Blogger aus Bangladesh

"Ich bin ein Krieger"

Sicherheitskräfte tragen den Leichnam des Bloggers Niloy Chakrabart eine Treppe hinunter (7.8). Nun wurden drei Verdächtige inhaftiert.
Der Leichnam des Bloggers Niloy Chakrabart. Auch Imran hat schon mehrfach Morddrohungen erhalten. © EPA/ABIR ABDULLAH
Von Jürgen Webermann · 17.11.2015
Imran ist ein Blogger aus Bangladesh. Landesweit bekannt und Kopf einer Protestbewegung gegen Islamismus, die 2013 Millionen auf die Straßen der Hauptstadt Dhaka brachte. Er steht auf der "schwarzen Liste" der Islamisten. Aber Imran bloggt trotz Lebensgefahr weiter.
Ein schmuckloses Hochhaus in Dhaka. Vor dem Gebäude lungern junge Männer herum. Einer führt zum Fahrstuhl und begleitet die Besucher in den 8. Stock. Die Tür der Wohnung öffnet sich nur einen Spalt. Ein kurzer, skeptischer Blick. Dann lässt Imran uns hinein.
"Ich bin Imran Sharkar, ich bin Blogger und Sozialaktivist. Ich bin ein Krieger - ich kämpfe für meine Nation."
Imran kämpft für eine säkulare Nation, er schreibt gegen religiösen Extremismus an. Hin und wieder arbeitet er auch für die Bengali-Internetseite der Deutschen Welle. Vor allem aber ist Imran der Kopf einer Massenbewegung. Benannt nach dem Platz, auf dem sie 2013 in Dhaka demonstrierten: Shahbagh.
"Alle wollten damals auf dem Shahbag-Platz ein Selfie mit mir machen. Ich glaube, mein Bild müsste inzwischen auf 50 Prozent der Smartphones in Bangladesch sein. Seit 2013 verstehen vor allem junge Menschen, dass sie ein politisches Bewusstsein benötigen, um die Gesellschaft zu verändern."
I'm a Bangladeshi blogger & activist, fighting extremism, condemns brutal and barbaric terrorism of #ParisAttacks pic.twitter.com/agpjqIzVxn— Dr. Imran H Sarker (@ImranHSarker) 14. November 2015
Vordergründig ging es um einen Gerichtsprozess gegen Islamisten, die während des Unabhängigkeitskrieges 1971 Verbrechen begangen haben sollen. Damals hatte sich Bangladesch von Pakistan gelöst, der Preis waren hunderttausende Tote. Imran und die jungen Demonstranten forderten, die Verbrechen so hart wie möglich zu sühnen – auch mit der Todesstrafe. Tatsächlich aber ging es ihnen darum, Bangladesch nicht extrem konservativen Kräften zu überlassen, deren Organisationen regen Zulauf haben – und die ihrerseits begannen, die Massen zu mobilisieren.
"Nach wenigen Tagen begann die Gegenpropaganda. Sie beschimpften uns als anti-islamisch. Sie empörten sich, auf dem Shahbag-Platz würden Jungen und Mädchen gemeinsam und obszön tanzen. Sie gründeten eine Gruppe: Hefazat-e-Islam. Das heißt: Beschützt den Islam!"
Seitdem lebt Imran gefährlich. Er steht ganz oben auf einer schwarzen Liste führender Autoren und Blogger, die angeblich aus dem Umfeld der Hefazat-e-Islam Gruppe veröffentlicht wurde. Und es scheint, dass irgendwer diese Liste abarbeitet. Vier Blogger und ein Verleger wurden in den vergangenen Monaten umgebracht, der bislang letzte Mord geschah am 31. Oktober.
Wiederholte Morddrohungen
Imran führt durch seine Wohnung, genauer gesagt: durch die Wohngemeinschaft. Sie ist sein Schutz gegen die wiederholten Morddrohungen, die er erhält.
"Wir leben hier niemals allein, es sind immer Leute um uns herum. Ich gehe auch nie allein auf die Straße. Ich gehe nicht mehr auf öffentliche Plätze, nicht mal mehr in ein Restaurant auf eine Tasse Tee. Selbst wenn ich in eine Talkshow zum Fernsehen gehe, nehme ich meine Gruppe mit."
Eigentlich ist Imran ausgebildeter Arzt. Aber Imran weiß: Ein Zurück in sein altes Leben wird es wohl nicht mehr geben.
"Natürlich wollen die Mörder ein Klima der Furcht erzeugen. Sie wissen genau, dass sie nicht Hunderttausende töten können. Aber sie wissen, dass diese Morde einige aus unserer Bewegung abschrecken werden."
Andere Blogger aus seiner Bewegung sind längst aus Bangladesch geflohen. Imran kann ihren Schritt nachvollziehen. Aber er will in Dhaka bleiben und dort weiter kämpfen, mit seinem Laptop und einem Internetanschluss.
"Ich habe mir diese Arbeit selbst ausgesucht. Deshalb habe ich keine andere Option, als weiter zu machen."
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