etwas geheim, und wo endet auch die Pflicht zur Geheimhaltung?
Brink: Markus Löning von der Stiftung neue Verantwortung über die BND-Affäre. Danke, Herr Löning, für das Gespräch! Heute muss ja Innenminister Thomas de Maizière im Parlamentarischen Kontrollgremium aussagen.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio Kultur macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
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