Betreuungsgeld

Noch keine Chancengleichheit

Die Tagesmutter Gina Schuster hält in Ratingen (Nordrhein-Westfalen) ein Kind auf dem Arm.
Auf dem CSU-Parteitag besteht Seehofer auf dem Betreuungsgeld. © dpa / picture alliance / Jan-Philipp Strobel
Von Katharina Hamberger, Hauptstadtstudio · 28.07.2014
Das Betreuungsgeld musste kommen und es kam. Ein "Mia san Mia"-Projekt, mit der die CSU zeigen wollte, dass man sie in Berlin braucht - ohne Rücksicht auf Verluste, findet Katharina Hamberger.
Es ist ein Schlag ins Gesicht der CSU - das Betreuungsgeld, quasi die Maut der Familienpolitik, hat laut einer Studie der Universität Dortmund und des Deutschen Jugendinstituts offenbar genau die negativen Auswirkungen, die Kritiker - vor allem aus der Opposition - angemahnt haben: Kinder, die auf Grund der sozialen Stellung ihrer Eltern ins Hintertreffen geraten könnten, wenn es um Bildungs- und Aufstiegschancen geht, werden teilweise von der frühkindlichen Förderung abgehalten - weil für Vater und Mutter das Betreuungsgeld die bessere Alternative ist. Ein bisschen muss man sich auf die Lippe beißen, um nicht schadenfroh zu rufen: haha, CSU!
Für eine Wahlfreiheit braucht es das Betreuungsgeld nicht
Es war eine Leistung, die ohne Rücksicht auf Verluste durchgedrückt wurde. Anstatt sich Gedanken über ein ganzheitliches Angebot für junge Familien zu machen, hat die CSU sich am Betreuungsgeld festgebissen. Erst wurden die Gegner in den eigenen Reihen auf Linie gebracht - dann wurde die FDP solange bearbeitet, bis sie in einer Novembernacht 2012 die Abschaffung der Praxisgebühr gegen das Betreuungsgeld tauschte. Das Betreuungsgeld musste kommen und es kam. Natürlich soll der Staat nicht vorschreiben, wie und wo jemand sein noch nicht schulpflichtiges Kind zu erziehen hat. Und natürlich kann man hier nicht pauschal urteilen. Kinder deren Eltern Hauptschulabschluss haben, geht es nicht automatisch schlechter.
Nur wenn sie früher mit Kindern aller Schichten lernen, sind ihre Chancen vielleicht später insgesamt besser beziehungsweise genauso gut wie die von Kindern aus Akademiker-Familien. Denn machen wir uns nichts vor: Es gibt in Deutschland leider noch keine Chancengleichheit. Zudem: um bei der Kinderbetreuung eine Wahlfreiheit - die die CSU immer wieder als Argument herauskramt - zu haben, braucht es das Betreuungsgeld nicht. Denn auch wenn es diese Leistung nicht gibt, dann heißt das doch noch lange nicht, dass der Staat den Eltern die Kinder entreißt. Alle haben dann nach wie vor das Recht - und sollen es auch haben - ihre Kinder in den ersten Jahren zu Hause zu erziehen.
Deutschland fehlt eine ganzheitliche Familienpolitik
Fehlende Wahlfreiheit ist es eher, dass es für diejenigen, die das nicht wollen oder können, weil sie alleinerziehend sind und arbeiten müssen, oft nicht genügend Angebote gibt. Es fehlt - und das stellte vor kurzen sogar die CDU-nahe Adenauer-Stiftung fest - in Deutschland an einer ganzheitlichen Politik, die Familien, egal wie sie aussehen, fördert. Schlimm ist außerdem: Auch von der Studie lässt sich die CSU nicht beeindrucken. Traurig, dass bei den Christsozialen nicht mal ein Fünkchen nachgedacht wird, ob es sich da vielleicht um eine Fehlentscheidung gehandelt haben könnte. Eine CSU scheitere nicht, äußerte sich Seehofer jüngst in einem Interview.
Damit sind Fehler einfach mal ausgeschlossen. Natürlich geht es da auch ein Stück weit um die Angst vor der Bedeutungslosigkeit in Berlin. Die CSU sieht sich offenbar gezwungen, eigene Akzente zu setzen, um zu beweisen: Die CSU braucht es in Berlin. Dafür ist das Betreuungsgeld nur ein Beispiel. Auch die PKW-Maut gehört dazu. Alles sind Mia san Mia-Projekte - für die die CSU aber auch ganz alleine grade stehen muss, wenn sie scheitern.
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