Bildende Kunst

Tod eines Draufgängers

Die Aufnahme zeigt Masken des Künstlers Günther Förg, die 2008 bei einer Ausstellung in der Pinakothek der Moderne in München gezeigt wurden.
Die Aufnahme zeigt Masken des Künstlers Günther Förg, die 2008 bei einer Ausstellung in der Pinakothek der Moderne in München gezeigt wurden. © Foto: Lukas Barth dpa/lby/dpa-Report
Von Rudolf Schmitz · 06.12.2013
Günter Förg lebte mit voller Wucht. Er schuf sein Werk in einer Balance aus Pathos und kindlichem Wagemut. Nun ist der Künstler im Alter von 61 Jahren gestorben.
"Wild at heart", dieser Filmtitel gibt am besten wieder, wer und was Günther Förg war. Ähnlich wie Martin Kippenberger, mit dem ihn eine ausgeprägte Hassliebe verband, konnte er nur in der Verausgabung leben: Was den Alkohol betraf, die bösartig genialen Attacken auf Kollegen und Kunstbetrieb, die berserkerhafte Arbeitswut, mit der er Bild auf Bild herausschleuderte. Oft in Formaten, die ins Monumentale gingen.
Doch anders als Kippenberger war weder ironisch noch sarkastisch: Günther Förg war ein Parsifal, der sich an den großen Künstlerfiguren des zwanzigsten Jahrhunderts maß. In Zeiten der Postmoderne wollte er es noch einmal wissen. Von den frühen Bleibildern über die Gitterbilder zu den Farbfleck- oder Farbfeldkompositionen, immer erinnerten seine Malereien an irgendwen oder irgendetwas. An Barnett Newman, an Piet Mondrian, an Jean Fautrier, an Clifford Still. Und sie erinnerten, in utopischem Umkehrschub, auch an Maler, die es nie gegeben hat.
Günther Förg, den man wegen seiner draufgängerischen Art auch den James Dean des Kunstbetriebs nannte, war vielleicht eher das deutsche Ebenbild von von Cy Twombly: In euphorischer Kinderschrift, mit gekonnter Nachlässigkeit malte er die Klassische und die Nachkriegsmoderne noch einmal. Seine Skulpturwände, in Bronze und Gips, konnten groß und wuchtig sein, aber auch beiläufig und kleinteilig wie Cy Twomblys eingegipste Atelierreste. Da war nichts, was unverwertet blieb, und trotzdem ging es immer um ein hoch gestimmtes ästhetisches Statement.
"Man geht doch immer an irgendetwas vorbei und denkt sich dann nichts dabei. Denkt einfach: gut, das ist Abfall. Und dann bleibt man mal stehen und schaut dahin und sieht plötzlich so eine Qualität und so etwas Malerisches da drin, und die Skulpturen sehe ich auch von der Form als Nicht-Form an, als Nicht-Skulpturen."
Kunst mit dem Risiko des Scheiterns
In großen Schwarzweiß-Fotografien widmete sich Günther Förg der Architektur der Klassischen Moderne: ob Bauhaus, italienischer Rationalismus oder sowjetische Revolutionsarchitektur. Ob es die Casa Malaparte auf Capri war, das Haus Wittgenstein in Wien, das IG-Farben-Haus in Frankfurt.
Günter Förg präsentierte die Moderne oft im Zustand des Zerfalls, der Verwahrlosung, des Erinnerungsverlustes. Er zeigte solche Fotos in wandhohen Abzügen, in verglasten Kastenrahmen. Oft in Dialog mit seiner Malerei: Dann konnte man sehen, wie die Malerei die formale Erbschaft der Moderne noch einmal aufzumischen versuchte.
"Ich habe einen anderen Zugang zur Fotografie als ein Architekturfotograf. Das ist alles mit einer Kleinbildkamera aufgenommen, ich würde das mal als Stimmung bezeichnen, das ist ne ähnliche Stimmung wie in der Malerei und natürlich über meine Person gehen die verschiedenen Disziplinen zusammen."
Fotografie, Malerei oder Skulptur, für Günther Förg gab es da wenig Unterschied. Er schuf sein Werk in einer Balance aus Pathos und Schnoddrigkeit, höchstem Anspruch und geradezu kindlichem Wagemut. Damit rief er in Erinnerung, dass es auch in heutigen Zeiten um die Fallhöhe geht. Dass Kunst nur dann Anspruch auf Beachtung verdient, wenn sie sich dem Risiko des Scheiterns aussetzt.
Nach einem Schlaganfall im Jahr 2010 war sein rechter Arm gelähmt, er konnte nicht länger arbeiten. Das schien ihn nicht wirklich zu beunruhigen: Schließlich hatte er genug geleistet. Den Kampf gegen den Krebs allerdings hat er jetzt, am Tage seines 61. Geburtstages, verloren.
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