Blasphemie

"Diesen Paragrafen hat eine Demokratie nicht nötig"

Lustig, gotteslästerlich oder einfach nur daneben? Ein Teilnehmer des Berlin-Marathons 2014 verkleidete sich als Jesus Christus.
Lustig, gotteslästerlich oder einfach nur daneben? Ein Teilnehmer des Berlin-Marathons 2014 verkleidete sich als Jesus Christus. © dpa / picture alliance / Stephanie Pilick
Josef Haslinger im Gespräch mit Timo Grampes · 25.04.2016
Immer noch riskiert drei Jahre Gefängnis, wer religiöse Bekenntnisse beschimpft und damit den "öffentlichen Frieden" stört. Der Schriftsteller und PEN-Präsident Josef Haslinger ist für die Abschaffung dieses Blasphemie-Paragrafen im deutschen Strafgesetz.
Im Januar 2015, unmittelbar nach dem Anschlag auf "Charlie Hebdo", da war Paragraf 166 des Strafgesetzbuches schon mal heiß diskutiert: der zuletzt 1969 geänderte Blasphemie-Paragraf.
Er besagt: "Wer öffentlich oder durch Verbreiten von Schriften den Inhalt des religiösen oder weltanschaulichen Bekenntnisses anderer in einer Weise beschimpft, die geeignet ist, den öffentlichen Frieden zu stören, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft."
Die Schriftstellervereinigung PEN fordert die Abschaffung des Blasphemie-Paragrafen. Darüber sprachen wir mit dem Präsidenten des PEN-Zentrums in Deutschland, mit Josef Haslinger:
"Der Blasphemie-Paragraf ist ja nicht ohne Brisanz. Wir dürfen ja nicht vergessen, dass die islamistischen Terroristen, die bereit waren, eine ganze Redaktion auszurotten, sich genau auf diesen Tatbestand der Blasphemie berufen haben. Und wir können nicht einer solchen Gesinnung, die Blasphemie für bestrafbar hält, entgegentreten, wenn wir selbst einen solchen Paragrafen im Strafgesetzbuch haben."
Der Präsident der Schriftstellervereinigung PEN in Deutschland, Josef Haslinger
Der Präsident der Schriftstellervereinigung PEN in Deutschland, Josef Haslinger© Deutschlandradio / Nils Heider
In einer demokratischen Verfassung sollte laut Haslinger das Egalitätsprinzip garantiert sein:
"Dass alle Menschen vor dem Gesetz gleich sind, dass es nicht Menschen geben kann, deren Würde, deren Arbeit und Wirkungsbereich geschützter ist als die Würde, die Arbeit und der Entwicklungsbereich anderer Mensch. Und das ist einerseits der Fall bei dem vor kurzem in der Öffentlichkeit gestandenen Paragrafen 103, der die Würde ausländischer Staatsorgane offenbar so höher einschätzt als die der einheimischen Bevölkerung, was zu Irritationen geführt hat und auch zur Forderung, diesen Paragrafen abzuschaffen, weil er eigentlich gegen das Egalitätsprinzip verstößt und aus früheren Zeiten und früheren Rücksichtnahmen stammt, die eine Demokratie nicht nötig hat."
Bei Paragraf 166 sei dasselbe der Fall: "Auch hier haben wir einen Bereich, wo die Würde der Menschen, die mit diesem Bereich zu tun haben, offenbar höher gestellt ist und deren Gefühlsleben höher gestellt ist als das anderer."
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