Besuch von Barack Obama

Kubas Weg in eine ungewisse Zukunft

Ein altes kubanisches Taxi mit einer aufgesteckten USA-Fahne.
Ein altes kubanisches Taxi mit einer aufgesteckten USA-Fahne. © picture alliance / dpa / Rolando Pujol
Von Holger Heimann · 20.03.2016
Annäherung an die USA: Der Wandel hat Kuba schon vor dem historischen Besuch von Barack Obama erfasst. Doch wohin wird er das Land führen? Viele Menschen schauen hoffnungsfroh in die Zukunft - doch es drohen auch ganz reale Gefahren.
Havannas Straßen sind dieser Tage voller Arbeiter, die damit beschäftigt sind, die löchrige Asphaltdecke zu flicken. Ein Taxifahrer erklärt lachend: "Obama soll in kein Loch fallen, deswegen wird hier gerade so viel gebaut." Die US-Amerikaner waren einmal der mit Abstand wichtigste Handelspartner, doch nach der kubanischen Revolution wurden die beiden so ungleichen Länder zu erbitterten Gegnern. Allmählich versuchen sie nun ihre Beziehungen zu normalisieren. Obwohl das Wirtschaftsembargo noch immer in Kraft ist, werden längst Geschäftskontakte angebahnt. Viele Kubaner versprechen sich so endlich den ersehnten wirtschaftlichen Aufschwung. Doch es gibt auch kritische Stimmen. Der Übersetzer Orestes Sandoval, der über Heiner Müller promoviert und den Dramatiker ins Spanische gebracht hat, warnt vor zu großen Erwartungen:
"Auf die Amerikaner ist kein Verlass, die wollen einfach nur Geld machen und benehmen sich, als wären sie die Herrscher, die Besitzer der Welt. Sie scheren sich einen Dreck um Menschenrechte. Das ist blabla."
Orestes Sandoval ist nicht der einzige, der befürchtet, dass Kuba vom US-amerikanischen Kapital überrollt wird. Niemand auf der Karibikinsel will, dass das Land, auf dessen Unabhängigkeit die Menschen so stolz sind, bloß zu einem Anhängsel der USA mutiert. Doch so weit ist es ohnehin längst nicht. Vorerst sind es lediglich die Touristen, die auf die Insel strömen. Einige wollen noch einen Blick erhaschen auf das alte Kuba, viele auch nur in auf Hochglanz polierten alten Straßenkreuzern durch Havanna chauffiert werden. Die Kubaner, die im Tourismusgeschäft engagiert sind, profitieren von den Besuchern. Sie werden in der begehrten Parallelwährung CUC entlohnt – und dafür kann man auf der Karibikinsel alles kaufen.

Der kubanischen Gesellschaft droht die Spaltung

Doch ein großer Teil der Bevölkerung geht bisher leer aus, der Wandel findet ohne sie statt. Der kubanischen Gesellschaft droht die Spaltung: Ein Lehrer oder Arzt verdient im Monat so viel wie mancher Taxi-Chauffeur an einem Tag. Viele Familien müssen sich mit dem begnügen, was auf den monatlichen Lebensmittelkarten steht: drei Kilo Reis, sechs Eier, Zucker, schwarze Bohnen, ein Dreiviertelhuhn. Wohl auch deswegen, so mutmaßt der Schriftsteller Ahmel Echevaria, nimmt die Zahl derer, die dem Land den Rücken kehren, nicht ab:
"Die kubanische Bevölkerung hat beschlossen, ihr Schicksal in die eigenen Hände zu nehmen und nicht mehr darauf zu warten, ob die Regierung etwas unternimmt und sich die Situation im Land bessert. Deswegen sind mehrere tausend Kubaner in Costa Rica, von wo aus sie versuchen, weiter in die USA zu kommen. In Kuba ist es schwierig, ja nahezu unmöglich, ein Gehalt zu verdienen, von dem sich gut leben lässt. Zu den Menschen, die sich auf den Weg gemacht haben, gehören Ingenieure, Ärzte – sie haben alles verkauft."

Die Reisefreiheit ist eine der größten Veränderungen

Es ist deutlich leichter geworden für Kubaner, ihr Land zu verlassen. Die Reisefreiheit ist eine der entscheidenden Veränderungen zu früheren, restriktiven Zeiten. Auch privates Unternehmertum ist nicht mehr verpönt. Der Wandel ist real und sichtbar in Kuba. Doch wohin führt er? Werden auch künftig alle oder weiter bloß einige profitieren? Niemand weiß es. "Wenn wir uns nicht ändern, gehen wir unter", hat der Staatschef Raul Castro postuliert. Zugleich aber bemüht sich die kommunistische Partei verzweifelt darum, die Zügel in der Hand zu behalten. Auch der bekannteste Schriftsteller des Inselstaates, Leonardo Padura, der in seinen Büchern die Realität des kubanischen Lebens so genau wie keiner sonst nachgezeichnet hat, hält sich mit Prognosen lieber zurück:
"Es ist wie ein Kartenspiel – in diesem Spiel haben wir wenige Karten in der Hand. Wir können keinen strategischen Zug machen, denn wir wissen nicht einmal, welche Karten bereits offen liegen und was noch passieren wird. Was mir daher bleibt, sind nur die Wünsche. Und ich wünsche mir eine bessere Zukunft für die Kubaner. Denn die letzten 25 Jahre waren sehr schwierig. Einige Menschen haben das Land verlassen, andere mussten eine andere Arbeit annehmen. Ich glaube, dass es all diese Menschen verdienen, eine bessere Zukunft zu haben."
Die Kubaner sind Artisten der Improvisation – notgedrungen. Viele gehen mehreren Jobs gleichzeitig nach, um ihren Lebensunterhalt zu sichern. Nicht von ungefähr heißt es, die Kubaner hätten für alles eine Lösung. Ihr Einfallsreichtum mag tatsächlich grenzenlos sein, ihre Geduld mit der kommunistischen Regierung ist es sicher nicht.
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