Bloß nicht Latin Lover!

Von Katja Nicodemus · 08.02.2009
Der Schauspieler Gael Garcia Bernal wurde zum Gesicht des neuen mexikanischen Kinos. Er arbeitete mit Regisseuren wie Alejandro Gonzales Innaritu, Petro Almodóvar und Michel Gondry und spielte stets extreme Rollen wie einen brutalen Kampfhundbesitzer, einen Transvestiten oder den jungen Che Guevara. Auf der Berlinale stellte er nun den Film "Mammut" vor.
Er ist das, was man einen Frauenschwarm nennt, hat aber keine Lust, sich darauf auszuruhen. Genauso wenig will er in mittelmäßigen Hollywoodfilmen den Latino vom Dienst geben. In den letzten Jahren gelangte der junge mexikanische Schauspieler Gael Garcia Bernal zu Starruhm, ohne dass er sich Filme sucht, die Starvehikel sind.

Alejandro Gonzales Innaritu, Petro Almodóvar, Fernando Meirelles gehören zu seinen handverlesenen Regisseuren - und jetzt auch der Schwede Lukas Moodysson. In dessen Berlinale-Wettbewerbsfilm "Mammut" spielt Bernal einen jungen reichen New Yorker namens Leo, der auf einer Geschäftsreise nach Thailand seine Frau betrügt. Am nächsten Morgen, beim Telefongespräch mit ihr, denkt er über die Gründung einer Wohltätigkeitsorganisation nach. Für Bernal ein scheinheiliges Programm.

"Dieser Mann hat keinen wirklichen Boden unter den Füßen. Und seine plötzliche Sehnsucht nach Engagement und Wohltätigkeit hat viel mit Schuldgefühlen zu tun. Man kann das zynisch sehen: Er ist in Thailand mit Prostituierten zusammen. Und weil er sich schuldig fühlt, will er gleich die Welt retten anstatt einfach Spaß zu haben. Diese ganze Wohltätigkeitsscheiße hat ohnehin mit Reinwaschen zu tun. Man will sein Gewissen erleichtern. Das ist das Dreckige daran. Es geht nicht um die anderen, sondern um das eigene kleine Selbst. Nicht darum, wirklich etwas zu ändern."

Der Geschäftsmann, der in Thailand wider Willen zum Sextouristen wird, seine Frau, eine Herzchirurgin, die in New York um das Leben eines angeschossenen Jungen kämpft und das philippinische Kindermädchen der Familie, das die eigenen Kinder in der Heimat vermisst - "Mammut" ist eine Kontinente übergreifende Parabel über Wohlstand und Armut, über den globalen Austausch von Abhängigkeiten und Arbeitskräften, Sex und Gefühlen. Gael Garcia Bernal spielt Leo als neureichen Sympathen und verunsicherten Träumer, der sich in Thailand zunächst nicht traut, die vollklimatisierte, sterile Welt seines Luxushotels zu verlassen.

"Am besten kann ich mich dieser Figur über unsere Gegensätze nähern. Leo hat Angst, vor dem, was da draußen in Thailand lauern mag. Ich habe diese Angst nicht. Er lebt in New York ein sehr wohlhabendes Leben. Die Stadt ist eine Art Blase, in dieser Blase wurde er vom Videogame-Player zum Spielererfinder und Millionär. Ich bin viel gereist im Leben und habe nie in einer abgeschlossenen Comfort Zone gelebt wie Leo. Mexiko City ist definitiv keine Comfort Zone."

Auch als Schauspieler hat sich Gael Garcia Bernal nicht in einer Komfortzone eingerichtet. Seine erste Rolle ist der aggressive Kampfhundbesitzer in "Amores Perros" dem Regiedebüt von Alejandro Gonzales Inárritu. Dieser harte, grobkörnig gedrehte Film, in dem Mexico City als ein Schlachtfeld für Hunde und Menschen erscheint, wird zum Beginn des neuen mexikanischen Kinos.

In dem mexikanischen Skandalfilm "El crimen del Padre Amaro" sieht man ihn als Priester, der ein Verhältnis mit einer Minderjährigen hat, in Alejando Gonzales Innáritus über Grenzen und Kontinente springendem Episodenfilm "Babel" als betrunkenen Mexikaner, der an der mexikanisch-amerikanischen Grenze ausrastet. In "The Motorcycle Diaries" spielt er den jungen Che Guevara und in Pedro Almodóvars "die schlechte Erziehung" einen mörderischen Transvestiten. Allesamt Figuren, die sich jeder Festlegung entziehen und die Bernal weniger spielt als verkörpert.

"Wir haben alle verschiedene Geschlechter in uns. Bei Almodóvar habe ich nicht einfach einen Transvestiten gespielt, der so und so aussieht. Sondern: Wenn ich ein Transvestit wäre, würde ich genau so aussehen. Der Machocharakter in 'Amores Perros' wiederum ist das genaue Gegenteil dieses Transvestiten. Er hat ungefähr die gleiche Aggressivität und Antriebskraft wie sein Rottweiler. Er lächelt nur zwei Mal in dem Film. Als Che Guevara wiederum stehe ich auf eine Art, wie ich sonst nie stehen würde. Und bei Almodóvar musste ich meinen mexikanischen Akzent unterdrücken-, all das sind Details, die aber für die Rolle wie Zünder einer größeren Energie wirken."

Gael Garcia Bernal, das ist nicht nur der Schauspieler, der sich mit jeder Rolle neu erfindet, das ist auch der politisch engagierte Mensch, der sich in Lateinamerika für Fair Trade einsetzt und der 2005 gegen den G-8-Gipfel demonstrierte. Gemeinsam mit Freunden gründete er vor ein paar Jahren auch seine eigene Firma Canana, eine Mischung aus Filmproduktion und freundschaftlichem Ideenpool.

"Wir haben mit dieser Firma auch ein Dokumentarfilmfestival gegründet. Denn es gibt in Mexiko kaum Orte, an denen man Dokumentarfilme sehen kann. Wir wollen die Filme mit diesem Festival dort zeigen, wo sie entstanden sind. Daher haben wir dieses reisende Dokumentarfilmfestival gegründet, das die Filme an öffentlichen Orten zeigt."
Demnächst wird Gael García Bernal wieder in einem mexikanischen Film zu sehen sein: "Rudo y Cursi", der Geschichte zweier Freunde und Fußballspieler. Vielleicht wird er irgendwann auch einmal in Hollywood mit einem Hollywood -Regisseur drehen, aber man kann sich darauf verlassen dass er alles andere tun wird, als komfortabel als Latin Lover in der Traumfabrik unterzugehen.