Bizarr und ziemlich lächerlich

Von Jens-Peter Marquardt · 20.08.2013
Selten haben sich die britischen Behörden so täppisch angestellt wie bei der erzwungenen Vernichtung von Dokumenten beim "Guardian", mein Jens-Peter Marquardt. Gleichzeitig beweisen sie aber auch, dass sie von Rechtsstaatlichkeit und Pressefreiheit wenig halten.
Der "Guardian"-Chefredakteur nennt die Aktion des britischen Geheimdienstes "bizarr", und in der Tat: sie ist bizarr, und ziemlich lächerlich. Es sieht so aus, als hätten die Regierungsbeamten zusammen mit ihren Geheimdienst-Agenten zu viel James Bond geguckt. Da steigen zwei Schlapphüte mit dem Chefredakteur in den Keller des "Guardians" und kommentieren die Zerstörung der Festplatten zufrieden mit den Worten "Jetzt können wir die schwarzen Hubschrauber abbestellen".

Es scheint so, als würden die Agenten ihrer Majestät immer noch einen Aston Martin fahren. Haben sie eigentlich keine Ahnung, das man Dateien auch noch woanders speichern kann? "Guardian"-Reporter Glenn Greenwald lebt in Rio de Janeiro und muss keine Angst haben, dass die brasilianischen Behörden bei ihm die Festplatten durchsuchen. Edward Snowden hat Asyl in Russland, wo Putin keine Anstalten macht, den Amerikanern und Briten die schmutzige Arbeit abzunehmen.

Die amerikanische Regisseurin Laura Poitras, die mit den beiden zusammen arbeitet, lebt jetzt in Berlin, wo sie wohl auch vor Nachstellungen der Behörden sicher ist. Und Wikileaks teilt mit, die Organisation sei im Besitz von Sicherungsdateien. So funktioniert die moderne Medienwelt, und längst nicht mehr so, wie zu Sean Connerys besten 007-Zeiten.

Selten haben sich die britischen Behörden so täppisch angestellt. Gleichzeitig beweisen sie aber auch, dass sie von Rechtsstaatlichkeit und Pressefreiheit wenig halten. Sie halten am Wochenende den Lebensgefährten und Arbeitspartner von Greenwald unter einem obskuren Terrorismusverdacht neun Stunden lang auf dem Flughafen fest. Terrorismus?

Der "Guardian" wird weiter über Snowden-Dateien berichten
Wo um alle Welt geht es hier um Terrorismus – weder Snowden, noch Greenwald noch sein Partner Miranda laufen mit einem Sprenggürtel durch die Welt. Sie haben lediglich veröffentlicht, wie massiv die Geheimdienste private Daten kontrollieren und damit wohl zumindest in einigen Ländern gegen die nationalen Gesetze verstoßen. Terrorismus? Nein. Sondern gute journalistische Arbeit – die Medien erfüllen hier vorbildlich ihre Wächterfunktion.

Und sie werden das weiter tun. Die britischen Behörden erreichen mit ihren lächerlichen Aktionen jedenfalls genau das Gegenteil von dem, was sie eigentlich beabsichtigen. Der "Guardian" wird weiter aus den Snowden-Dateien veröffentlichen, er wird sie nur nicht mehr in London lagern. Reporter Greenwald hatte schon gestern angekündigt, er sei so sauer auf das Verhalten der Londoner Polizei gegen seinen Partner, dass er nun noch aggressiver gegen die Geheimdienste arbeiten werde. Die Briten haben eindeutig ein Eigentor geschossen.

Auf den ersten Blick mag man natürlich kritisieren, dass der "Guardian"-Chefredakteur die Agenten in den Keller seiner Redaktion gelassen hat. Auf den zweiten Blick zerfällt diese Kritik. Die Arbeitsfähigkeit des "Guardian" wird dadurch nicht beeinträchtigt. Und die angedrohte Zensur für kommende Enthüllungen hätte Wirklichkeit werden können, weil die Pressefreiheit in Großbritannien weniger geschützt ist als zum Beispiel in Deutschland oder den Vereinigten Staaten.

Außerdem hat der "Guardian" so eine wunderbare Story bekommen, über die die ganze Welt spricht. Und die britische Regierung ziemlich schlecht aussehen lässt. Was kann einem Chefredakteur eigentlich Besseres passieren?
Mehr zum Thema