Bling-Bling für den Pferdekopf

Von Friederike Wintgens · 22.03.2013
In Essen läuft derzeit die "Equitana", die größte Pferdesportmesse der Welt. Es gibt alles, was das Reiterherz höher schlagen lässt: Futterraufen mit automatischer Fressbremse bis hin zu Stirnbändern mit Edelsteinbesatz. Die Branche macht einen Milliardenumsatz.
Bobby will nicht. Mit angelegten Ohren und aufgerissenen Augen steht das weiße Pony auf einem Holzpodest auf der großen Bühne in Halle 1 der Essener Messe. Vor ihm steht Linda Tellington-Jones. Sie trägt einen weiten Hosenrock aus schwerem braunem Stoff, dazu eine gelbe Bluse. Gespannt sehen mehr als 100 Zuschauer auf der Tribüne zu, wie die "Pferdeflüsterin" aus Kanada versucht, Bobby durch Handauflegen zu beruhigen.

"If I can get to his ears, I can really help the whole body…"

Die 75-Jährige ist eine Autorität in Reiterkreisen und ein Publikumsmagnet auf der "Equitana", der größten Pferdemesse der Welt. Ihre Berührungstherapie, die Touch-Methode, hat in den USA und in Westeuropa tausende Nachahmer, inzwischen gibt es auch "Touch-Ratgeber" für Hunde und Katzen - alle auf der Messe erhältlich, der Verlag hat seinen Stand gleich neben der Bühne. Bobby interessiert das nicht. Das Pony tritt weiter unruhig von einem Bein aufs andere. Linda Tellington-Jones gibt nicht auf, streichelt dem Pferd über die Nüstern und die Ohren, und endlich steht Bobby still.

"Was ich den Leuten beibringen möchte, ist ein Vertrauen aufzubauen mit einem Pferd. Und die Idee ist, wir können eine besondere Beziehung haben, ohne Dominanz."

"Yes, you are doing very well…"

"Was brauchen wir denn im Galopp bei der Pirouette?"

Während Bobby sichtlich erleichtert von der Bühne trabt, zeigen auf dem Reitplatz in der Nachbarhalle die Westernreiter "Goldene Pintos", wie man am besten ohne Zaumzeug im Galopp bremst und Pirouetten dreht - und dabei noch lässig übers Headset erklärt, wie leicht man die Kunststückchen Zuhause nachmachen kann. Genau zehn Minuten haben sie Zeit, dann sind die Züchter norwegischer Fjord-Pferde an der Reihe, gefolgt von einem Vortrag übers Reiten im Damensattel, anschließend die Präsentation "Effektives Training mit dem Pferdecomputer". 850 Aussteller in 17 Messehallen, 1000 Pferde und zusammengezählt 700 Stunden Showprogramm in zehn Tagen. 200.000 Besucher, die meisten weiblich.

"Einen neuen Putzkasten bräuchte ich eigentlich auch." - "Was brauchst Du?"

Marion Skuzalek, Pferdebesitzerin aus Niedersachsen, steht mit ihren drei Freundinnen am Wühltisch in Halle 5. Hier reihen sich die Verkaufsstände der Sattel-, Trensen- und Gertenhersteller aneinander.

"Das ist eigentlich die größte Messe überhaupt, alle zwei Jahre nur. Man kann sich über die Neuheiten informieren, man hat Ärzte, man hat Schmiede, man hat einfach alles da. Und man hat Futterberatung, nicht nur von einem Hersteller, sondern hier sind alle Hersteller."

Gerhard Freudenthal nimmt ein Zaumzeug von der Stange, reicht es der Kundin. An der Kasse wartet schon die nächste Interessentin mit ihrer Tochter. Juliette Imma aus Luxemburg, einen Einkaufstrolley an der Hand.

"Letztes Mal hatten wir so viel Tüten zu tragen, dass wir gesagt haben, diesmal nehmen wir den Einkaufswagen mit."

Am Nachbarstand gibt es Maßanfertigung auf Bestellung. Sebastian Mohrbach von "Sommer Sattel" zeigt einem Ehepaar eine Auswahl von Stirnbändern.

"Es gibt ganz verschiedene Modelle, ganz verschiedene Farben, mit Leder unterlegt. Mit Strasssteinen, echten Swarowski-Steinen, ganz verschiedene Möglichkeiten, für jeden Geschmack etwas dabei, mit Herzchen und in Rot, viel Glitzer."

2,6 Milliarden Euro geben Pferdebesitzer hierzulande für ihre Lieblinge pro Jahr aus. "Von der Finanzkrise merken wir nichts", sagt Stefan Hamm vom Nachbarstand, klopft auf ein Sattelmodell - zu haben ab 3200 Euro.

"Wir haben oft Kunden, die sich das vom Mund absparen, weil sie vielleicht ein sehr schwieriges Pferd haben. Und da hat man oft das Problem bei Konfektionssätteln, dass man dieses Ziel nicht erreicht."

"Was ist eine Aufblähungskolik?"

Wer genug hat vom Shoppen, kann sich in der nächsten Halle über Pferdekrankheiten informieren. An der Wand hängen ausgestopfte Hufe mit Hornkrankheiten und abgenutzte Gebisse. In einem großen blauen Plastikbecken schwimmt ein Stück Pferdedarm im Wasser - von Band kommt ein Vortrag über die verschiedenen Kolik-Arten.

"So, da kommt der erste Kandidat, von oben ist er schon ein bisschen nass, von unten machen wir ihn nass…"

An Pferdehängern für mehrere 1000 Euro und an Futteranlagen mit Gesichtserkennung vorbei, gelangen die Besucher in Halle 9 in die Wellness-Abteilung. Ein schwarzer Hannoveraner wird von draußen aus dem Schneeregen in die Halle geführt - das Tier soll die Wasser-Tretanlage vorführen: ein ovales Becken, komplett umzäunt, etwa knietief mit Wasser gefüllt, rund 15 Meter lang, unterteilt in einzelne Boxen. Ein großer Rappe wird hineingeführt, zuckt vor dem kalten Wasser zurück.

"Da geht er ganz ohne Widerwillen rein. Das sind auch die Erfahrungen, die wir gemacht haben, wenn die Pferde da einmal drin waren, gehen die wirklich sehr, sehr gern da rein."

Die Tür ist zu, die Anlage setzt sich in Bewegung. Der Hannoveraner kann gar nicht anders, er muss loslaufen in seiner Box. Während der Moderator weiter die Vorzüge für die Muskelentspannung bei der Pferde-Kneipp-Kur anpreist, fügt sich der Rappe mit gesenktem Kopf in sein Schicksal.