Besondere Spannung in Rheinland-Pfalz

Der Wahlsonntag in drei Ländern

Eine Frau steckt am 13.03.2016 in einem Wahllokal in Ludwigsburg (Baden-Württemberg) ihren Stimmzettel für die Landtagswahl in Baden-Württemberg in eine Wahlurne
Ein Wahllokal in Ludwigsburg © dpa/ picture-alliance / Thomas Kienzle
Von Barbara Roth, Christoph Richter und Anke Petermann · 13.03.2016
Die Wahllokale in Baden-Württemberg, Rheinland-Pfalz und Sachsen-Anhalt haben seit Sonntagmorgen geöffnet. Abseits der Rivalität zwischen den etablierten Parteien geht es um die Frage: Wie viel Prozent wird die AfD erreichen?
In Baden-Württemberg steht ein spannender Wahlabend bevor. Die Grünen könnten zum ersten Mal überhaupt stärkste Kraft in einem Landesparlament werden. Zu verdanken haben sie das ihrem Ministerpräsidenten Winfried Kretschmann, dessen Beliebtheitswerte kaum zu steigern sind.

Baden-Württemberg: Der prophezeite Absturz der SPD

Ob es allerdings zur Fortsetzung der grün-roten Koalition reichen wird, ist fraglich: Denn die SPD ist in den Umfragen abgestürzt. Spitzenkandidat Nils Schmid:
"Und wenn man die letzten Umfragen nimmt, dann wird das nur gelingen, wenn die SPD ein paar Schippen drauf legt."
Nils Schmid
Nils Schmid, SPD-Spitzenkandidat für die baden-württembergische Landtagswahl, auf Wahlkampftour.© picture alliance / dpa / Foto: Uli Deck
Falls Grün-Rot keine Mehrheit hat, wird die Regierungsbildung etwas komplizierter werden. Die Grünen werden dann versuchen, eine Ampelkoalition mit SPD und FDP zu bilden. Der Liberale Hans-Ulrich Rülke will aber nicht:
"Wenn es keinen Politikwechsel gibt, dann stehen wir auch für eine Koalition nicht zur Verfügung."
Für die Deutschlandkoalition aber sehr wohl – also für ein schwarz-rot-gelbes Konstrukt – unter Führung der CDU. Doch auch für die Christdemokraten könnte der Wahltag ein Desaster werden: Absturz unter die 30-Prozent-Marke. Was schon jetzt dem farblosen Spitzenkandidaten Guido Wolf angelastet wird.
"Wir kämpfen, dass wir als stärkste politische Kraft am Ende des Wahltages da stehen, dass gegen uns nicht regiert werden kann."
Dass Wolf in der Flüchtlingskrise nicht uneingeschränkt zu Merkel stand, gilt als Fehler. Denn wer gegen Merkels Flüchtlingspolitik ist, wählt wohl sowieso die Rechtspopulisten von der AfD – die den Umfragen nach mit einem wahrscheinlich zweistelligen Ergebnis in den Landtag einziehen werden. Der Grund, warum der Wahltag mit einer bundesdeutschen Premiere enden könnte - einer grün-schwarze Koalition unter der Führung des Grünen Winfried Kretschmann:
"Sollen wir die Menschen solange wählen lassen, bis uns das gefällt? Das geht ja wohl nicht. Irgendjemand muss das Land ja regieren."

Sachsen-Anhalt: Arbeitslosigkeit nicht im Fokus

In Sachsen-Anhalt waren die Wahlkämpfer noch bis in den gestrigen späten Abend unterwegs. Ein Ausdruck dafür, dass es keine Wahl wie jede andere ist. Nicht die Landesthemen - wie etwa der Konsolidierungskurs, die stagnierende Wirtschaft, die fehlenden Lehrer und Polizisten - haben den Wahlkampf geprägt, sondern das Flüchtlingsthema. Unüblich für Sachsen-Anhalt, so der Magdeburger Politikwissenschaftler Roger Stöcker:
"Sachsen-Anhalt hatte immer das all überlagernde Thema Arbeitslosigkeit. Und jetzt haben wir seit 1994 mal wieder ein anderes Thema, das ganz oben auf der Agenda steht, das sind die Flüchtlinge."
Ein Thema zwischen Arendsee und Zeitz ist schon immer die höchst schwankende Wahlbeteiligung. 1998 war sie in Sachsen-Anhalt mit 71,5 Prozent am höchsten, während 2006 nur 44,4 Prozent der Menschen an die Wahlurnen gingen. Dieses Jahr haben 100.000 Wähler bereits per Briefwahl gewählt. Für Meinungsforscher ein Indiz dafür, das heute mit einer hohe Wahlbeteiligung zu rechnen ist.
Für die kleinen Parteien, wie die FDP oder Bündnis 90/Die Grünen eher ein Problem, weil es für sie so schwerer wird in den Landtag einzuziehen. Während die Liberalen nach 2011 zurück in den Landtag wollen, bangen die Grünen um den Wiedereinzug. Ein bundesweites Rekord-Ergebnis wird in Sachsen-Anhalt für die AfD erwartet, die Alternative für Deutschland, die mit ihrem Spitzenkandidat André Poggenburg das erste Mal in den Magdeburger Landtag einziehen will.
Zwei Menschen gehen in Merseburg in Sachsen-Anhalt an einem Wahlplakat der Alternative für Deutschland vorbei
Ein Wahlplakat der Alternative für Deutschland (AfD) für die Landtagswahl in Sachsen-Anhalt© imago stock and people
Insgesamt zur Wahl stehen 15 Parteien. Weil die Wählerbindung in Sachsen-Anhalt aber schwach ausgebildet ist, wird es bis zum Ende spannend bleiben, wer letztlich eine Regierung bilden kann. Knapp die Hälfte der Wahlberechtigten sagt, dass sie sich erst im letzten Augenblick, also direkt in der Wahlkabine entscheiden.
Ob es letztlich für eine Fortführung der Großen Koalition unter Führung des CDU-Ministerpräsidenten Reiner Haseloff reicht, ist ungewiss. Weshalb Parteistrategen bereits diverse Koalitionsoptionen durchspielen. Von einer Kenia-Koalition ist die Rede, ein Bündnis aus Schwarz-Rot-Grün. Aber auch eine Deutschland-Koalition – schwarz-rot-gelb, ja auch ein rot-rot-grünes Bündnis wie in Thüringen scheint möglich. Höchst unwahrscheinlich ist dagegen die sogenannte wirklich Große Koalition aus Christdemokraten und den Genossen von der Linkspartei, auch eine Koalition von CDU und AfD ist ausgeschlossen, so die Einschätzung des Magdeburger Politik-Wissenschaftler Roger Stöcker.
"Sachsen-Anhalt ist politisch gesehen, immer so ein kleines Zukunftslabor gewesen. Und auch diese Wahl könnte wieder zu einem Experiment werden."
Denn ein längst vergessenes Politik-Szenario, das "Magdeburger Modell" ist im Gespräch, wenn es nämlich nicht zu einer Großen Koalition reicht. Gemeint ist die Tolerierung einer Minderheitsregierung von CDU und SPD, durch die Linkspartei. Also, es gibt viele Fragezeichen. Das Politiklabor Magdeburg, vielleicht macht es heute wieder von sich reden.

Rheinland-Pfalz: Kopf-an-Kopf-Rennen

In Rheinland-Pfalz mit drei Millionen Wahlberechtigten ist so gut wie sicher, dass die rot-grüne Koalition die Mehrheit verliert. Zwischen der SPD, mit Ministerpräsidentin Malu Dreyer an der Spitze, und der CDU mit der Herausforderin Julia Klöckner zeichnet sich ein Kopf-an-Kopf-Rennen ab.
Jochen Bülow (Die Linke), Eveline Lemke (Bündnis 90/Die Grünen), Roger Lewentz (SPD), Julia Klöckner (CDU), Volker Wissing (FDP) und Uwe Junge (AfD) stehen vor der SWR-Live-Sendung "Die Wahl bei uns: Parteien im Endspurt" am 10.03.2016 in Mainz (Rheinland-Pfalz) im Fernsehstudio.
Beim TV-Duell war Malu Dreyer nicht dabei, sondern: Jochen Bülow (Die Linke), Eveline Lemke (Bündnis 90/Die Grünen), Roger Lewentz (SPD), Julia Klöckner (CDU), Volker Wissing (FDP) und Uwe Junge (AfD)© picture alliance / dpa - Andreas Arnold
Mit leichtem Vorteil für die Sozialdemokraten, die im vergangenen Vierteljahr unvorhergesehen stark aufgeholt hatten. Der Wahlkampf zog sich bis gestern Abend in die Kneipen, selbst heute Morgen forderten die Spitzenkandidatinnen in den sozialen Netzwerken noch auf, wählen zu gehen. Viele Rheinland-Pfälzer schätzen an diesem Wahlkampf,
"dass man doch sehr fair und trotz aller Gegensätze sehr freundlich miteinander umgegangen ist. Das finde ich sehr gut."
"Das war, glaube ich auch ganz angenehm, ich hoffe, dass sich das auch in der Wahlbeteiligung niederschlägt, würde uns ja alle freuen."
"So eng wie die Verhältnisse sind, muss hinterher ja auch noch jeder mit jedem können."
"Es ist ja möglich, dass wir bis zu sechs Parteien im Parlament haben, es ist auch möglich, dass nur drei drin sind."
"Wackelkandidaten sind vor allem die Linkspartei, aber auch die Grünen, die zuletzt bei unter sechs Prozent lagen."
"Viele Leute wollen eben sichergehen, dass Malu Dreyer Ministerpräsidentin bleibt. Und da gab's dann auch medial diese Zuspitzung zwischen Klöckner und Dreyer, und dann wählen viele rot-grüne Wechselwähler, glaube ich, die SPD."
So ein Erklärungsversuch. Die Liberalen kamen seit Jahresanfang in allen Umfragen über fünf Prozent und sind zuversichtlich, in den Mainzer Landtag einzuziehen. Die rechtspopulistische AfD kann auf ein zweistelliges Ergebnis hoffen und sorgt neben den Liberalen vermutlich für Aderlass bei der CDU. Mag sein, dass am Ende nur die Große Koalition geht oder komplizierte Dreierbündnisse auszuhandeln sind. Die AfD wird jedoch von niemandem ins Boot geholt. Beide Kirchen riefen dazu auf, keine fremdenfeindlichen Partei zu wählen.

Programmtipp: Mehr zu den Landtagswahlen in Baden-Württemberg, Rheinland-Pfalz und Sachsen-Anhalt hören Sie in der Sendung "Studio 9" ab 17:05 Uhr und in unseren Sondersendungen ab 17:55 Uhr.

Mehr zum Thema