Billie Holiday

Die Frau mit der magischen Stimme

Die amerikanische Sängerin Billie Holiday. (Undatierte Aufnahme)
Die amerikanische Sängerin Billie Holiday. (Undatierte Aufnahme) © picture-alliance / dpa / PA
Von Laf Überland · 07.04.2015
Billie Holiday war eine Ausnahmesängerin, die dem Publikum Gänsehaut bescherte. Geboren als Eleanora Fagan Gough hat ihre Stimme bis heute eine magische Ausstrahlung. Gleichzeitig polarisierte die unkonventionelle Sängerin in ihrer Zeit wie kaum eine andere.
"Bäume im Süden tragen eine sonderbare Frucht: Blut auf den Blättern, Blut an der Wurzel ... Schwarze Körper schaukeln in der Brise des Südens, sonderbare Frucht hängt von den Pappeln."
Die im Lied angesprochene "Strange Fruit", so sagt uns das Lexikon, ist der Körper eines Schwarzen, der an einem Baum hängt.
"Idyllische Szene des galanten Südens: die herausquellenden Augen, der verdrehte Mund, der Duft von Magnolien süß und frisch – dann ein plötzlicher Geruch von brennendem Fleisch."
Diese gesungenen Bilder berührten die Leute mehr als die Fotos und Postkarten von Lynchmorden, die damals im Handel waren.
Und die Frau, die dieses linke Kampflied eines kommunistischen, russisch-jüdischen Lehrers aus der Bronx – Abel Meeropol – 1939 vor der links-intellektuellen Bohème von Greenwich Village im Café Society sang, die es bekannt – nein, die es erschütternd machte, diese Frau war 24 und trug eine füllig blühende weiße Gardenie im Haar.
"Mum und Pop waren noch richtige Kinder, als sie heirateten. Er war 18, sie war 16 und ich war drei."
Vom Jazz angefixt wurde die spätere Lady Day, als sie Louis Armstrong und Bessie Smith hörte aus dem quäkenden Horn des Grammophons im Alice Dean’s, einem Haus mit schlechtem Ruf, wie sie erzählte, wo sie Besorgungen machte und den Boden schrubbte. Das war in Baltimore. Bald setzte sie sich nach New York ab und fing an, in irgendwelchen unbekannten Harlem-Nachtclubs zu singen, weil da der Jazz jener Jahre lebte und sie die Profis da hörten und mit auf Tournee nahmen: Leute wie Count Basie und Artie Shaw. Benny Goodman redete ihr dann die Angst aus, unter eigenem Namen zu singen: Und so nahm sie zwischen 1933 und ‘44 über 200 Schellackplatten auf. Tantiemen kriegte sie für keine davon. Aber sie wurde bekannt.
Solokonzerte in erlauchten Stätten
Eigentlich war Billie Holiday gar keine richtige Jazz-Sängerin: Sie sang die Leute in blaue Stimmung, obwohl sie keinen Blues sang, sondern, naja, Popsongs eben. Da sie keinerlei Gesangsausbildung hatte, nicht mal im Kirchenchor, entwickelte sie völlig unbeeinflusst ihren eigenen Stil, der noch heute den Leuten, Männern wie Frauen, die Härchen auf den Armen senkrecht singt ...
Als erste – sozusagen: – "Jazzsängerin" kriegte Billie Holiday Solokonzerte an den erlauchten Stätten von New York – der Town Hall und der Met ... Aber da, wo sie herkam, kifften und soffen die Kids sich die Highlights in ihre Jugend. Billie Holiday hatte das beibehalten, und als sie Erfolg hatte, fing sie an, Opium zu rauchen. Doch nach dem zweiten Weltkrieg riss die Opiumversorgung ab, stattdessen kam Heroin auf den Markt. Billie Holiday, abenteuerlustig und, nun ja, hedonistisch veranlagt, probierte es aus. Mit den üblichen Folgen. 1947 versuchte dann ihr Manager angeblich, sie zu einer Entziehungskur zu zwingen, indem er sie anzeigte. Als Billie Holiday nach einem Jahr aus dem Knast kam, ließen die Behörden sie nicht mehr in den Nachtclubs auftreten. Sie machte Platten, aber nach jedem Ärger, jeder Entzugsphase war ihre Stimme schärfer, härter.
Ob den Polizisten, die in ihrer Todesnacht vor diesem kleinen schwarzen Krankenhaus in New York warteten, ganz wohl in ihrer Haut war, lässt sich nicht sagen. Aber es war ja nicht ihre Schuld, dass diese Frau da sich so aufregte ... Dass sie nicht vergessen konnte, dass sie, als sie mit dem weißen Artie-Shaw-Orchestra auftrat, als Frontfrau die Hintereingänge fürs Personal benutzen musste, während die weißen Orchestermusiker durchs Hauptportal schritten ... Oder dass, als sie mit dem schwarzen Count-Basie-Orchestra unterwegs war, einigen Konzertbesuchern immer wieder ihre Haut zu hell vorkam ... Und weil sie, wenn ihr schlecht wurde von all dem Elend, dann was dagegen nehmen musste – und meistens dann eben Drogen.
Mit ihren 44 Jahren war Billie Holiday eine alte Frau geworden. Und die Polizisten, die in der Nacht zum 17. Juli 1959 vor der Notaufnahme standen, konnten ja nichts dazu, dass das erste Krankenhaus der "Negerin" mit der Überdosis die Aufnahme verweigert hatte und sie jetzt wahrscheinlich starb. Nein. Die Polizisten warteten in dieser Nacht nur hier, weil sie den Auftrag hatten Billie Holiday – falls sie nicht sterben würde – zu verhaften.
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