Biermann überzieht im Bundestag

Deutschland braucht keine Drachentöter

Der Liedermacher Wolf Biermann singt am 07.11.2014 während einer Gedenkveranstaltung zum 25. Jahrestag des Mauerfalls im Deutschen Bundestag in Berlin. Im Hintergrund verfolgt Richard Pitterle (3. Reihe, mitte) der Linken den Vortrag.
Der Liedermacher Wolf Biermann singt während einer Gedenkveranstaltung zum 25. Jahrestag des Mauerfalls im Deutschen Bundestag in Berlin. © picture-alliance / dpa/Wolfgang Kumm
Von Frank Capellan · 07.11.2014
Einst wurde der Sänger Wolf Biermann aus der DDR ausgebürgert. Heute beschimpfte er im Bundestag die Linkspartei als "Drachenbrut". Etwas mehr Gelassenheit hätte dem 77-jährigen Dissidenten gut gestanden, kommentiert Frank Capellan. Viele heutige Parteimitglieder seien zu DDR-Zeiten noch Kinder gewesen.
Wer sich einen Drachentöter ins Haus holt, der sollte ahnen, dass es heiß wird im Parlament. Wolf Biermann ist keiner, der sich den Mund verbieten lässt. Lakonisch kontert der einst ausgebürgerte Barde den schmunzelnd vorgetragenen Hinweis von Norbert Lammert, Biermann sei zum Singen eingeladen worden. "In der DDR habe ich mir das Reden nicht abgewöhnt, das werde ich hier schon gar nicht tun."
Der Bundestagspräsident hatte es wohl auch nicht ernsthaft erwartet. Im Gegenteil: Er und viele andere fanden sichtlich Gefallen daran, wie der unbequeme Geist den Linken die Leviten las. Auch Joachim Gauck dürfte seine helle Freude gehabt haben. Wenn man Biermann einlädt, dann wird er nicht nur ein Lied singen, sondern alte Rechnungen begleichen wollen. Das war allen klar, es war eine kalkulierte Provokation.
Wäre es nur um einen musikalischen Akzent in der Feierstunde zum Mauergedenken gegangen – dann hätten doch gleich Karat oder die Puhdys unter der Kuppel spielen können. Mit bedröppelten Mienen mussten die SED-Nachfolger Biermanns Angriffe über sich ergehen lassen. Ertragen musste sie allen voran Fraktionschef Gregor Gysi.
Mit den Hasstiraden hat er sich keinen Gefallen getan
Das Mitleid hält sich in Grenzen: Wer mit semantischen Wortklaubereien zu verschleiern sucht, dass die DDR ein Unrechtsstaat war, darf sich nicht wundern, dass er neuen Zorn auf sich zieht. Und dennoch: Biermann hat sich mit seinen Hasstiraden keinen Gefallen getan.
Für viele Wähler – vor allem Osten - ist die Linkspartei immer noch d a s soziale Gewissen der Republik. Ihre Abgeordneten sind keinesfalls das, als was Biermann sie verteufeln möchte, als den "elenden Rest dessen, was zum Glück überwunden ist". Die wenigsten von ihnen waren in der SED, manche waren beim Mauerfall noch Kinder oder Jugendliche, viele sind im Westen aufgewachsen, so wie Richard Pitterle, der heute im Bundestag mitsang, als Biermann sein Lied "Die Ermutigung" anstimmte, das er einst den Häftlingen in den Kerkern der DDR widmete.
Ich konnte das auch als Linker im Westen immer mitsingen, ich habe Biermann immer gemocht, ich kann ihn verstehen, auch wenn seine Attacken auf meine Fraktion unbegründet sind – so hat sich Pitterle heute im Deutschlandfunk geäußert.
Ein bisschen von dieser Gelassenheit hätte dem 77-jährigen Dissidenten heute gut gestanden. Etwas Größe zum Jahrestag, etwas mehr Versöhnen statt immer nur Spalten. Der selbstgefällige Biermann aber hat es leider noch nicht verstanden: In Deutschland zumindest werden sie zum Glück nicht mehr gebraucht – die Drachentöter!
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