Bienensterben

Milbe verbreitet tödliches Virus

Die Imkerin Erika Mayr hält mit Schutzhelm Bienenwaben hoch
Imkerin mit begutachtet Bienenwabe. © Deutschlandradio / Gerhard Richter
Von Jürgen Stratmann · 23.03.2017
Das massive Sterben unter Bienen hat Forscher jahrelang vor Rätsel gestellt - bis eine Milbe als Hauptschuldige identifiziert wurde. Rasend schnell verbreitet sich der zerstörerische Parasit unter Bienen. Aber Wissenschaftler züchten Varroa-Resistente Exemplare.
"10, 12 Grad, dann kommen sie raus und dann gucken sie, was los ist, und dann ist der erste Zeitpunkt, wo der Imker gucken kann, ob sie überlebt haben!"
Und? Wie sieht´s bei Ihnen aus?
"Geht eigentlich. Die hier oben, die haben überlebt!"
Hier oben? Das ist:
"In ungefähr vier bis fünf Metern Höhe, da fühlen sie sich am wohlsten, das ist viel natürlicher, als diese Kisten, die wir so auf den Boden stellen."
Das Problem dabei: ohne Leiter kommt er nicht an die Bienenstöcke heran.
"Das ist auch ganz gut so, weil: der Imker hat bestimmte Interessen, und die Bienen haben bestimmte Interessen: die wollen eigentlich ihren Honig behalten."
Heinz Risse ist eher Bienenliebhaber als konventioneller Imker, er versucht, seinen Bienen - mitten in der Großstadt – möglichst ursprüngliche, natürliche Lebensumstände zu bieten – er hat zwar auch Verluste:
"Ich hab immer´n ganz normalen Totenfall."
Normal sind: fünf bis zehn Prozent, aber von Massensterben ist er bisher verschont geblieben.

"Meine Bienen kommen immer relativ gut durch den Winter, weil sie auf eigenem Honig überwintern: d.h., ich geb ihnen kein Zuckerwasser, ich mach keine künstliche Königinnenzucht, ich mach keine künstlichen Waben, ich lasse sie weitestgehend in Ruhe, und das tut den Bienen total gut!"
Und überhaupt: Bienensterben?

Stadtbienen leben gesünder

"Das Problem ist nicht in der Stadt, das Problem ist eigentlich auf´m Land!"
In der Stadt nimmt die Zahl der Bienenvölker seit Jahren zu – für den Großstadtimker ist klar:
"Denen geht’s viel besser, weil hier in der Stadt gibt es keinen großflächigen Pestizideinsatz, hier gibt’s keine Monokultur, hier blüht immer irgendwas."

Allerdings: Dass großflächiger Pestizideinsatz, Nahrungsprobleme durch Monokulturen im Sommer. das Völkersterben im Winter verursache, sei wissenschaftlich umstritten, erklärt Professor Dr. Kaspar Bienefeld vom Länderinstitut für Bienenkunde in Hohen Neuendorf.

"Natürlich sind Pflanzenschutzmittel für Bienen ein Problem, da gibt es überhaupt keine Diskussion, die Diskussionen sind eher: wie stark diese temporären Einwirkungen sind auf das Überwintern im nächsten Jahr!"
Evident sei dagegen der Einfluss des Klimawandels:
"Für die Biene ist der Klimawandel ein richtiges Problem!"
Denn die relativ milden Winter begünstigen die Verbreitung des Bienenschädlings Nr. 1: der Varroa-Milbe! – ein winziges Spinnentier, das sich in der verdeckelten Bienenbrut vermehrt und entwickelt. Das Problem: milde Winter führen dazu, dass Bienen länger brüten - die Folge: auch die Brutparasiten können sich länger und damit stärker vermehren!
"Und das hat dazu geführt, zwei milde Winter hintereinander, dass wir jetzt größere Verluste haben!"

Die Schöne und das Biest

Dabei komme die Varroamilbe selten allein, sie bereite den Weg für andere Erreger, denn wenn die Varroamilben die Bienen-Puppen anstechen, schwächt ein Milbensekret deren Immunsystem: die Bienenlarven sind dann anfälliger auch für andere Infektionen. Außerdem übertragen Varoa-Milben selbst das sogenannte "Flügeldeforationsvirus". Die Folge bei den im Frühjahr entwickelten Bienen:
"Verkrüppelte Flügel, eine geringere Lebenserwartung, so dass Völker, die mit der Kombination aus beidem belastet sind, dann sterben! Es kann durchaus vorkommen, dass zu Beginn des Frühlings noch Völker sterben, das kommt gar nicht so selten vor."
Darum sei es jetzt auch noch zu früh, die tatsächlichen Schäden zu beziffern, erst Mitte April hätte man einen Überblick über die Gesamtschäden. Wie gesagt: Hauptursache des Massensterbens sei die Varroamilbe Plus Viren. Am Länder-Institut für Bienenkunde hat man darum eine Methode entwickelt, Varroa-Resistente Bienen zu züchten.
"Wir markieren einzelne Bienen, geben die auf eine infizierte Wabe, und schauen uns an, welche von den Bienen ist in der Lage, infizierte Zellen zu öffnen und damit den Brutzyklus der Milbe zu unterbrechen."
Die markierten Bienen werden permanent per Video-Kamera beobachtet - ein äußerst zeitaufwendiges Verfahren. Und wenn sich dann zeigt, dass eine der markierten Arbeiterinnen durch den geschlossenen Wabendeckel erkennen kann, wo sich eine infizierte Puppe befindet – um den kranken Nachwuchs dann sofort aus dem Stock zu werfen, dann versucht das Team von Professor Bienefeld, dieses besondere Talent zur Reproduktion zu zwingen.
"Wir geben diese Arbeiterinnen in kleinere Einheiten ohne Königin, denn das Pheromon der Königin unterdrückt die Ei-Ablage, die Eier der Arbeiterinnen sind haploid, aus denen entwickeln sich Drohnen - als Väter für die nächste Generation."
Die so gezüchteten Bienen verfügen über ein wesentlich höheres Geruchsvermögen, wodurch sie in der Lage sind, nicht nur Varroa-Befall, sondern auch andere Brutkrankheiten zu entdecken, darum im Kampf gegen massenhaftes Bienensterben ist Professor Bienefeld überzeugt:
"Gut Geruchsunterschiede wahrnehmende Bienen sind die eigentlichen Helden auf dem Feld!"

Entwarnung: Bienen nicht vom Aussterben bedroht

Möglicherweise ist das Bienensterben durch solche Neuzüchtungen künftig also in den Griff zu bekommen? Darüber hinaus sind sich der Imker Heinz Risse und der Wissenschaftler Kaspar Bienefeld einig: Aussterben wird die Biene nicht so schnell.
"Im Gegenteil: wir finden weltweit einen Anstieg der Bienenpopulatio – und auch in Deutschland - einen Anstieg der Bienenpopulation. Eher sterben wir aus. Ich glaube dass die Biene sich besser an die Natur anpassen kann als der Mensch."
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