Biografie über Maria Sibylla Merian

Das Leben einer Schmetterlingsforscherin

Schmetterling in Brandenburg
Ein Schmetterling der Art Schwalbenschwanz im Juli 2015 in einem Garten in Sieversdorf (Brandenburg). © picture alliance / dpa / Foto: Patrick Pleul
28.07.2015
Als die Forscherin Maria Sibylla Merian im 17. Jahrhundert Insekten in all ihren Entwicklungsstadien zeichnete, war das revolutionär. Jetzt hat Boris Friedewald über sie die Biografie "Maria Sibylla Merians Reise zu den Schmetterlingen" geschrieben.
Den "Süßen Hahnenfuß" hat die Forscherin mittig aufs Blatt gemalt. Äußerst genau skizzierte sie die Farbverläufe seiner fein gekerbten Blätter, kolorierte seine geöffneten Blüten und zeichnete auch Knospen und bereits verblühte Stängel bis ins Detail. Dabei ist die Pflanze gar nicht das Wesentliche dieses prächtigen Bildes. Die Hauptfigur ist das sie umschwärmende Insekt: ein Schmetterling. Über der üppigen Blüte ist er im Anflug zu sehen; mit einer herrlichen Zeichnung auf seinen breit geöffneten Flügeln. An einem tiefer hängenden Blatt baumelt ein Kokon. Und über den Boden kriecht eine schwarze Raupe, neben ihr ein Häufchen gelbe Eier.
1679 war diese Darstellung revolutionär. Denn statt wie ihre gelehrten Kollegen Raupe neben Raupe und Falter neben Falter abzubilden, zeigte Maria Sibylla Merian den Schmetterling in all seinen Entwicklungsstadien und gemeinsam mit seiner Futterpflanze auf einem Blatt. "Der Raupen wunderbare Verwandelung und sonderbare Blumennahrung" nannte die große Naturforscherin ihr erstes Buch mit 50 von ihr selbst gefertigten Kupferstichen. Den begleitenden Text verfasste die damals 32-Jährige nicht in der Wissenschaftssprache Latein, sondern – damit breitere Schichten es lesen konnten – auf Deutsch. Auch darin war sie revolutionär.
Wegweisendes Raupenbuch
Merians wegweisendem Raupenbuch widmet sich das zentrale Kapitel einer neuen Biografie über die 1647 in Frankfurt am Main, in einer Familie von Kupferstechern geborenen Schmetterlingsforscherin und Künstlerin. Bereits ihr Erstlingswerk, so die These des Autors Boris Friedewald, zeugt von ihrem großen künstlerischen Können und einem neuen Forschungsansatz: ihrem ganzheitlichen Blick.
Bebildert mit einer Vielzahl der herausragend schönen Schmetterlings- und Naturstudien aus allen Bänden Maria Sibylla Merians, erzählt der Kunsthistoriker chronologisch Leben und Werk dieser erstaunlich modernen Frau. Er schildert ihre Leidenschaft für Käfer und Gewürm bereits zu Kinderzeiten, ihre ersten Publikationen an der Seite ihres Ehemanns in Nürnberg, die Niederlassung ohne Gatten aber mit Töchtern in Amsterdam und schließlich die berühmte Forschungsfahrt 1699 in die niederländische Kolonie Surinam nördlich von Brasilien. Als sie von dort wiederkehrte, so Boris Friedewald, hatte sie selbst eine Metamorphose durchgemacht: von der gottesfürchtigen Beobachterin zur selbstbewussten Forscherin.
Weltberühmt noch zu Lebzeiten
Da der Biograph auch den zeitgeschichtlichen Hintergrund beleuchtet, kann er eindrücklich zeigen, wie außergewöhnlich Merians Leben verlief und wie mutig sie ihren Weg ging. Denn weder galten Schmetterlinge als edle Forschungsobjekte, noch machten Frauen große Karrieren – die Merian jedoch wurde noch zu Lebzeiten weltberühmt; selbst Peter der Große erwarb ihre Publikationen.
Boris Friedewald ist eine schöne Biografie gelungen, die auch gestalterisch überzeugt. Obwohl ein Kleinformat (14 mal 18 Zentimeter), bringt sie die klug ausgewählten und hervorragend gedruckten Abbildungen wunderbar zur Geltung. Eine feine Hommage.
Boris Friedewald: "Maria Sibylla Merians Reise zu den Schmetterlingen"
Prestel Verlag, 2015
144 Seiten, 19,95 Euro
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