Bioenergie: Zukunftsgarant oder Auslaufmodell?

15.09.2012
Lange war sie die Hoffnung für das Gelingen der Energiewende, die Bioenergie. Die Bauern, die auf Energiepflanzen setzen, wurden schon als die "Ölscheichs des 21. Jahrhunderts" gefeiert. Angesichts der rasant steigenden Rohstoffpreise und Hungersnöte mehren sich jedoch die Kritiker des Bioenergiebooms, national wie international.
Anwohner der Anlagen klagen über die Monokulturen und die "Vermaisung der Landschaft". Nicht nur Entwicklungsminister Dirk Niebel fordert einen zumindest vorübergehenden Herstellungsstopp des Biosprits E 10. Auch die EU erwägt, die Förderung für den Anbau von Biosprit-Pflanzen einzustellen.

Ist die Bioenergie der versprochene Zukunftsgarant oder ein Auslaufmodell?

"Nicht die Bauern werden die Ölscheichs, sondern die Kapitalgesellschaften", "

warnt Wilfried Bommert. Der Agrarwissenschaftler und Journalist weist seit langem auf die "Konkurrenz von Tank und Teller" hin und auf die Folgen der rasant gestiegenen Preise für Ackerflächen. Land und Nahrungsmittel seien längst begehrte Spekulationsobjekte an den Börsen der Welt. Der Bioenergieboom führe zu fatalen Kettenreaktionen - besonders in den Schwellenländern:

""Das Eldorado des Zuckerrohrs ist Brasilien, dort breitet sich die Produktion rapide aus und verdrängt die Weideflächen Richtung Urwald. Die Bauern sind gezwungen, Urwaldflächen zu roden, was den Klimahaushalt katastrophal beeinflusst.

Offiziell heißt es, dass sie die ´Tankstelle der Vereinigten Staaten` werden wollen. Und es könnte sehr gut sein, dass Nordamerika nicht durchhält und die Energieproduktion aus Mais aufgeben muss, denn die Nahrungsmittelhersteller gehen auf die Barrikaden."

Diesen fatalen Verdrängungswettbewerb, den er auch in seinem aktuellen Buch "Bodenrausch - Die globale Jagd nach den Äckern der Welt" beschreibt, gebe es längst auch in Afrika und Südasien, wo Palmöl und Soja für die weltweite Bioenergieproduktion gefördert werden. Seine Mahnung:

"Wir müssen zwangsläufig über unseren Energiekonsum nachdenken. Unser wachsender Konsum und die Frage, wie er zustande kommt, das sind zwei Seiten einer Medaille."

"Mit jeder Tonne Mais, die ich verfüttere, verliere ich Geld, mit jeder Tonne Mais, die ich in die Biogasanlage stecke, verdiene ich Geld","

sagt Johannes Niedeggen. Der Landwirt betreibt einen Hof in Brandenburg, Gut Kerkow in der Uckermark. 2005 baute er eine Biogasanlage, mit der er mittlerweile nicht nur seinen Hof mit Strom versorgt; den größten Teil der 15 Megawatt, die er täglich erzeugt, speist er in das allgemeine Stromnetz ein. "Ich wollte die Energie, die ich verbrauche, auch selbst erzeugen."

Seine einstigen Träume von der Zukunft als "Energiewirt" sind einem nachdenklichen Realismus gewichen: Er befürwortet zwar Kleinanlagen, wie die seine.
In Penkun, rund 50 Kilometer von seinem Hof entfernt, befindet sich allerdings auch eine der größten Biogasanlagen der Welt, die 20 000 Megawatt pro Stunde erzeugt -mit 40 Silos, in denen 1000 Tonnen Maissilage täglich verarbeitet werden.

""Und da das ein Fonds ist, kauft er Flächen. Das hat nichts mit Landwirtschaft zu tun. Das ist falsch!"

"Bioenergie: Zukunftsgarant oder Auslaufmodell?"

Darüber diskutiert Dieter Kassel heute von 9 Uhr bis 11 Uhr gemeinsam mit Wilfried Bommert und Johannes Niedeggen. Hörerinnen und Hörer können sich beteiligen unter der Telefonnummer 00800 2254 2254 oder per E-Mail unter gespraech@dradio.de.

Informationen im Internet
Über Wilfried Bommert
Über Johannes Niedeggen

Literaturhinweis:
Wilfried Bommert: "Bodenrausch - Die globale Jagd nach den Äckern der Welt"
Eichborn Verlag, Berlin 2012