"Birdwatching" im Literaturhaus Hamburg

Ein poetischer Abend über Vögel

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Ein singender Buchfink © picture alliance / dpa / Hinrich Bäsemann
Von Axel Schröder · 01.11.2016
Das virtuose Zwitschern der Vögel hat schon viele Dichter inspiriert. Im Hamburger Literaturhaus hat nun Büchnerpreisträger Marcel Beyer mit dem Naturforscher Uwe Westphal, der Autorin Teresa Präauer und dem Biologen Cord Riechelmann über ihr literarisches Potenzial diskutiert.
Marcel Beyer sieht genau so aus, wie man sich einen glücklichen Autor vorstellt. Einen Autor, der gerade den Büchner-Preis gewonnen hat. Und nun, wenige Tage vor der Preisverleihung, einen vergnüglichen Abend im Hamburger Literaturhaus vor sich hat. "Birdwatching - eine poetische Expedition in die Natur" lautet die Überschrift zu diesem Abend und die Vogelwelt spielt nicht nur eine Rolle in Marcel Beyers Lyrik, seinen Romanen, sondern auch in seinem Domizil in Dresden:
"Mein konkreter Lieblingsvogel ist der Sperling, der mich immer morgens weckt."
"Wissen Sie, ob es immer der gleiche ist?"
"Es ist immer der gleiche Vogel. Ja! Das ist das Lustige: man erkennt das an so bestimmten Verhaltensweisen und Ritualen und Spielen, die die einzelnen Vögel mit einem spielen. Und daran erkenne ich: 'Ja stimmt. Das ist wieder derselbe.' Der wohnt bei uns an der Regenrinne. Da wurde jetzt so eine Satellitenschüssel angebaut und da haben die das nicht richtig verputzt und ist eine super neue Höhle entstanden!"
Marcel Beyer bei Deutschlandradio Kultur
Marcel Beyer bei Deutschlandradio Kultur© Deutschlandradio/ Sandra Ketterer
Auf dem Podium saßzusammen mit der österreichischen Autorin Teresa Präauer, dem Biologen, Philosophen und "Stadtnaturreporter" Cord Riechelmann und dem Hamburger Naturforscher Uwe Westphal, der kaum einen Vogel nicht kennt und unglaubliche 130 Vogelstimmen nachahmen kann. Auf Wunsch des Podiums lieferte er eine Kostprobe. Vom Dompfaff. Und der Nachtigall.
"Shakespeare wäre begeistert!"

"Heute weiß ich um die groben Missverständnisse"

Erörtert wurden die Mysterien der Beziehung zwischen Mensch und Vogel, unsere Begeisterung für diese Wesen und Marcel Beyer las einen Abschnitt aus seinem Roman "Kaltenburg":
"Mir kommt in den Sinn, wie schwer ich mich als Kind damit getan habe, anzuerkennen, dass die Seeschwalbe keine Schwalbe ist, die Krähenscharbe ist mit der Krähe nicht verwandt, die Alpenkrähe keine Krähe so wenig wie die Alpendohle eine Dohle ist. Heute weiß ich um die groben Missverständnisse und Buchstabenverdrehungen, die haarsträubenden Beobachtungs- und Übersetzungsfehler. Trotzdem habe ich von der Vorstellung nie ganz gelassen, man müsse jeden einzelnen Vogel persönlich kennenlernen, wenn man etwas über die Eigenart des jeweiligen Tieres in Erfahrung bringen will."
Teresa Prälauer räumte vor dem Publikum ein, dass sie nicht den Draht eines Marcel Beyer zu Vögeln habe. Sie kümmere sich eher um den eigenen Vogel und beschäftige sich daneben eher mit Tierdarstellungen in alten Lexika, mit Fabelwesen, Chimären aus Vogelkorpus und Menschenkopf.
Cord Riechelmann verriet seine Begeisterung für die Dachsammer, der er auf einer Expedition im Westen der USA begegnete und für die das wohl kostspieligste Vogelforschungsprogramm aufgelegt wurde. Vom US-Militär, das gerne wissen möchte, wie dieser kleine Vogel 14 Tage am Stück wach und hochkonzentriert bleiben kann. Und für den Naturforscher Uwe Westphal ist der charismatischste Vogel eindeutig der Kranich.
Der frisch gekürte Büchner-Preisträger Marcel Beyer, die ganze vogel- und literaturbegeisterte Runde hätte noch Stunden miteinander verbringen können, das Publikum noch Stunden ihrer Expertise, ihren Assoziationen lauschen können. Nur ein echter Birdwatcher, ein Vogelverrückter wird Marcel Beyer wohl doch nicht werden.

"Nicht in der Lage, über Stunden nicht zu rauchen"

"Ich wäre nicht in der Lage, morgens um vier Uhr aufzustehen, in die Gummistiefel, die Wetterjacke zu springen, mein 12-Kilo-Fernrohr zu schultern und mich dann irgendwo in den Sumpf zu setzen und keine Zigarette zu rauchen über Stunden hinweg!"
Marcel Beyer lässt sich lieber etwas später wecken. Von seinem Lieblingsvogel, dem Sperling aus dem Mauerwerk gleich neben seiner Regenrinne und seinen Kumpanen.
"Die kennen schon meine Aufstehzeit. Wen ich dann noch schlafe, geben die schon Bescheid und kommen auch gelegentlich rein und kommunizieren halt so wie sie kommunizieren. Man sucht sich vielleicht einen Lampenschirm, auf dem man so schön hopsen kann. Und dann macht es: 'Boing, boing, boing!' Und dann mache ich schon die Augen auf!"
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