Biochemie

Neues vom Schöpfer

Sensation im Mai 2010: Craig Venter präsentierte ein kleines Bakterium, dessen Erbmaterial vollständig im Labor zusammengebaut wurde.
Sensation im Mai 2010: Craig Venter präsentierte ein kleines Bakterium, dessen Erbmaterial vollständig im Labor zusammengebaut wurde. © picture alliance / dpa / J. Craig Venter Institute/ho
Von Michael Lange · 26.08.2014
Der Amerikaner Biologe Craig Venter war um die Jahrtausendwende in aller Munde, als er eine Entzifferung des menschlichen Erbguts vorlegte. 2010 präsentierte Venter dann den nächsten Schritt: einen synthetisch erzeugten Organismus. Sein Buch zum Thema ist jetzt auf Deutsch erschienen.
Zunächst haben Biologen die Welt des Lebendigen nur beobachtet, dann beschrieben, auseinandergenommen und analysiert. Dabei haben sie die Bausteine der Biologie entdeckt. Nun beginnen sie, aus diesen Grundelementen, Leben neu zu konstruieren. Die Fachrichtung nennt sich synthetische Biologie.

Einer ihrer bekanntesten und umstrittensten Vertreter ist der US-Biotechnologe Craig Venter. Vor 15 Jahren betrat er die Bühne der Öffentlichkeit, als er mit seiner Firma Celera das Erbgut des Menschen schneller entzifferte als eine weltweite Vereinigung der großen Genforschungsinstitute. Danach wurde es ruhig um ihn, bis Venter 2010 der Welt den ersten synthetischen Organismus präsentierte. Den Weg dorthin beschreibt er nun sehr engagiert, lebendig, aber auch detailreich - mit vielen persönlichen Anmerkungen und Seitenhieben.
Dabei wird klar, was den Großmeister der Biotechnologie antreibt. Er will seine Leserinnen und Leser überzeugen, dass das Leben nicht durch eine geheimnisvolle Kraft angetrieben wird, sondern eine naturwissenschaftliche Basis hat. Deshalb beschreitet er konsequent den Weg der Vereinfachung und konzentriert sich auf den digitalen Code des Erbmoleküls DNA. Dieser Code lässt sich nicht nur Buchstabe für Buchstabe entziffern, Wissenschaftler haben inzwischen gelernt, ihn künstlich zusammenzusetzen. Sie schreiben mit DNA. Die dazu notwendigen Methoden haben Craig Venter und sein Team weiterentwickelt, sodass sie im Labor das vollständige Erbgut eines Lebewesens rekonstruieren konnten.
"Was ist Leben?"
Das im Labor entstandene Erbmaterial überführten die Forscher in ein anderes Bakterium und schufen so ein neues Lebewesen - ein einfaches Bakterium der Gattung Mycoplasma. Nach Ansicht von Craig Venter handelt es sich um den weltweit ersten synthetischen Organismus. Denn für ihn steht fest: Wer den biologischen Code schreibt, beherrscht das das Leben. Damit sei eine große Frage beantwortet, die Venters Vorbild, der Physiker Erwin Schrödinger, vor 70 Jahren in Dublin stellte: "Was ist Leben?". Und nun liefert Craig Venter nach eigenen Angaben die Antwort: "Leben ist ein digitaler Code." Und daraus folgt: "Leben ist machbar."
Das Buch "Leben aus dem Labor" überzeugt durch seine lebendige Schreibweise und die engagierte Haltung seines Autors. Für Wissenschaftsinteressierte bietet es Einblicke in den Alltag eines Dickkopfs und Spitzenforschers, wie sie Außenstehende sonst nicht erhalten können. Ganz nebenbei stilisiert sich Venter zum Superstar der Biotechnologie. Für ihn ist Wissenschaft ein großes Abenteuer. Er selbst steht im Mittelpunkt. Alles scheint machbar; man muss nur auf die Wissenschaft vertrauen. Diese missionarische Selbstgewissheit erinnert an einen Guru, der seine Anhänger um sich schart, und der das Kopfschütteln der Außenwelt gerne in Kauf nimmt.

J. Craig Venter: Leben aus dem Labor - Die neue Welt der synthetischen Biologie
Aus dem Amerikanischen von Sebastian Vogel
S. Fischer Verlag, Frankfurt a.M. 2014
304 Seiten, 19,99 Euro

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