Bitterböse Religionssatire

12.09.2011
Die Religionssatire "Gott bewahre" ist John Niven genauso böse geraten, wie seine beiden letzten Romane. Im Stil von Monty Python zieht er das religiöse Amerika durch den Kakao. Aber Vorsicht: Auch wenn man beim Lesen laut lacht, kann man am Ende tieftraurig zurückbleiben.
"Sie benutzen den Regenwald als gottverdammtes Holzlager. In der Ozonschicht ist ein Loch – EIN VERFICKTES LOCH – und die Ozeane ... die wenigen Fische, die es darin noch gibt, haben sie auf eine Zwangsdiät aus Kloake, Rohöl und alten Kühlschränken gesetzt."

Gott ist sauer. Vor 400 Jahren, zur Zeit der Renaissance, bekam die Menschheit langsam die Kurve, glaubte er. Ein guter Moment, sich eine Woche Urlaub zu gönnen, glaubte er auch. Die Uhren im Himmel aber schlagen langsam, nach einer Woche ist man auf Erden schon im Jahr 2011 angekommen. "Ich verschwinde, um ein paar Forellen aus dem Fluss zu fischen, und die Erde rauscht komplett den Bach runter?"

Wut entbrannt schickt Gott den faulen, mit Kumpel Jimi Hendrix Gras rauchenden Sohnemann "runter". Jesus Christus soll wie vor 2000 Jahren Gottes einzig wahres Gebot unter die Menschen bringen: "Seid lieb!" Aber im 21. Jahrhundert will keiner Jesus so recht zuhören. Ganz im Gegenteil, seine aufopferungsvolle Hingabe für Junkies, Obdachlose, HIV-Kranke, für jeden der in der Gesellschaft keinen Platz mehr findet, bringen ihm Haftstrafen und gebrochene Knochen ein. Seine Lösung: Eine Casting-Show. "American Popstar" spielt zwar Musik, die Jesus nicht gefällt ("All diese aufgedonnerten, rückgratlosen, heulsusigen Mainstreamschlampen."), aber hier hört ihm ganz Amerika vor dem Fernseher zu.

Bitterböse und pechschwarz ist John Nivens dritter Roman geraten, genau wie seine Vorgänger "Kill your friends" und "Coma". So bitterböse und pechschwarz, dass der US-Verlag des Schotten dankend abgelehnt hat. Wohl da die USA und speziell das religiöse Amerika nicht gut weg kommen.

"Gott bewahre" ist Religionssatire, im Stile von Monty Python, deren "Life Of Brian" er im Roman zitiert. Manches erinnert auch an den schottischen Autorenkollegen Irvine Welsh, dem Niven einen Platz in Gottes Bücherregal reserviert hat.

Der Leser wird nicht nur laut lachend, sondern auch tieftraurig zurückgelassen. Regelmäßig und knallhart verliert der Roman jeden Humor, jede Leichtigkeit und wird zur modernen Passionsgeschichte. Manchmal allzu offensichtlich, wofür sich der bibelfeste Niven dann selbst die Quittung ausstellt. Beispiel: Ein Barbecue im letzten Akt, Jesus beisammen mit seinen Neuzeit-Jüngern - "Richtig gelesen, sie sind dreizehn an der Zahl."

Aber es beeindruckt, wie sehr man dem anfänglich himmlischen Faulpelz-Jesus diese Leidensgeschichte abnimmt. Je mehr er leiden muss, desto eher klingt er wie der Vater. "Ihr habt es soweit kommen lassen, dass es Banker gibt, die 100-Millionen-Dollar-Boni kassieren, und auf der anderen Seite gibt es Menschen, die Hundefutter fressen. Seid ihr völlig bescheuert?" Doch Jesus' größte Stärke ist die Vergebung (nicht die Absolution!): Er hält die andere Wange hin, lebt das "Seid lieb!" und – letztendlich – inspiriert er durch sein Beispiel. Denn "Gott bewahre" ist nicht ausschließlich Religionssatire, sondern auch Erinnerung, was es bedeutet, Mensch zu sein.

Das Schöne ist: Um daran Gefallen zu finden, können einem Bibel, Religion und auch Glaube herzlich egal sein. "Ich meine, denken die etwa allen Ernstes, es würde Mich interessieren, ob sie an Mich glauben oder nicht?"

Besprochen von: Markus Dichmann

John Niven: Gott bewahre
Aus dem Englischen von Stephan Glietsch und Jörn Ingwersen
Heyne Verlag, München 2011
400 Seiten, 19,99 Euro