BND-NSA-Affäre

Weitreichende Wertungen ohne Grundlage

Die ehemalige große Abhörbasis der NSA in Bad Aibling in Bayern.
Marcus Pindur fühlt sich an die deutsch-nationale Rhetorik der 20er-Jahre erinnert. © CHRISTOF STACHE / AFP
Von Marcus Pindur · 30.04.2015
Der BND soll also mit der NSA kooperiert haben. Der daraufhin entstandene Alarmismus ist in seiner Hysterie und in seinem Ausmaß verlogen, kommentiert Marcus Pindur: Die weitreichenden moralischen Schlüsse der deutschen Medien basieren auf schmalen Fakten.
Die Leser der "New York Times" haben bislang noch nichts erfahren von der deutschen Aufregung um den angeblichen neuen NSA-Skandal. Der Bundesnachrichtendienst soll also mit der amerikanischen Sicherheitsbehörde kooperiert haben. Das ist in den USA keine Nachricht. Deshalb stand es auch noch nicht in einer großen amerikanischen Tageszeitung.
Commerzbank muss Strafe zahlen
Was die Leser der "New York Times" aber sehr wohl erfahren haben, ist, dass die Commerzbank sich schuldig bekannt hat, jahrelang Geldwäsche für den Iran betrieben zu haben - es geht um mindestens 263 Millionen Dollar. Vorbei an amerikanischen Gesetzen, vorbei an internationalen, durch den UNO-Sicherheitsrat beschlossenen Sanktionen. Das deckte eine Ermittlung des FBI und des amerikanischen Justizministeriums auf. Knapp 1,5 Milliarden Dollar Strafe muss die Commerzbank jetzt berappen.
Die Sache wurde in Frankfurt am Main gedeichselt
Angesichts wiederholter Embargo-Verstöße europäischer und deutscher Firmen stellt sich zunächst die Frage, warum das Bundeskriminalamt und der Bundesnachrichtendienst diesen Skandal nicht aufgedeckt haben. Er spielte sich nämlich nur zum Teil in New York ab. In Frankfurt am Main wurde die Sache gedeichselt, bei einer eigens einberufenen Arbeitsgruppe der Commerzbank. Der New Yorker Staatsanwalt zitierte aus einer E-Mail aus Frankfurt, aus der klar hervorgeht, dass die Commerzbank wusste, dass es sich um Geldwäsche zugunsten des Iran handelt.
Die zweite Frage, die sich aufdrängt, ist, warum dieser Skandal um eine deutsche Bank, die einem Regime unter die Arme greift, dass Nuklearwaffen baut und einen neuen Holocaust an Israel propagiert, in Deutschland nicht alle Alarmglocken schrillen lässt.
Der Alarmismus, der zurzeit in Deutschland wegen der Kooperation des BND mit der NSA betrieben wird, ist in seiner Hysterie und in seinem Ausmaß verlogen. Auf schmaler Quellen- und Faktengrundlage kommen deutsche Medien zu weitreichenden politisch-moralischen Schlüssen. Von einem Affront ist die Rede, von einer Schweinerei gar, oder von einem Kotau der deutschen Politik gegenüber den USA. Diese Wertungen erinnern an die deutsch-nationale Rhetorik der 20er-Jahre.
Das Grundgesetz ist Maßstab der Dinge
Wenn deutsches Recht im Rahmen der Zusammenarbeit mit der NSA gebrochen wurde, dann muss das selbstverständlich auf den Tisch. Das Grundgesetz ist der Maßstab der Dinge.
Aber: Es ist Sache der deutschen Behörden und der deutschen Politik, zu überprüfen, ob amerikanische NSA-Anfragen deutschem Recht genügen. Der Fall der Commerzbank illustriert: Das Interesse der NSA an europäischen Firmen ist sicherheitspolitisch bedingt, nicht industriepolitisch. Wenn die Commerzbank Geld für den Iran wäscht, dann gefährdet die Commerzbank deutsche Sicherheitsinteressen - nicht die NSA. Ohne die Kooperation mit amerikanischen Sicherheitsbehörden ist keine Sicherheit für Deutschland herzustellen - jedenfalls nicht mit den spärlichen Mitteln des BND. Das müsste ehrlicherweise auch in der derzeitigen Debatte Erwähnung finden.
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