Bitte ein Bitcoin!

Von Gerhard Richter · 22.05.2013
Während Euro und Dollar schwächeln, entsteht im Internet eine neue Währung. Das virtuelle Geld heißt Bitcoin. In der realen Welt kann man damit aber nicht sehr viel kaufen. Nur in einer Berliner Gaststätte lässt sich bislang die Rechnung auch mit Bitcoins begleichen.
Große Hackfleischklopse brutzeln in der Pfanne, daraus macht Jörg Platzer Burger - nach altem texanischen Rezept. Die Spezialität in der Szenekneipe "Room 77". Aber nicht nur die traditionellen Burger, auch die moderne Zahlweise lockt die Gäste in die Kreuzberger Kneipe. Als erster Gastwirt in Berlin akzeptiert Jörg Platzer Bitcoins als Währung.

"Ich seh´s einfach definitiv als Geld der Zukunft an. Je mehr man sich damit beschäftigt, desto klarer wird auch, wie wenig unser Geld, das wir im Moment haben, funktioniert, funktionsfähig ist für die Informationsgesellschaft oder die globalisierte Ökonomie."

Die Kneipe füllt sich. Viele Touristen kommen hierher, setzen sich in die Sessel und Sofas, die Sperrmüllcharme versprühen. Eine Sitzecke hat Jörg Platzer reserviert - für den Bitcoin-Stammtisch heute Abend. Nach und nach kommen junge Männer, geben sich die Hand und lassen sich in die Polster fallen. Ein paar klappen gleich ihre mitgebrachten Notebooks auf. Jeff, ein 28-jähriger Jurist im schwarzen Hemd und Shorts ist hier, weil er die Internetwährung aufregend findet.

"Ich finde Bitcoin ist Science Fiction zu Lebzeiten. Ich hab momentan in meiner jetzigen Position die Chance Technologie mit zu benutzen und mit zu entwickeln und verbreiten zu helfen, was in 20 Jahren Standard sein könnte und was in etlichen Büchern auch schon beschrieben und visioniert wurde."

Jeff zieht sein Handy aus der Tasche und öffnet das Bitcoin Wallet - den virtuellen Geldbeutel. Der zeigt an, wie viele Bitcoins er auf dem Konto hat: 200 sind es, und der Tageskurs liegt heute bei 5 Euro pro Bitcoin. Jeff bestellt einen Burger mit Avocado und ein Bier - zwei Bitcoins wird er dafür bezahlen. Außerhalb des "Room 77" ist es noch schwierig, mit der Internetwährung einzukaufen. Beliebtes Gesprächsthema am Stammtisch ist deshalb, wo man was für Bitcoins kaufen kann. Stolz erzählt Jeff von seinen jüngsten Bitcoin-Shopping-Erlebnissen im World Wide Web:

"Auf Bitmeet zum Beispiel, das ist so ein Bitcoin-Ebay hab ich mir neulich zum Beispiel thailändischen Honig gekauft."

Demokratisches Geld

Der Kellner bringt den Teller mit Jeffs Burger. Die anderen machen erstmal Platz auf dem Tisch. Amir Taaki schiebt sein Notebook zur Seite, tippt aber gleich weiter in die Tastatur. Der gebürtige Iraner im hellblauen Hawaiihemd ist einer der wichtigsten Akteure der Bitcoin Community und Anhänger der Open-Source-Bewegung - also der frei verfügbaren Software. Und weil der 24-jährige Programmierer das Grundprogramm von Bitcoin kennt, vertraut er der Währung.

"”Bitcoin beruht auf Kryptografie. Es ist einfach demokratisches Geld. Zum ersten Mal haben wir ein Geldsystem, das nicht auf Gesetzen und Beschlüssen beruht, sondern auf Kryptographie und Mathematik. Es hat nichts zu tun mit den Fähigkeiten und Fehlern von Leuten. Deshalb bin ich so interessiert …""

Programmierer wie Amir Taaki bringen den Bitcoin überhaupt in die Welt. Für seine Mühe belohnt ihn die Community nicht in Euro oder Dollar, sondern in Bitcoins. Nach und nach wollen sie dafür sorgen, dass die virtuellen Münzen zirkulieren. Taaki ist in Kontakt mit Bitcoin-Programmierern auf der ganzen Welt. Er hängt über seinem Notebook, wenn er nicht redet, tippt er. Er blickt erst auf, als Jörg Platzer, der Wirt, einem neugierigen Gast einen ersten Bitcoin schenken will.

"Gentlemen, Sie sind im Begriff gleich den enthusiastischen Aufschrei eines Menschen zu hören, der seinen ersten Bitcoin empfängt."

Platzer fingert auf dem Handy des Gastes herum. Er will einen virtuellen Geldbeutel installieren, das Bitcoin Wallet - aber es funktioniert nicht richtig. Nach und nach beschäftigt sich der halbe Bitcoin-Stammtisch mit dem iPhone des Gastes, der neugierig zuschaut.

"Das Problem ist, Apple verbietet Bitcoin-Usern, das bei sich zu installieren, deswegen haben die das jetzt über so ein anderes App gemacht. Also nicht als App, sondern übern Browser."

Ein Problem, das am Wochenende darauf auf einem sogenannten Hackathon gelöst wird. Hackathons sind Treffen von Programmierern. In einem Berliner Büro sitzen die meisten vom Bitcoin-Stammtisch, dazu gekommen sind IT-Spezialisten aus England, aus Finnland, Israel und Frankreich. Stefan Thomas ist aus Zürich angereist. Sein ganzes freies Wochenende sitzt der 25-jährige Webentwickler hier am Notebook und kuriert die Kinderkrankheiten der jungen Internetwährung. Freiwillig und umsonst.

"Das ist eben der Kern von Open Source. Das ist halt ein Geben und ein Nehmen. Nur so funktioniert‘s halt."

Sicher, gebührenfrei und transparent

Ganz umsonst ist es dann doch nicht. Er wird quasi symbolisch bezahlt - in Bitcoins. Stundenlang brüten die zwölf Bitcoin-Freunde über Blockchains und Wallets und Protokollen. Sicher soll der Bitcoin sein, weltweit und gebührenfrei transferierbar, transparent und kompatibel mit allen iPhones, Androids und PCs. Die Währung der Zukunft eben.

Abends klappen Stefan Thomas und die anderen vom Hackathon erschöpft ihre Notebooks zu und gehen in DIE Kneipe, in der sich ihre verdienten Bitcoins in Bier und Burger verwandeln lassen: in den "Room 77". Zum Sattwerden braucht es dann doch die reale Welt.
Es gibt Grund zu feiern: Der Kurs des Bitcoin hat sich in den letzten Tagen fast verdoppelt, Jeff kann nur spekulieren, warum:

"Hier ist es eigentlich ne Steigerung, die keinen konkreten Auslöser hat, und von daher wahrscheinlich auf einem wachsenden Vertrauen auf Bitcoin, auf das Netzwerk auf das Protokoll basiert."

Jörg Platzer, der Wirt, brät wieder seine Burger nach altem Rezept und macht Werbung für Bitcoins. Als ob er einen Zaubertrick vorzeigt, installiert er neugierigen Gästen den Bitcoin Wallet und sendet ihnen einzelne Bitcoins als Werbegeschenk.

"”Ladies and Gentlemen. There are two happy people, who have just received their first bitcoin!”"