Bildung

Uniwürden für die Filmhochschule

Filmplakate im Gebäude der Hochschule für Film und Fernsehen "Konrad Wolf" in Potsdam
Filmplakate im Gebäude der Hochschule für Film und Fernsehen "Konrad Wolf" in Potsdam © dpa / picture alliance / Ralf Hirschberger
Susanne Stürmer im Gespräch mit Dieter Kassel · 08.07.2014
Es gehe vor allem darum, kreativ zu lehren, wie man Filme macht, sagte die Präsidentin der bisherigen Potsdamer Hochschule für Film und Fernsehen "Konrad Wolf". Das Medium Film habe aber inzwischen eine so große Bedeutung für die Gesellschaft, dass viele Fragestellungen aber auch forschend behandelt werden könnten.
Dieter Kassel: Bei ihrer Gründung 1954 hieß sie Deutsche Hochschule für Filmkunst. Seit 1969 kennt man sie unter dem Namen Hochschule für Film und Fernsehen. Und ab heute heißt sie Filmuniversität Babelsberg Konrad Wolf. Ob Namen Schall und Rauch sind oder ob diese Umbenennung, die heute mit einem Festakt in Potsdam offiziell vollzogen wird, tatsächlich etwas bedeutet, darüber sprechen wir jetzt mit der Präsidentin von Deutschlands erster Filmuniversität Susanne Stürmer. Guten Morgen, Frau Stürmer!
Susanne Stürmer: Guten Morgen!
Kassel: Was unterscheidet denn eigentlich eine Filmhochschule von einer Filmuniversität?
Stürmer: Eine Universität zeichnet sich aus durch letztlich die Breite der Befassung mit einem Thema, die Interdisziplinarität und auch den forschenden Aspekt. Und das sind alles Dinge, die wir als ehemals Filmhochschule jetzt als Filmuniversität anbieten, und tatsächlich unterstreichen wir diese Charakteristika durch den Statuswechsel zur Universität.
"Sehr praxisnahe künstlerische, handwerkliche Ausbildung"
Kassel: Aber müssen nicht Männer und Frauen, die lernen wollen, gute und erfolgreiche Filme zu machen, eher wirklich was aus der Praxis lernen? Brauchen wir Akademiker hinter und vor der Kamera?
Stürmer: Das sind keine in dem Sinne akademischen Ausbildungswege, die wir anbieten. Und Sie haben völlig recht, das Allerwichtigste, das war seit jeher so an der Filmhochschule, seit 60 Jahren geht es vor allem darum, kreativ zu lehren, wie man Filme macht, in enger Verbindung mit der Praxis. Das ist eine sehr praxisnahe künstlerische, handwerkliche Ausbildung. Nichtsdestotrotz hat das Medium Film eine so große Bedeutung inzwischen auch für die Gesellschaft, es tun sich so viele Dinge im filmischen Bereich, über die Digitalisierung, dass es dort auch ganz viele interessante Fragestellungen gibt, die man forschend behandeln kann. Das heißt, wir geben überhaupt nichts auf durch die Universitätswerdung, im Gegenteil, wir verstärken vielleicht bestimmte Aspekte. Wobei ich auch betone, es ist nicht so, dass heute ein Schalter umgelegt wird und dann ist alles anders. Im Prinzip vollzieht dieser Statuswechsel eigentlich das nach, was wir schon seit vielen Jahren an der Filmhochschule, jetzt Filmuniversität leben und was auch seit vielen Jahren schon vorbereitet wird.
Susanne Stürmer, Präsidentin der Hochschule für Film und Fernsehen "Konrad Wolf" (HFF)
Susanne Stürmer, Präsidentin der Hochschule für Film und Fernsehen "Konrad Wolf" (HFF)© picture alliance / dpa
Kassel: Was mir aufgefallen ist, bis gestern hieß es ja Hochschule für Film und Fernsehen. Zumindest in der offiziellen Universitätsbezeichnung taucht Fernsehen gar nicht mehr auf. Wird Fernsehen bei Ihnen eine geringere Rolle jetzt spielen?
Stürmer: Nein, gar nicht. Das Thema Film und auch das Thema Film im Namen ist sehr viel universeller. Film ist ja im Grunde – und weil ich vorhin das Stichwort genannt hatte, Digitalisierung –, Film ist ja im Grunde das Medium. Und wenn wir sagen Film, denken wir ans Kino, Fernsehen denken wir an den Abspielweg Fernsehen. Das Besondere ist ja, dass man inzwischen filmische Bilder und filmische Inhalte auf ganz vielen unterschiedlichen Vertriebswegen konsumieren kann, auf allen möglichen unterschiedlichen Endgeräten. Also, indem wir sagen Filmuniversität, wählen wir im Grunde den universelleren Begriff.
Kassel: Kriegen Sie als Universität eigentlich mehr Geld als bisher als Hochschule?
Stürmer: Nein, das ist nicht so. Wir sind über den Haushalt des Landes Brandenburg im Hochschulbereich finanziert, das sind unveränderte Rahmenbedingungen. Es ist schon so, dass man als forschende Filmuniversität über Forschungstöpfe möglicherweise Gelder akquirieren kann für Dinge, die uns interessieren und die wir vorhaben, anders, als es bisher der Fall war.
Kassel: Sie haben ja für dieses Amt der Präsidentin der bisher Filmhochschule, seit heute –universität, einiges an Erfahrung mitgebracht, sind selber ja Volkswirtin, waren aber zuvor unter anderem Geschäftsführerin der UFA Film- und Fernsehproduktion. Wo sehen Sie denn eigentlich als Fachfrau den deutschen Film im Moment?
Stürmer: Der deutsche Film ist in einem sehr guten Zustand, sage ich mal. Wir haben eine hoch kreative Branche. Wir bringen herausragende Filme heraus. Das gilt sowohl im Kinobereich als auch im Fernsehbereich. Das Fernsehen hat ja noch ein sehr viel breiteres Spektrum, wenn ich jetzt mal aufblättere nicht fiktionale Filme, fiktionale Filme. Also, wir sind inhaltlich und kreativ sehr, sehr gut aufgestellt. Nichtsdestotrotz gibt es alle möglichen Fragezeichen, auch was bringt die Zukunft, wie wirkt sich die Pluralität der Vertriebswege in Zukunft auf die Finanzierung der Filme aus, Stichwort neue Geschäftsmodelle, das ist ein sehr technischer Begriff. Aber letztlich geht es immer darum, wie kann man die große Kreativität, die wir haben, und die Wichtigkeit auch der filmischen Inhalte, wie kann man das tatsächlich auch so finanzieren, dass wir in Zukunft all die Filme hier auch aus Deutschland heraus und in Deutschland sehen, die wir gerne sehen möchten?
"Ich bin tatsächlich eine Verfechterin der Bandbreite"
Kassel: Aber gibt es nicht diesen Spagat: Auch dank der ausgeweiteten Filmförderung des ehemaligen Kulturstaatsministers Bernd Neumann hat der deutsche Film ja durchaus einen großen Stellenwert, wird gefördert, es kamen, glaube ich, noch nie so viele deutsche Filme pro Jahr in die Kinos wie in den letzten zwei, drei Jahren. Aber haben wir nicht trotzdem diesen Spagat, unglaublich viel Durchschnitt, der mehr oder weniger erfolgreich ist, und die paar erfolgreichen Filme kommen dann von Til Schweiger?
Stürmer: Na ja, ich bin tatsächlich eine Verfechterin der Bandbreite, auch an dieser Stelle. Filme, nur weil sie relativ wenig Zuschauer bekommen, sind ja nicht unbedingt so, dass sie nicht gut sind. Das heißt, Erfolg und Qualität soll man nicht alleine an der Zahl der Kinozuschauer messen. Nichtsdestotrotz ist es eine relevante Diskussion, haben wir vielleicht zu viele Filme, die herausgebracht werden, das geht uns ja allen so, dass wir eigentlich permanent eine Liste von Filmen haben, die wir gerne sehen möchten, und zack sind sie wieder raus aus dem Kino. Das ist noch mal eine andere Debatte. Keine unbedingte Fokussierung auf die Zuschauermillion, es muss diese Bandbreite geben, das ist ganz, ganz wichtig, aber sicherlich eine Diskussion darüber, werden vielleicht auch zu viele Filme in Deutschland produziert?
Kassel: Aber ist das nicht auch eine Frage für eine solche Universität? Ich kenne eine Drehbuchautorin, die sagt, was ich am dringendsten lernen musste, als ich auf der Hochschule war – einer anderen –, war eigentlich nicht Drehbücher schreiben, sondern Anträge schreiben für die ganzen Fördergelder. Müssen Sie nicht eigentlich Ihren Studentinnen und Studenten doch eher dieses Bild vermitteln, mache einfach einen Film, der gut ist und den die Leute sehen wollen?
Stürmer: Na ja, ich glaube, es geht um beides. Ganz am Anfang habe ich gesagt, das Wichtigste ist wirklich das kreative Handwerk, was bei uns zu lernen ist, und das ist dreimal unterstrichen. Nichtsdestotrotz finde ich es wichtig für unsere Studierenden, dass sie ein gutes Verständnis haben für die Verhältnisse draußen am Markt. Dann kann trotzdem jeder und jede entscheiden, wo genau will ich mich positionieren, möchte ich ins Fernsehen, möchte ich Filme machen, welche Art von Filme möchte ich machen. Durch – auch wieder Stichwort Digitalisierung – Veränderung der Medienlandschaft gibt es auch ganz neue Berufsbilder und eine sehr viel breitere Aufstellung auch für Menschen, die an einer Filmhochschule studieren. Wichtig ist mir die Wahlfreiheit, aber die kann ich eigentlich nur richtig nutzen, wenn ich wirklich weiß, wie ist die Landschaft da draußen, wie entwickelt sich die Landschaft weiter. Insofern gehen die beiden Dinge wunderbar zusammen.
Kassel: Sagt die Präsidentin der ersten Filmuniversität Deutschlands, ab heute ist sie das nämlich, sie, die Präsidentin. Und die ehemalige Hochschule für Film und Fernsehen Konrad Wolf heißt jetzt Filmuniversität Babelsberg. Susanne Stürmer, vielen Dank!
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio Kultur macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
Mehr zum Thema