Bernhard Pörksen

Mit der "redaktionellen Gesellschaft" gegen Hass im Netz

Facebook-Symbole wie die Abkürzung 'f' und der gesenkte Daumen für "dislike" auf blauem Grund und darüber steht Hass gesprüht, wobei der Buchstabe 'a' in Hass aus dem At-Zeichen besteht.
Facebook steht besonders im Zentrum der Debatten um Hass-Kommentare im Netz. © Imago / Ralph Peters
Bernhard Pörksen im Gespräch mit Timo Grampes  · 28.12.2015
Ungehemmte Aggressionen machen sich in den sozialen Netzwerken breit. Was lässt sich dagegen tun? Der Medienwissenschaftler Bernhard Pörksen hofft auf einen Wandel zur "redaktionellen Gesellschaft". Hier erklärt er, was er damit meint.
"Hate speech" wird gemeinhin als Hassrede im Sinne gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit und Volksverhetzung verstanden, die von Nutzern im Internet gepostet wird. Vor allem beim Thema Flüchtlinge verschärfte sich noch einmal der Ton, sodass einzelne Medien wie Spiegel Online ihre Kommentarfunktion bei solchen Artikeln abstellten.
Plattformen für ungehemmte Aggression
"Wir haben ganz klar gesehen, es hat eine extreme Dimension bekommen", sagte Bernhard Pörksen, Medienwissenschaftler an der Universität Tübingen im Deutschlandradio Kultur. "Wir haben sehr viele Plattformen gehabt, die einzelne fatale Kommentare, Attacken, ungehemmte Aggression dokumentiert und gesammelt haben." Politiker hätten dazu aufgerufen, diese Form der Hassrede einzudämmen. "Man sieht, dass die sogenannten sozialen Netzwerke – und das ist in diesem Jahr in besonderer Weise in den Fokus gerückt – auch Plattformen zum Austausch von ungehemmter Aggression waren." Pörksen kritisierte die gleichgültige Haltung der Facebook-Manager gegenüber der Hetze.
Mehr Sensibilität in der Bevölkerung
Er sprach aber auch davon, dass innerhalb der Gesellschaft die Sensibilisierung für dieses Phänomen gewachsen sei. Eine aktuelle Umfrage zeige, dass 77 Prozent der Bürger einen starken Anstieg von Hetze im Netz festgestellt hätten.
Digitaler Bildungsauftrag
Der Medienwissenschaftler sprach von der Vision einer "redaktionellen Gesellschaft", in der jedermann Journalist sei. "Darin steckt ein noch unentzifferter, unverstandener Bildungsauftrag, wie kommt man eigentlich von der digitalen Gesellschaft zur redaktionellen Gesellschaft", sagte Pörksen. Darin stelle sich jeder Fragen, die sich früher nur Journalisten gestellt hätten: "Was ist relevante, glaubwürdige, publikationsreife Information?" oder "Was verdient es, öffentlich gemacht zu werden oder was sollte lieber nicht öffentlich werden?" Solche Fragen sollte sich heute jeder stellen, sagte der Medienexperte.
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