Betreutes Wohnen für die "Luftratten"

Von Katja Huber · 07.05.2012
Rund 40.000 Tauben leben in der bayerischen Landeshauptstadt - und sie produzieren 100 Tonnen Kot im Jahr. Was tun? In München hat man eine originelle Methode gefunden, wie sich das Federvieh-Problem eindämmen lässt.
Luftige Höhen, Sonnenschein und ein atemberaubender Panoramablick auf die Alpen und das schöne München. Sollte sich die Hypovereinsbank jemals dazu entschließen, auf dem Flachdach ihres Hochhauses ein Ausflugsrestaurant zu eröffnen - die Touristenströme wären garantiert. Doch nicht Menschen werden in München derzeit mit großem Aufwand in 80 Meter Höhe gelockt, sondern Stadttauben. Im April 2011 wurde ihr Domizil eröffnet, eine grau gestrichene Holzhütte mit Ein- und Ausflugsöffnung und einer Tür für den Taubenwart. Wolfgang Schreyer beeilt sich, die Futtertröge zu füllen, solange die Tauben ausgeflogen sind, zumindest die, die schon fliegen können.

"Da in den Nestern sind Junge drin. Die sind jetzt ungefähr drei Tage alt und sind drei Zentimeter groß."

Für Tauben, das macht Taubenwart Wolfgang Schreyer schnell klar, gilt die Regel "Don't shit where you eat" nicht. Sie essen, koten und brüten an ein und derselben Stelle. 40.000 Tauben leben in München, produzieren an die 100 Tonnen Trocken-Kot im Jahr. Durch das regelmäßige Futterangebot bleiben die Tiere weg von der Straße. Jedenfalls die 40, die jetzt hier auf dem Dach wohnen. Schreyers Aufgabe ist es, den Taubenschlag von Kot zu säubern, zweimal in der Woche frisches Futter und Wasser hinzustellen – und: aktive Familienplanung.

"Alles Kot, was sie hier sehen, wäre normalerweise irgendwo draußen an den Häusern. Man konzentriert Tauben hier aufs Haus, um 70 bis 80 Prozent des Kotes im Haus zu haben. Durch dieses tolle Futter, das den Tauben angeboten wird, ist der Kot lang nicht so aggressiv wie bei Stadttauben, die mit Pizzastücken und einem schlechten Futter gefüttert werden. A Taube ist von Haus aus Vegetarier, ein Körnerfresser. Nur die Stadttaube in ihrer Verzweiflung frisst alles."

Schau die Sonne ist warm
und die Lüfte sind lau,
gemma Tauberln vergiften in´n Park


Der österreichische Liedermacher Georg Kreisler hat sie bereits in den 50er-Jahren erkannt, die Stadttaubenproblematik. In Paris wurden die Tauben in den 60er-Jahren von den Champs Elysees in die Wälder von Biarritz und Bordeaux verfrachtet. In Aachen wurden sie mit Äther eingeschläfert, in München mit Netzen eingefangen und geschlachtet.

Seit Tierschutzverbände Alarm schlugen, wird zunehmend auf humane Taubenvergrämung gesetzt. Verdrahten, verstacheln, vernetzten lautet jetzt die Devise. Ziemlicher Blödsinn, meint Taubenwart Wolfgang Schreyer: Eine Taube, die an einem Ort nicht erwünscht ist, sucht sich einen anderen.

"Da sehe ich als Alternative diese Taubenschläge, wo ich gezielt reduzieren kann über das Wegnehmen der Eier. Wenn die ersten Jungen raus sind, werden die nächsten Eier durch Gips ersetzt."

Ein bisschen Nachwuchs muss sein, damit die Vögel den Ort als erfolgreichen Brutplatz annehmen. So werden die Schwärme langfristig kleiner. Protest kommt trotzdem, von der Taubenfüttererlobby.

" ... diese sogenannten 'Stadtmutterl', die die Tiere füttern - man verniedlicht das. Das sind zum Teil derart aggressive Damen, das ganz aus ist. Hier mit diesen zu diskutieren, das habe ich schon lang aufgegeben. Ich denke aber, das ist auch Aufgabe des Tierschutzvereins, dass man diese Damen vernünftig anredet und sagt, hier gibt's Taubenhäuser, da werden Tauben nicht getötet, sondern vernünftig gemanagt, hört also mit Eurer Fütterei auf."

Da fliegen sie wieder!
Die Große Vogelschau im Deutschlandradio Kultur vom 7.-12. Mai