Berufswunsch Schmuggler

Von Martin Polansky · 09.12.2010
In Mexiko überschattet der Drogenkrieg in einigen Regionen des Landes inzwischen die gesamte Gesellschaft. Die Drogenkartelle entwickeln sich zum wichtigsten Arbeitgeber für Jugendliche. Reguläre Jobs gibt es nur wenige, das sorgt für ständigen Nachschub im brutalen Drogenkrieg.
Die Jobangebote klingen verlockend: Viel Geld in kurzer Zeit, schnelle Einarbeitung – dazu noch eine Waffe zum Selbstschutz. So zynisch es klingt – für viele Jugendliche im Norden Mexikos bietet die Arbeit für die Drogenkartele scheinbar mehr Perspektive als ein Job als Straßenverkäufer oder in einer Fabrik zum Mindestlohn. Nach Angaben der katholischen Kirche Mexikos sind die Drogenkartelle in einigen Regionen des Landes inzwischen der wichtigste Arbeitgeber für Jugendliche.

Diesen Eindruck haben auch Laurencio Barraza und Andrea Baltazar, Mitglieder einer Nachbarschaftsvereinigung in Ciudad Juárez:

"Wenn man Kinder fragt was sie mal werden wollen, sagen sie "Sicarios, (Auftragsmörder), denn die sind stark und haben eine Waffe, mit der sie töten können". "

" "Viele haben keinen Job oder gehen auch nicht in der Schule. Die sagen ihnen "ich geb dir 1000 Pesos und Du bringst jemanden um die Ecke". Die Situation ist schwierig und viele schließen sich Jugendbanden an."

Die Anwerbung funktioniert in einem Land, in dem die Mehrheit der Jugendlichen keinen Job hat. Sie arbeiten als Dealer oder Drogenkuriere, einmal damit anfangen hängt man drin im Netz der Kartelle.
Kinder und Jugendliche werden auch immer öfter zu Opfern der Gewalt. Eine genaue Statistik über die Zahl der ermordeten Heranwachsenden gibt es nicht. Mexikanische Medien sprechen von mehr als 1300 in den letzten zehn Jahren. Junge Leute, die bei Schießereien zwischen Sicherheitskräften und der Drogenmafia umkommen oder in die Schusslinien der Kartelle geraten. Am erschreckendsten war das Massaker auf einer Schulfeier Anfang des Jahres in Ciudad Juárez, wo 17 Jugendliche umkamen. Angst geht um auf den Straßen der Grenzstädte zu den USA. Pepe musste miterleben, wie vier Jugendliche ermordet wurden:

"Sie hielten an und begannen auf die Jungs zu schießen, die da drüben an der Schule standen. Einer versuchte noch wegzulaufen, aber auch ihn erschossen sie. Und dann sind sie in aller Ruhe wegfahren. Es war so schlimm wie sie am Boden lagen, überall war Blut. Man muss hier wirklich aufpassen und sich aus allem raus halten."

Offiziell herrscht Frieden, aber die Jugendlichen wachsen auf in einem Kriegsgebiet:

"Alles ist anders. Früher waren wir draußen oder im Park mit unserer Familie. Aber jetzt bleiben wir zu Hause."

"Es sind wirklich böse Leute, die nur Unschuldige umbringen."

"Wir haben Tote, Sterbende gesehen und ständig erschrecken uns die Schießereien."

Die mexikanische Regierung hat vor allem eine Antwort parat: Einsatz von Polizei und Militär. 50.000 Soldaten versuchen für Sicherheit zu sorgen – bisher ohne spürbaren Erfolg. Für viele Familien im Norden klingen die Reden von Präsident Felipe Calderon nur noch leer:

"Wir werden weiter arbeiten, bis wir den Familien Sicherheit und Ruhe gewährleisten können. Für sie werden wir entschieden gegen das organisierte Verbrechen vorgehen, unter dem unsere Gesellschaft, unsere Gemeinschaft leidet."

Der Drogenkrieg in Mexiko rekrutiert sich immer neu aus Armut und Chancenlosigkeit. Solange sich daran nichts ändert, haben die Drogenkartelle leichtes Spiel. Das schnelle Geld und dazu eine Waffe: Viele junge Mexikaner lassen sich darauf ein – auch wenn sie für diesen Job am Ende mit ihrem Leben bezahlen.
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