Bismarck soll's richten

Von Otto Langels · 23.09.2012
"Seine Majestät, der König, haben Allergnädigst geruht, den Wirklichen Geheimen Rat von Bismarck-Schönhausen unter gleichzeitiger Ernennung zum Staatsminister mit dem Vorsitz im Staatsministerium zu beauftragen."
Auf der ersten Seite druckten Berliner Tageszeitungen die Nachricht des preußischen Hofes, dass Otto von Bismarck am 23. September 1862 vorläufig das höchste politische Amt im Staat übernommen hatte. Mit Bismarck, seit Mai 1862 preußischer Gesandter in Paris, unternahm König Wilhelm I. einen letzten Versuch, eine tiefgreifende politische Krise zu lösen.
Die demokratisch-liberale Mehrheit des Abgeordnetenhauses strebte eine freiheitliche Entwicklung Preußens an, der Hohenzollernstaat sollte in einem demokratischen Deutschland aufgehen. Dem widersprach jedoch die vom König geplante Heeresreform. Sie hätte das preußische Militärwesen und das konservative Lager gestärkt. Der einzige Hebel des Parlaments, die Reform zu verhindern, war das Haushaltsrecht. Das Abgeordnetenhaus weigerte sich daher, den Etat zu verabschieden. Da der König einen Kompromiss ablehnte, schien die politische Lage ausweglos.
Der Historiker Golo Mann in einem Vortrag aus dem Jahr 1967:

"Zuletzt war Wilhem I. bereit, seinen Thron zu verlassen und vor dem im Sinn der Verfassung formulierten Willen des Bürgertums, den er missbilligte, aber nicht mehr brechen zu können glaubte, zu kapitulieren. Eine letzte Audienz, die er dem Gesandten von Bismarck-Schönhausen gab, begann, was den Monarchen betraf, ohne Hoffnung."

Otto von Bismarck, 1815 in Schönhausen bei Magdeburg geboren, war aus dem Urlaub in Biarritz nach Berlin geeilt. Am 22. September 1862 suchte er den resignativen Monarchen in Schloss Babelsberg auf, wie er sich später erinnerte, und beschwor ihn in einem langen Gespräch, den Kampf gemeinsam weiterzuführen:

"Es gelang mir, ihn zu überzeugen, dass es sich für ihn nicht um Konservativ oder Liberal in dieser oder jener Schattierung, sondern um Königliches Regiment oder Parlamentsherrschaft handle und dass die letzte unbedingt und auch durch eine Periode der Diktatur abzuwenden sei."

Die Ernennung Otto von Bismarcks am 23. September - die offizielle Berufung zum Ministerpräsidenten und Außenminister erfolgte am 8. Oktober - empfand die liberal-demokratische Bewegung als Kampfansage.

"Mit der Ernennung dieses Mannes ist der schärfste und letzte Bolzen der Reaktion von Gottes Gnaden verschossen."

Bemerkte der Publizist und Politiker Ludwig August von Rochau.

"Bismarck-Schönhausen bedeutet: Regieren ohne Etat, Säbelregiment im Innern, Krieg nach außen. Ich halte ihn für den gefährlichsten Minister für Preußens Freiheit und Glück."

Erklärte der liberale Politiker Max von Forckenbeck.

"Die unterschiedlichsten Aussagen sind über ihn gemacht worden, und alle mit einem Schein von Recht."
So der 1994 verstorbene Golo Mann.

"Er war der zynische Zerstörer der alten europäischen Ordnung und auch ein tief verantwortlicher europabewusster Staatsmann, ein Revolutionär und ein Konservativer, ein Erzjunker und auch ein harter, gieriger Despot, dem man gerne aus dem Weg ging."

Zunächst betrieb Otto von Bismarck einen strikt antiparlamentarischen Kurs. Er regierte ohne einen ordnungsgemäßen Haushalt und damit außerhalb der Verfassung. Am
30. September provozierte er mit seiner berühmten "Eisen und Blut-Rede" die parlamentarische Opposition:

"Nicht durch Reden oder Majoritätsbeschlüsse werden die großen Fragen der Zeit entschieden – das ist der große Fehler von 1848 und 1849 gewesen – sondern durch Eisen und Blut."

Dass sich Bismarck mit seinem innenpolitischen Konfrontationskurs letztlich durchsetzen konnte, verdankte er der Unentschlossenheit der Opposition, vor allem aber seinen außenpolitischen Erfolgen. Mit den siegreichen Kriegen gegen Dänemark und Österreich festigte Preußen in den folgenden Jahren seine Vormachtstellung in Deutschland. Der militärische Triumph erlaubte Bismarck auch, den Verfassungskonflikt beizulegen, indem er das Abgeordnetenhaus um die nachträgliche Billigung des Haushalts bat. Viele liberale Politiker beugten sich, wie sie bekannten, "vor dem Genie eines Bismarck", vor einem "solchen Mann der Tat".