Bitte keine Oberlehrer!

Von Klaus Bölling · 26.04.2007
Weil in den ersten Maitagen auf Einladung von Wolfgang Schäuble in Berlin die "Zweite Islamkonferenz" beginnen wird, muss es erlaubt sein, von einer besonderen Dreistigkeit auf Seiten einiger Muslime zu sprechen. Und zwar deutlich. Ein Muslim, der vorgibt, für seine Glaubensbrüder aufzutreten, hat soeben und höchst aggressiv im Ton, die beiden großen Kirchen in unserem Land bezichtigt, dass sie mit den Anhängern der Religion Mohammeds "oberlehrerhaft" verfahren.
Jener Muslim-Funktionär, offenbar in der deutschen Sprache gut zuhause, meinte das Wort Oberlehrer im bösesten Sinn, nämlich als Bevormundung, als Arroganz der Mehrheitsgesellschaft, womöglich argwöhnte er sogar eine Diskriminierung aus rassistischen Gründen. Und das ist, milde gesagt, eine massive Unverfrorenheit. Denn beide Kirchen haben sich mit der Integration viel Mühe gegeben, und, beiläufig gesagt, auch erhebliche materielle Mittel aufgewendet, um die Anhänger der christlichen Kirchen in ein produktives, also nicht nur plakatives Zwiegespräch mit den Koran-Gläubigen Mitbürgern zu bringen.

Die Erfolge sind eher mager. Wenn Muslime deutsche Nachbarn zum Besuch in ihre Moschee einladen, ist das lieb gemeint, vielleicht auch nur taktisch. Es bleibt zumeist eine dekorative Geste. Unlängst hat eine junge Richterin eine muslimische Ehe nicht vorzeitig scheiden wollen, weil die Frau hätte wissen müssen, dass sie nach den Regeln des Koran verehelicht worden ist. Das hat solchen Muslimen, die sich durch die Kirchen geschurigelt wähnen, natürlich gut gefallen. Weniger gut gefällt ihnen die Aussage der EKD, also des höchsten Gremiums der Evangelischen Kirche, dass die nach dem Koran erlaubte "maßvolle Züchtigung" der Ehefrau, die in der Türkei, vielleicht nicht gerade im weltoffenen Istanbul, bis heute gutgeheißen wird, für Christen unerträglich ist. Lutherisch klar sagt die EKD: "Von den hier lebenden Menschen muss erwartet werden, dass sie die Grundentscheidungen unserer Verfassung akzeptieren und in ihrem Verhalten beachten".

Einflussreiche muslimische Theologen in unserem Land getrauen sich nicht, das Schlagen von Frauen unmenschlich zu nennen. Sie haben Angst vor solchen Muslimen, die sich, ein Wahnwitz, auch in der Bundsrepublik auf die Koran-Sure 4, Vers 34 berufen, die eine Züchtigung der Ehefrau ausdrücklich gestattet.

Nach unserem Recht ist das ein Straftatbestand. Das darf, wenn die - ohnehin brüchige - Integration nicht zu einer Farce herabsinken soll, nicht nur auf dem Papier stehen. Wenn unser deutsches Recht von den religiösen Fundamentalisten demonstrativ verletzt wird, muss die Geduld des Rechtsstaates irgendwann zu Ende sein. Wir sind nicht die Oberlehrer der Minderheitsgesellschaft, wir möchten aber auch nicht islamische Oberlehrer. Wir sind die Wächter über die Grundregeln einer offenen Gesellschaft, die Rohheiten gegen Frauen nicht mit Augenzwinkern hinnimmt.

Nun hat sich der eben erst gewählte Sprecher eines so genannten muslimischen Koordinierungsrates, ein Konvertit, er heißt Ayyub Axel Köhler, mit der nur noch grotesk zu nennende Forderung gemeldet, der Sportunterricht müsse nach Geschlechtern getrennt werden. Die oberdreiste Begründung: "Wir Muslime haben ein besonderes Verhältnis zur Schamhaftigkeit". Das bezieht Köhler augenscheinlich nicht nur auf den Schwimmunterricht, bei dem sich, Allah behüte, Mädchen und Jungen nicht einander nahe kommen dürfen.

Potz Blitz, dass wir, die Ungläubigen, unser ganzes sich dem Hedonismus auslieferndes Volk, nicht schon selber draufgekommen sind, welche sexuellen Minen im Sport, ob in Wasser oder am Reck versteckt sind. Köhler wird uns das wohl noch erklären; überall entblößte Busen, auf den Bühnen ungeniert kopulierende Paare und dann noch schwule Politiker. Und das deutsche Publikum wendet sich nicht einmal mit Grausen.

Die türkischstämmige Sozialwissenschaftlerin Necla Kelek sagt zu Köhlers schwachsinniger Idee, so dächten eben die von der prinzipiellen Überlegenheit des Mannes durchdrungenen Muslime. Sie wollten – totale Verrücktheit - eine vertikale Trennung der Gesellschaft. Ein schwacher Trost, den wir täglich und bis Ermüdung vernehmen, dass die Mehrheit der Muslime nur friedlich leben und von den Koran-Schreihälsen nichts wissen will. Leider auch wenig oder nichts von unserer Verfassung. Dabei will ihnen doch niemand eine deutsche "Leitkultur" aufdrängen. Unsere liberale Gesellschaft, hat allerhand Schwächen, aber eben auch große Stärken. Sie erlaubt blanke Busen und gleichgeschlechtlichte Partnerschaften, aber sie erlaubt nicht die "maßvolle Züchtigung" von Frauen und schon gar nicht so genannte "Ehrenmorde".

Klaus Bölling, geboren 1928 in Potsdam, arbeitete für Presse und Fernsehen, war unter anderem NDR-Chefredakteur, Moderator des "Weltspiegel", USA-Korrespondent und Intendant von Radio Bremen. 1974 wurde er unter Helmut Schmidt zum Chef des Bundespresseamts berufen, 1981 übernahm er die Leitung der Ständigen Vertretung der Bundesrepublik in Ost-Berlin. Zu seinen Buchveröffentlichungen zählen "Die letzten 30 Tage des Kanzlers Helmut Schmidt", "Die fernen Nachbarn - Erfahrungen in der DDR" und "Bonn von außen betrachtet".
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