Betteln für Picasso

Von Johannes Halder · 18.03.2013
"Die Picassos sind da!" – Abgesehen von Paris oder New York kann wohl kein Ort der Welt so viele Picasso-Werke aus öffentlichen und privaten Sammlungen der eigenen Stadt zeigen wie Basel. Das Kunstmuseum präsentiert sie alle und erzählt eine spannende Geschichte dazu.
Im April 1967 zerschellte die Maschine einer Schweizer Charter-Fluggesellschaft an einem Hügel auf Zypern. 124 Menschen starben, die Fluggesellschaft ging in Konkurs. Die menschliche Tragödie war auch Pech für den Basler Hauptaktionär Peter Staechelin.

Er war pleite und stand plötzlich vor einem Schuldenberg. Von seinem Vater hatte er eine wertvolle Kunstsammlung geerbt, darunter zwei Bilder von Picasso: "Die zwei Brüder" aus der Rosa Periode von 1906 und einen "Sitzenden Harlekin" von 1923. Die hingen zwar als Leihgabe der Familienstiftung im Basler Kunstmuseum, doch für einen solchen Notfall durften sie veräußert werden.

Nachdem ein Gemälde von van Gogh in einer Blitzaktion bereits verkauft worden war, sollten nun auch die beiden beliebten Picasso-Bilder zu Geld gemacht werden, erzählt Kuratorin Nina Zimmer:

"Und da ist man in Basel aufgewacht und es gab sofort eine breite Bewegung dafür, wie ein Aufschrei: Die können uns doch nicht auch noch die Picassos wegnehmen!"

8,4 Millionen Franken wollte die Stiftung für die beiden Bilder haben, das war ein Freundschaftspreis. Sechs Millionen bewilligte die Stadt Basel nach einem klaren Volksentscheid, der schon deshalb bemerkenswert war, weil die umstrittene Moderne mit Picasso als Leitfigur bei der breiten Bevölkerung noch lange nicht als konsensfähig galt.

Die restlichen 2,4 Millionen Franken brachten große Firmen auf und nicht zuletzt ein so genanntes "Bettlerfest", das im November 1967 ganz Basel auf die Beine brachte. Slogans wie "Rettet Picasso!" oder "All we need is Pablo" waren auf Transparenten zu lesen, und sogar andere Schweizer Städte und Gemeinden gaben Geld, damit die Basler ihre Picassos behalten konnten.

"Sämtliche Schüler haben in Basel irgendwas gebastelt, gesammelt, gesungen, Schuhe geputzt, aufgeführt, Drehorgel gespielt. Wir haben Listen gefunden von allen Schulhäusern. Gesammelt in der Klasse 4a: sieben Franken; Klasse 4b: zwölf Franken gesammelt. Das war einmalig. Man hatte wirklich das Gefühl, alle stehen dahinter."

Dass Picasso mehrheitsfähig war, dass sich eine ganze Stadt derart für seine Kunst begeisterte, ließ auch den Künstler selbst nicht kalt.

"Als ehemaliger Kommunist, wenn auch Salonkommunist, hat ihn das enorm gerührt, wie sehr sich speziell die Jugend eingesetzt hat in Basel. Und dass es tatsächlich mit demokratischen Mitteln eine Mehrheit für den Ankauf seiner Kunst gab, das hat nicht nur ihn als Künstler bestätigt, das hat ihn auch in seinen politischen Überzeugungen bestätigt."

Picasso, damals 86 Jahre alt, lud den Leiter des Kunstmuseums, Franz Meyer, in sein Atelier. Er zeigte sich spendabel und ...

"…Franz Meyer ist schließlich mit vier wertvollen Geschenken nach Basel zurückgekehrt."

Neben zwei Gemälden war auch eine Vorzeichnung zu den berühmten "Demoiselles d’Avignon" dabei, Werke von mittlerweile unschätzbarem Wert.

Basel und Picasso – die Geschichte ist allerdings schon älter. Sammler wie der Bankier Raoul La Roche, der Transportunternehmer Karl Im Obersteg, der Textilhändler Georges Bloch und andere hatten schon frühzeitig beachtliche Picasso-Konvolute zusammengetragen, und nicht zuletzt der legendäre Basler Galerist Ernst Beyeler hatte im Lauf der Zeit rund 600 Picasso-Werke vermittelt und etliche kapitale Stücke für seine eigene Sammlung abgezweigt.

All das ist jetzt hier zu sehen, und obwohl jede Sammlung ihr eigenes Konzept verfolgte, ist die Schau keineswegs ein Sammelsurium.

"Tatsächlich ist unsere Ausstellung eine vollgültige Retrospektive geworden. Wir können Hauptwerke aus allen Epochen Picassos zeigen."

Und in der Tat lässt sich zum Beispiel Picassos Kubismus nirgendwo in solcher Qualität und Dichte studieren wie in Basel. Das Spätwerk ist in aller Breite vertreten, und auch Plastiken sind zu sehen, darunter die geniale Bronze eines Pavians, dessen Kopf aus zwei abgeformten Spielzeugautos von Picassos Sohn besteht.

Wer die Privatsammler sind, denen die Picassos gehören, bleibt allerdings ein gut gehütetes Geheimnis, sagt Nina Zimmer:

"Da mussten wir auch intern allergrößte Diskretion walten lassen, um unsere Leihgeber zu schützen."

Na gut, aber wer seine Neugier an den Bildern befriedigen will, der soll sich auf nach Basel machen. Und wer das nicht schafft, hat eine seltene Gelegenheit verpasst.

Weitere Informatoinen zu der Retrospektive am Basler Kunstmuseum finden Sie unterDie Picassos sind da!
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