Bezahlschranken

Wie man mit Journalismus im Netz Geld verdient

Eine Person tippt mit dem Finger auf ein Tablet.
Guter Inhalt kostet Geld - das gilt auch im Internet. © imago / Jochen Tack
Michael Haller im Gespräch mit Korbinian Frenzel · 18.09.2015
Alles kostenlos im Netz? Zeitungen und Verlage versuchen, mit Paid-Content-Modellen gegenzusteuern. Das funktioniert nur, wenn journalistische Inhalte gut aufbereitet werden, sagt der Medienwissenschaftler Michael Haller: Qualität statt Masse sei gefragt.
Korbinian Frenzel: Sie hören Deutschlandradio Kultur, und dass Sie das tun, beantwortet eine Frage auf jeden Fall schon mal: Sie hören Radio! Ich habe eine andere Frage: Lesen Sie Zeitung, lesen Sie noch Zeitung? Und wenn Sie es tun, wie tun Sie das? Auf Papier oder eher schon immer mehr online? Wenn Sie Letzteres tun, dann liegen Sie im Trend. Die gedruckten Auflagen der Zeitungen sinken seit Jahren, immer mehr lesen online. Und Sie wissen, wie das ist online, ziemlich häufig ist da alles gratis zu finden.
Zeitungen und ihre Verlage versuchen seit Jahren schon gegenzusteuern, Paid-Content-Modelle werden probiert, also Wege, wie man auch im Internet Geld kassieren kann für journalistische Inhalte. Nur: Funktioniert das, können Zeitungen damit über die Runden kommen? Michael Haller ist bei mir im Studio, der Medienwissenschaftler hat gerade ein Buch geschrieben, das schon im Titel ein klares Plädoyer ist: Wir brauchen Zeitungen! Michael Haller, guten Morgen!
Michael Haller: Ja, guten Morgen, Herr Frenzel!
Frenzel: Es ist ja so, dass "Süddeutsche.de", "Spiegel", andere große Medienhäuser ganz viele Informationen auch kostenlos im Internet bereitstellen. Gleichzeitig haben sie Bezahlmodelle eingeführt. Aus Ihrer Erfahrung als Medienwissenschaftler, haben Sie denn da einen Stand, kann man sagen, das funktioniert, die Menschen bezahlen im Internet für Inhalte?
Haller: Es ist natürlich eine ganz langfristig nur zu vollziehende Umstellung. Und man hat eben jetzt über 20 Jahre gelernt, dass das umsonst war. Und jetzt muss man umlernen. Das geht nicht so schnell, das braucht einige Zeit. Und was noch wichtiger ist: Die Inhalte müssen sich ändern. Man hat bisher darauf gesetzt, dass man in die Breite - möglichst hohe Klickzahlen, viele Page Impressions - möglichst also sozusagen in die Breite geht und entsprechend die Inhalte aufbereitet. Und jetzt kommt es darauf an, eben tatsächlich einen geldwertigen Inhalt anzubieten, also statt Masse Qualität, vereinfacht gesagt, ist die große Aufgabe. Und da sind natürlich viele Medienhäuser noch lange nicht so weit, dass diese Qualität auch wirklich gewährleistet wird, die notwendig ist, damit die Leute bezahlen.
Frenzel: Ich habe mal im Internet geschaut und was kostenlos gefunden, in einem ziemlich gut hintergründigen Blog: drei Argumente dagegen, dass Bezahlschranken funktionieren. Da ist das erste Argument, dass Journalisten insofern eigentlich gar nicht mehr notwendig sind in erster Linie, weil das, was sie tun – Informationen kuratieren, zusammenstellen –, perspektivisch auch Algorithmen können, zum Teil jetzt schon und immer besser. Argument eins – was sagen Sie dazu?
Robot-Software kann den Journalisten nicht ersetzen
Haller: Ja, da ist was dran zunächst, auf den ersten Blick. Auf den zweiten Blick dann doch nicht. Also, auch die sozusagen Robot-journalistischen Aufbereitungen, die algorithmisch funktionieren, können nicht so hoch komplexe Geschehnisse und Vorgänge, wie sie in der Welt stattfinden, nach relevanten Kriterien selektieren. Also (es geht) sozusagen um das Nachrichtenangebot, wie Sie es heute in einer Tageszeitung – bleiben wir jetzt mal beim Zuschnitt "Frankfurter Allgemeine" oder "Süddeutsche Zeitung" - , die jetzt pars pro toto (stehen); die Redaktion hier mit doch einer sehr hohen Wissenskompetenz zusammenstellt und relevante Dinge entsprechend groß macht und irrelevante Dinge entsprechend klein macht.
Also, wenn Sie eine Zeitungsseite anschauen, kann ja schon das Layout eine Struktur von wichtig und unwichtig anbieten. Das kann auch auf absehbare Zeit jedenfalls kein Algorithmus. Das heißt also, die Chance, die ein journalistisch kompetent gemachtes Produkt beinhaltet, heißt: Ich vermittle dir auch zugleich eine Weltsicht darüber, was relevant und weniger relevant und irrelevant ist. Also, nur unterhaltsam zum Beispiel, lustig oder witzig und so.
Und wenn Sie sich die mit entsprechenden Robot-Software generierten Angebote anschauen, dann ist es eigentlich immer dasselbe Muster: Es ist am Ende immer 'more of the same'. Also das, was nachgefragt wird, wird dann sozusagen noch mal getoppt und wird dann als hohe Reichweite nochmals popularisiert. Sodass also eigentlich immer das, was Sie schon wissen, wird dann sozusagen noch mal verstärkt. Aber das, was Sie nicht wissen, also darum auch nicht abrufen, geht dann unter.
Frenzel: Ich komme mit dem zweiten Argument aus diesem Internetblog: Das sagt, bezahlen im Internet ist nach wie vor viel zu kompliziert für so kleine Beträge.
Haller: Ja, das ist sicherlich auch, an dem Argument ist auch was dran. Es wird derzeit sehr viel herumexperimentiert, verschiedene Muster von Bezahlformen einzelner Artikel, die man dann für 35 oder 40 Cent – also, wenn Sie an Blendle denken zum Beispiel, ein gerade neu auf dem deutschen Markt sich etabliert habender Anbieter von verschiedenen Zeitungen, die man per Artikel lesen kann –, dann ist das Modell dort so, dass Sie sozusagen sich ein Guthaben beschaffen. Sie bezahlen digital fünf Euro oder acht Euro oder zehn Euro und haben das dann wie ein Guthaben und können dann entsprechend die Artikel lesen, bis dann dieses Guthaben quasi aufgebraucht ist. So gibt es verschiedene Modelle, die ausprobiert werden, und da muss experimentiert werden. Aber es ist jedenfalls ein Problem, das lösbar ist.
Frenzel: Okay, ich komme mit dem dritten Argument, das sagt, dass letztendlich das Internet so dynamisch ist – wir sehen das in allen Wirtschaftszweigen –, dass, sobald irgendjemand Geld für irgendwas nimmt, wer anders das kostenlos anbietet. Das heißt, man läuft immer gegen eine kostenlose Konkurrenz an?
"Es geht um intellektuelle Werte"
Haller: Ja, das ist jetzt hier, weil es um, wenn Sie so wollen, intellektuelle Werte geht. Es geht nicht um materielle, also um Konsumgüter allein, sondern es geht um eben einen journalistischen Inhalt. Da ist das ein bisschen anders. So ein Grundrauschen, ein informatorisches, das wird man immer umsonst haben, das wird sich nicht vermeiden lassen. Das ist so wie vor 100 Jahren die Anzeigenblätter, die waren auch und sind immer noch umsonst. Aber diese Anzeigenblätter ersetzen nicht eine gehaltvolle, sozusagen jetzt hochtrabend ausgedrückt geistige Leistung. Und diese geistige Leistung – wir haben nicht von ungefähr auch ein Urheberrecht, das diese geistige Leistung ja auch schützt – ist unique. Also, wenn ich eine dieser Zeitungen abonniere oder bestimmte Digital-, auch vielleicht bestimmte Artikel nur beziehe, dann ist es, weil es diese Leistung ist, und die ist unverwechselbar, die ist unique. Und dafür bezahle ich dann auch.
Frenzel: Sie haben gesagt, wir sind in einem Umbruchprozess. Also, die Menschen, die Mediennutzer müssen sich erst daran gewöhnen, dass sie dafür letztendlich auch bezahlen müssen. Jetzt kann es dummerweise passieren, dass in dieser Umbruchzeit die Grundlage für die Redaktion einfach weg ist. Also kurzum das Geld fehlt. Dann stehen wir irgendwann da, da merken die Menschen: Es wäre schön, diese Inhalte zu haben, aber sie werden gar nicht mehr angeboten. Sehen Sie diese Gefahr, dass Journalismus letztendlich in so ein Loch fällt und es dann wieder aufzubauen ganz schwierig wird?
Haller: Die Regionalzeitungsverlage, die eine gute Zeitung machen, haben zehn Jahre Zeit, diesen Transformations-, diesen Umstellungsprozess mit ihren Publika zu durchlaufen. Und ich denke, das reicht, wenn man es mit Bedacht und klug macht.
Frenzel: Wollen wir es hoffen. Der Medienwissenschaftler Michael Haller, wir brauchen Zeitung, sagt er! Vielen Dank für das Gespräch, vielen Dank für den Besuch im Studio!
Haller: Gerne, tschüss, Herr Frenzel!
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio Kultur macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
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