Blomstedt und Schiff bei den Berliner Philharmonikern

Aufbruch und Abschied

Der Dirigent Herbert Blomstedt in rotem Hemd während einer Probe in der Philharmonie in Köln im Jahr 2006.
Der Dirigent Herbert Blomstedt ist mittlerweile 92 Jahre alt und dirigiert immer noch große Sinfoniekonzerte. © picture-alliance / dpa / Hermann Wöstmann
26.01.2017
Ein hart erarbeitetes Pionierwerk, ein dem Tode abgerungenes Abschiedsstück: Bartóks 3. Klavierkonzert und Brahms‘ 1. Sinfonie sorgen für ein kontrastreiches Konzertprogramm der Berliner Philharmoniker. Es dirigiert Altmeister Herbert Blomstedt. András Schiff ist der Solist.
"Wunderbare Blicke in die Geheimnisse der Geisterwelt" werde dieser junge Mann werfen, prophezeite Robert Schumann den Lesern der "Neuen Zeitschrift für Musik", als er ihnen unter dem Titel "Neue Bahnen" 1853 einen gewissen Johannes Brahms vorstellte. Allerdings waren diese Bahnen für Brahms – vielleicht auch dank der Überdosis an Vorschusslorbeeren – gepflastert mit zahlreichen verworfenen Werken. Das waren verzweifelte Versuche, dem Vorbild Beethovens gerecht zu werden, ohne ihm in kleinmeisterlicher Manier nachzueifern. Schon damals arbeitete der Hamburger an einer Sinfonie, aber nach vielen Irrungen und Wirrungen wurde das große Werk erst 1876 fertig: "Du hast keinen Begriff davon, wie es unsereinem zu Mute ist, wenn er immer so einen Riesen hinter sich marschieren hört", sagte Brahms in diesem Zusammenhang über sein Ringen mit Beethoven. Nicht lange auf sich warten ließ dann die Äußerung des Dirigenten Hans von Bülow, hier habe man es mit Beethovens "Zehnter Sinfonie" zu tun. Und in der Tat schien mit Brahms‘ Erster Sinfonie der Bann gebrochen. Nicht nur ihm, auch anderen Komponisten flossen Sinfonien fortan etwas leichter aus der Feder.
Übrigens haben die Berliner Philharmoniker in der vergangenen Saison eine Statistik der von ihnen am häufigsten gespielten Werke quer durch die philharmonische Geschichte veröffentlicht: Auf den ersten Plätzen tauchen ausschließlich Werke Beethovens und Brahms' auf, dessen Erste Sinfonie steht auf Platz Fünf der Hitliste.
Weniger "Quote" hat das Dritte Klavierkonzert von Béla Bartók erzielt – was sicherlich nichts mit der Bedeutung dieses Werkes zu tun hat. Es ist ein zarter, überraschend leichtfüßiger Abgesang auf das alte Europa, den der bereits vom Tode gezeichnete Komponist 1945 in den USA zu Papier brachte. Als Bartók am 25. September in einem New Yorker Krankenhaus der Leukämie erlag, fehlten dem Klavierkonzert noch die letzten 17 Takte, die sein Schüler Tibor Serly aus den Skizzen rekonstruieren konnte. Auf die Interpretation des aus Ungarn stammenden Pianisten András Schiff – inzwischen britischer Staatsbürger und von der Queen zum Ritter geschlagen – kann man sich freuen; auch weil ihm mit dem bald 90 Jahre alten Herbert Blomstedt ein überragender Begleiter am Pult der Berliner Philharmoniker zur Seite steht.
Philharmonie Berlin
Aufzeichnung vom 19. Januar 2017
Béla Bartók
Konzert für Klavier und Orchester Nr. 3 Sz 119
Johannes Brahms
Sinfonie Nr. 1 c-Moll op. 68

Sir András Schiff, Klavier
Berliner Philharmoniker
Leitung: Herbert Blomstedt