Bernhard Vogel kritisiert die FDP

20.02.2012
Wegen ihres schnellen und eindeutigen Votums für Joachim Gauck als Bundespräsidenten hat Bernhard Vogel, ehemals Ministerpräsident von Rheinland-Pfalz und Thüringen, die FDP scharf kritisiert. Das Verhalten der Freidemokraten in dieser Sache sei nur "sehr schwer zu verstehen".
Jan-Christoph Kitzler: Joachim Gauck wird neuer Bundespräsident, wer hätte das gedacht? Bei der letzten Bundesversammlung im Juni 2010 wollten CDU, CSU und FDP Joachim Gauck noch unbedingt verhindern, er war ja der Kandidat von der SPD und von den Grünen. Und gestern Abend saßen dann da gleich sechs Parteichefs aller Parteien im Bundestag, außer der Linken, und lobten Joachim Gauck.

Vor allem für die Kanzlerin war das kein leichter Gang. Wie man hört, hat sie bis zum Schluss noch versucht, Joachim Gauck irgendwie zu umgehen. Darüber spreche ich jetzt mit dem altgedienten CDU-Politiker Bernhard Vogel, er war unter anderem Ministerpräsident von Rheinland-Pfalz und von Thüringen. Einen schönen guten Morgen, Herr Vogel!

Bernhard Vogel: Guten Morgen, Herr Kitzler!

Kitzler: Was hat denn der Kanzlerin mehr geschadet – dass Christian Wulff, ihr Kandidat, am Ende gescheitert ist oder dass sie jetzt auch noch Joachim Gauck schlucken muss?

Vogel: Meines Erachtens hat ihr am meisten genützt, dass sie uns eine Zerreißprobe erspart hat und ihrem Vorschlag, einen Konsenskandidaten zu finden, zum Erfolg verholfen hat, wenn auch, indem sie selbst dafür ein Opfer bringen musste.

Kitzler: Aber die FDP hat der Kanzlerin gestern die Pistole auf die Brust gesetzt, wenn man es so sagen darf, sie hat sich klar und früh für Joachim Gauck stark gemacht. Wie groß ist denn der Knacks, den Schwarz-Gelb jetzt dadurch bekommen hat?

Vogel: Also das Verhalten der FDP ist nicht, weil sie für Herrn Gauck war, aber weil sie ihre Koalitionsverpflichtungen verletzt hat, nur sehr schwer zu verstehen und wird natürlich noch Diskussionen auslösen.

Kitzler: Sie haben gesagt, die Kanzlerin hat uns eine Zerreißprobe erspart, jetzt gibt es eine Einigung, aber hat die Kanzlerin uns nicht unnötig unter Druck gesetzt, indem sie eine schnelle Entscheidung wollte? Hätte man das Ganze nicht auch etwas langsamer angehen können?

Vogel: Das hätte man, aber das musste man nicht, denn es hat sich ja gestern sehr deutlich abgezeichnet, dass es eine Mehrheit für Herrn Gauck gibt nach der Beschlussfassung der FDP. Und jetzt war nur noch die Frage, ob Frau Merkel die von ihr gewünschte Gemeinsamkeit mitträgt oder nicht. Insofern noch einmal: Sie hat uns eine Zerreißprobe erspart.

Kitzler: Wie beurteilen Sie denn eigentlich den Findungsprozess? Da hieß es ja immer, wir wollen einen Präsidenten auf breiter Basis, und am Ende hat man den zwar, aber es wirkt doch wieder so ein bisschen wie Parteiengeklüngel, wie eine Entscheidung von wenigen, bei der es nicht nur um den bestmöglichen Kandidaten, die bestmögliche Kandidatin geht, sondern natürlich auch um Machtfragen. Geht es wirklich nicht anders?

Vogel: Man kann gelegentlich nicht jeder Kritik ausweichen. Hätten die verantwortlichen Parteiführer sich nicht zusammengesetzt und nicht rasch eine Entscheidung herbeigeführt, hätte man sie mindestens so heftig kritisiert, wie man sie jetzt kritisiert, dass sie das getan haben. Nein, mich hat in dem Prozess nur gestört, dass gelegentlich der Eindruck entstanden ist, es gäbe in der Bundesrepublik nur einen geeigneten Kandidaten. Für mich gab es eine ganze Reihe, ich hätte mir beispielsweise Klaus Töpfer oder die Frankfurter Oberbürgermeisterin Roth vorstellen können. Nichts gegen Gauck, aber er ist nicht der Einzige, der infrage gekommen ist.

Kitzler: Von Christian Wulff heißt es nun, er habe dem Amt geschadet – nicht nur mit den Vorwürfen, denen er ausgesetzt ist, sondern auch durch die Art, wie er damit umgegangen ist. Wie sehen Sie das denn im Rückblick?

Vogel: Also leider hat er sich geschadet, das bedauere ich. Ich glaube nicht, dass er auf Dauer dem Amt geschadet hat, im Gegenteil. Das ist jetzt keine Krise gewesen des Staates oder der Demokratie, es ist eine Bewährungsprobe gewesen, aber es zeichnet sich ab, dass wir die bestehen.

Kitzler: Kann man den Bundespräsidenten wirklich nicht anders finden als durch solche Klüngeleien, Gespräche von wenigen?

Vogel: Es ist keine Klüngelei, wenn vom Volk gewählte, demokratisch ausgewiesene Repräsentanten ihrer Aufgabe nachkommen, und es hat sich ja gezeigt, dass wir über Jahrzehnte mit diesem Auswahlverfahren sehr gut gefahren sind. Die ganze Welt hat uns darum beneidet. Dass es jetzt auch ein-, zweimal Schwierigkeiten gibt, muss man in einer Demokratie durchstehen, aber deswegen braucht man doch nicht gleich das ganze Verfahren ändern.

Kitzler: Stimmt es vielleicht auch, dass das Amt am Ende gar nicht beschädigt ist, sobald es wieder einer innehat, der es gut ausfüllt? Mit anderen Worten: Ist Joachim Gauck jetzt der Richtige, um die Wunden zu heilen?

Vogel: Also ich wiederhole, das ist keine Krise des Staates oder eine Krise des Amtes, sondern es ist eine Stunde einer Bewährungsprobe des Funktionierens unserer demokratischen Institutionen und Organe. Und die haben, glaube ich, bewiesen, dass sie ihrer Aufgabe gerecht werden können. Ja, Punkt.

Kitzler: Noch mal: Kann Joachim Gauck dem Amt die Würde zurückgeben?

Vogel: Ich glaube, dass Joachim Gauck alle Fähigkeiten hat, ein guter Bundespräsident zu werden, und für mich spielt dabei auch eine Rolle – das hätte ich nicht für möglich gehalten –, dass gut 20 Jahre nach der Wiedervereinigung Bundeskanzler und Bundespräsident eine Biografie aus DDR-Zeiten haben.

Kitzler: Sigmar Gabriel hat gestern bei der Pressekonferenz mit allen sechs Parteichefs gesagt, Ende gut, alles gut – hat er damit recht?

Vogel: Ich würde zu Frau Merkel sagen, der Klügere gibt nach, und deswegen hat auch Herr Gabriel recht.

Kitzler: Was bleibt denn für Frau Merkel am Ende, dass sie doch klug die Kurve noch gekriegt hat im letzten Moment oder ...

Vogel: Dass sie klugerweise fünf Minuten nach dem Rücktritt vorgeschlagen hat, einen Konsenskandidaten zu suchen.

Kitzler: Und der Konsenskandidat ist gefunden, Ende März wird die Bundesversammlung Joachim Gauck wählen. Das war der CDU-Politiker Bernhard Vogel. Früher war er Ministerpräsident unter anderem von Rheinland-Pfalz und von Thüringen. Haben Sie vielen Dank und einen schönen Tag!

Vogel: Gerne, Ihnen alles Gute, Herr Kitzler!

Kitzler: Danke schön!

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