Bischof gegen Intellektuelle

Von Thomas Migge · 15.04.2007
Bischof Angelo Bagnasco, der neue Präsident der italienischen Bischofskonferenz, nahm zu seinem Amtsantritt scharfe Worte in den Mund. Unter anderem setzte er in einem besonders unglücklichen Satz homosexuelle Paare auf die gleiche Stufe mit Pädophilen und Vergewaltigern von Frauen. In verschiedenen italienischen Städten machen nun liberale Medien und Intellektuelle gegen den Bischof mobil.
Rom, historisches Zentrum, zwischen Kapitolshügel und Pantheon: Hier erhebt sich an der Piazza del Gesù eine mächtige Kirche. Die wichtigste des Jesuitenordens, Il Gesù. Ein Meisterwerk der frühen Barockarchitektur.
An einer ihrer Seiten steht die Kirche ganz frei. Ihre hohen Seitenwände sind eine ideale Fläche für Graffittikünstler und Schmierfinken, die einfach nur ihre Initialien auf dem Travertinstein verewigen wollen. Als in diesen Tagen aber auch Graffitti an der Seitenwand von Il Gesù auftauchten, in denen immer wieder der Name "Bagnasco" zu lesen war, interessierten sich plötzliche viele Römer für diese Parolen, wie zum Beispiel dieser Anwohner:
"Dass die jetzt auch vor diesem Bischof keinen Respekt mehr haben, das ist schon ein starkes Stück. Der wird, stellen Sie sich das doch vor, bedroht, sein Leben wird bedroht!"
Angelo Bagnasco ist der neue Präsident der italienischen Bischofskonferenz. Der ehemalige Bischof der Hafenstadt Genua steht sämtlichen Bischöfen und Geistlichen Italiens vor. Ein mächtiges Amt, dass der Kirchenmann seit seiner Amtsübernahme dazu ausnutzt, sich mit unzweideutigen Äußerungen für einige der Kirche wichtigen Prinzipien einzusetzen, erklärt der römische Schriftsteller Rafaele Sturzi.

Nachdem Bagnasco Präsident der italienischen Bischofskonferenz geworden ist nahm er scharfe Worte in den Mund. In einem besonders unglücklichen Satz setzte er homosexuelle Paare auf die gleiche Stufe mit Pädophilen und Vergewaltigern von Frauen. In einer anderen Äußerung bezeichnete er eheähnliche Beziehungen als schwere Sünde und sprach in einem Nebensatz von der Sünde der Massenvernichtung, so als ob das eine in Zusammenhang mit dem anderen stehe würde. Das führt zu Missverständnissen.
Zu großen Missverständnissen. In verschiedenen italienischen Städten machen nun liberale Medien und Intellektuelle gegen den Bischof mobil. Darunter so prominente Namen wie die des Literaturnobelpreisträgers Dario Fo und der Schriftstellerin Dacia Maraini.

Sie erinnern den Bischof und seine Kirche an jenen Punkt des Konkordats zwischen dem Heiligen Stuhl und Italien, der vorsieht, dass sich die Kirche nicht in innenpolitische Belange des Nachbarstaates einmischen darf. Genau das sei aber der Fall, erklärt die römische Historikerin Maria Rosaria Vatami, denn die Kirche versuche mit allen Mitteln das geplante Gesetz zur rechtlichen Regelung von eheähnlichen Beziehungen, auch homosexuelle, zu blockieren:
"Um was es uns geht. Wir arbeiten in zwei Richtungen: erstens geht es uns um die Verteidigung der Laizität des Staates und zweitens geht es uns um agnostische Ideen. Im Vergleich zu anderen europäischen Ländern laufen die Dinge in Italien ganz anders. Der Vatikan sitzt im Herzen unseres Landes. Seit einigen Jahren mischen die Geistlichen sich verstärkt in unser politisches und auch privates Leben ein."
Maria Rosaria Vatami und andere Intellektuelle verurteilen entschieden die Graffitti in Mailand, Genua und Rom, in Florenz, Nepael und Palermo. Für sie und andere Gegner der ständigen kirchlichen Einmischungen in inneritalienische Belange sind diese Schmiereien jedoch ein Zeichen für den wachsenden Unmut innerhalb der Bevölkerung. Das gibt selbst der katholische Theologe Georges Cottier zu, auch wenn er darauf hinweist, dass die Italiener die Kirche verstehen müssten:
"Bestimmte Ideen und auch Gesetzesprojekte können gefährlich werden für das christliche Denken. Der Staat müsste eigentlich gegen Vorstellungen ankämpfen, die das christliche Weltbild bedrohen. Ich kann nachvollziehen, dass viele Italiener die zum Teil harten Aussagen von Bischöfen verurteilen, doch man muss auch uns als Kirche verstehen."
Der Präsident der italienischen Bischofskonferenz verlässt sich nicht auf das gegenseitige Respektieren. Er scheint Angst zu haben. Die vielen Gewaltandrohungen in verschiedenen Städten, die inzwischen auch immer häufiger eingehenden anonymen Briefe im Büro Bagnascos zeigen ihre Wirkung.

Bischof Angelo Bagnasco ist, neben dem Papst, der erste Kirchenmann der italienischen Nachkriegsgeschichte, der sich nur noch mit Bodyguards an die Öffentlichkeit wagt. Und der jetzt noch schärfere Töne anschlägt: Bagnasco beschimpft die seiner Meinung nach kirchenfeindlichen Intellektuellen Italiens, vor allem Dario Fo, die sich - zusammen mit einer, seiner Meinung nach, gewaltbereiten antikirchlichen Presse - gegen ihn verschworen hätten.

Die Reaktionen auf Bagnascos Beschimpfungen ließen nicht auf sich warten. Man nimmt zwar Distanz von den Graffitti, doch weist man den Bischof in seine Schranken. Dario Fo zufolge solle Bagnasco andere Töne anschlagen, denn, meint Fo, so wie man in den Wald hineinrufe so schalle es auch zurück.