Bernadette Knollers Film "Ferien"

Burnout auf Borkum

Die Luftaufnahme vom 22.07.2013 zeigt mit Borkum (Niedersachsen) die größte der ostfriesischen Inseln im Nationalpark Niedersächsisches Wattenmeer. Foto: Ingo Wagner/dpa | Verwendung weltweit
Borkum - die Nordseeinsel ist Drehort gewesen für die Komödie "Ferien". © dpa
Moderation: Patrick Wellinski · 02.07.2016
Mit ihrem Debüt "Ferien" setzt die Regisseurin Bernadette Knoller eine Familientradition fort. Die Tochter von Detlef Buck erzählt in dem Film auf witzige Weise von einer jungen Frau, die sich auf der Nordseeinsel Borkum erholen soll. Herausgekommen ist eine Komödie über Burnout.
Patrick Wellinski: Wir alle brauchen hin und wieder Ferien, um etwas Luft rauszulassen, um wieder die Batterien aufzuladen. Aber keiner braucht eine Auszeit so dringend wie die junge Staatsanwältin Vivi in dem Spielfilmdebüt von Bernadette Knoller, der Tochter von Detlef Buck. Vivi dreht durch. Will bei ihren Eltern wieder einziehen. Burn-Out. Doch die Eltern bringen die junge Frau auf eine Nordseeinsel, wo sie zur Ruhe kommen soll. Das geht natürlich alles schief. Selbst ihr Freund kommt sie besuchen und macht mit ihr Schluss.
Ein Ausschnitt aus der deutschen Komödie "Ferien". Und ich konnte vor der Sendung mit Bernadette Knoller sprechen. Etwas aufgeregt, es war ihr erstes Radiointerview. Aber sehr aufgeweckt und glücklich, dass ihr erster Film beim Filmfest in Saarbrücken gleich mit dem Drehbuchpreis ausgezeichnet wurde. Ich wollte eingangs von ihr wissen, ob sie "Ferien" als Burnout-Komödie sieht?
Bernadette Knoller: Ich finde es immer schwierig, weil man ja so schnell immer diese Krankheitsbeschreibung Depression oder Burnout benutzt. Und eigentlich geht es schon darum, dass man auch das, was man nicht will oder was man nicht beschreiben kann, dass man diese Kraft, die einen irgendwo anders hinbringt, benutzen kann und sich so besser kennenlernen kann - oder auch andere Menschen. Ich glaube, ich mag es nicht so gern, wenn es immer gleich sagt – ja, genau, deswegen ist es eine Burnout-Komödie. Aber ja, es ist eine Burnout-Komödie.

Flucht auf eine Nordseeinsel

Wellinski: Die Ausgangslage ist ja, um es konkret zu machen, die junge Staatsanwältin Vivi kann in ihrem Berufsalltag nicht mehr funktionieren, flüchtet zu ihren Eltern und wird dann auf die Nordseeinsel Borkum gebracht. Wie sind Sie denn überhaupt auf diese Geschichte und diese Ausgangslage gestoßen.
Knoller: Ich glaube schon, in einer Zeit von meinem Leben, wo ich gar nicht wusste irgendwie, was ich will, aber das Gefühl hatte, ich weiß irgendwie, was ich nicht will, und kann das aber nicht gut beschreiben. Aber ich sah das auch bei Freunde um mich herum. Es ist bestimmt auch eine Generationensache, weil das ein sehr privilegiertes Problem ist, überhaupt rausfinden zu dürfen, was man will oder was man nicht will. Und ich fand das aber auch lustig, weil ich viele von meinen Freunden beobachtet habe, die irgendwie auch wieder zu ihren Eltern zurückziehen mussten. Das Ganze kann aber auch als etwas Tolles sehen, weil man plötzlich eben den Luxus hat, rauszufinden, was will ich überhaupt in einer Gesellschaft, wo sich alle irgendwie viel drüber definieren, was mache ich, und bin ich glücklich damit, und finde ich meinen Weg, und man sich viel über Arbeit definiert. Und so war das dann doch ein Thema, was mich selber etwas angegangen hat, weil manchmal selber nicht wusste wohin. Ich habe an der Filmhochschule studiert. Naja und dann ging es mir auch so: Oh Gott, ich weiß nichts.

Abstecher in die Hochleistungsgesellschaft

Wellinski: Ich finde es ja interessant, weil in der Filmbeschreibung steht zum Beispiel: "Zeit: Gegenwart". Also es ist schon ein sehr gegenwärtiger Stoff, den Sie da beschreiben. Vivi ist noch ein sehr junger Mensch. Das Burnout assoziiert man in der allgemeinen Debatte eher mit älteren Menschen, die jetzt noch eine Familie irgendwie versorgen müssen, und dann landet sie dann doch bei ihren Eltern auf der Couch. Also schon eine Art Zustandsbeschreibung Ihrer Generation.
Knoller: Ja. Das Lustige ist, ich durfte mit dem Film nach Seoul reisen, nach Korea, was ja so eine Hochleistungsgesellschaft ist. Und ich habe bei einer Familie gewohnt, wo die Tochter irgendwie 13 war und abends um halb elf aus der Schule nach Hause kam von ihren Extra-Studys. Und ich fand es beeindruckend und sehr süß, als dann nach der Projektion des Films ein Mädchen, die war, glaube ich, 18 oder so, aufgestanden ist und nach dem Film gesagt: Ja, sie ist fertig mit der Schule, und alle haben so hohe Erwartungen an sie, und sie weiß aber gar nicht, sie hat sich so doll angestrengt… "Can you give me an advice".
Wellinski: Ist kein deutsches Problem. Jetzt landet Vivi bei ihren Eltern, und man könnte denken, es gibt Eltern und Eltern, das stimmt schon, die nehmen sie irgendwie auf. Aber sie kommt ja da wirklich nicht weiter. Sie landet auf der Couch, und die Eltern helfen nicht wirklich.
Knoller: Ich glaube, man kann auch wirklich nicht so gut helfen, weil das ist was, was man selber hinkriegen muss.

"Es ist Borkum, aber es ist nicht Borkum"

Wellinski: Und die Mutter sagt ja auch, ich will dich eigentlich nicht wieder zurückhaben. Also der Rückhalt, den man braucht. Also was braucht Vivi in diesem Moment eigentlich?
Knoller: Man kriegt ja gute Ratschläge, von Leuten, die einen lieben. Es ist ja auch nett, weil man da auch merkt, jemand interessiert sich dafür, wie es einem geht. Aber trotzdem ist da irgendwas, was man für sich selber lösen muss oder erst so zu seiner Kraft findet.
Wellinski: Jetzt landet sie auf der Nordseeinsel Borkum, und Borkum als Ort spielt eine zentrale Rolle, weil diese Insel ja so ein bisschen – es ist keine dokumentarische Aufnahme dieser Insel, die hat schon was Mythisches, es ist so wie eine – es ist Borkum, aber es ist nicht Borkum, so hatte ich jedenfalls das Gefühl, als ich den Film sah. Was war Ihnen da eigentlich wichtig an der Art und Weise, wie Sie diese Insel in das Drehbuch aufgenommen haben, in die Geschichte? Welche Rolle sollte die Insel Borkum eigentlich spielen in der Erzählung.
Knoller: Dass es Borkum ist, ist eigentlich total egal, es war aber immer klar, dass es eine Insel sein soll und dass es ein begrenzter Raum ist. Ein Raum für jemanden, der sehr überfordert ist von allen Möglichkeiten, die es gibt und kommt er an einen Ort, wo es erst mal Begrenzung gibt und auch Begrenzung an den Menschen. Vivi muss irgendwie die Menschen nehmen, die da sind, mit all ihren Spleenigkeiten oder mit ihren Problemchen, die die so haben. Und eigentlich ist ihr großes Glück, dass sie sich einlassen kann auf die, die eben da sind.
Wellinski: Wer ist denn da? Genau, diese Inselbevölkerung, die entspricht ja schon so einem ganz groben Klischee von Inselbevölkerung. Aber was sind das für Menschen, auf die sie da trifft.
Knoller: Das sind Menschen, die auch mit sich kämpfen irgendwie, oder die es auch nicht ganz leicht mit sich haben. Und das ist irgendwie heilsam, glaube ich, weil es sind auch Menschen, denen was schief gelaufen ist oder die sich ihr Leben auch anders vorgestellt haben. Es sind alles Menschen, die ein bisschen in der Sackgasse stecken oder die sich ihr Leben angucken und denken: Wie bin ich da hingekommen?

Frauen sind nicht lustig? Unsinn!

Wellinski: Sie haben ja das Drehbuch zusammen mit Paula Cvjetkovic geschrieben, und es war Ihnen ja klar, dass es eine Komödie wird. Wie haben Sie denn an dem Humor gearbeitet, denn der Humor – es ist immer schwer, Humor zu beschreiben. "Ferien" ist eher lakonisch, er funktioniert sowohl auf der verbalen, auf der Dialogebene, aber auch auf der visuellen Ebene. Was war Ihnen da wichtig, was für eine Art Humor wollten Sie in Ihren Film reinbringen? Gab es da überhaupt Überlegungen dazu, oder ist es einfach so gelungen.
Knoller: Nein, es ist eher so passiert. Paula und ich haben uns einfach auch von allen Anstrengungen befreit. Es ist eine schöne Arbeit zusammen zu schreiben, weil man sich wirklich kennenlernt. Wir haben uns befreundet über die Arbeit und sind Freundinnen geworden. Es war nicht so, dass wir sagen wollten, wir wollen, dass es lustig wird, sondern das ist dann eher so passiert. Das von unserem Blick auf die Welt. Oder man erzählt sich von Leuten, die man kennt oder gesehen hat oder wie man selber ist. Und ich glaube, wir sind beide so, dass wir es lieber mögen, wenn man auch darüber lachen kann, über die Figuren, oder wenn sie einem die Möglichkeit geben oder wenn das Leben einem die Möglichkeit gibt, dass man auch sich drüber wundern kann oder absurd sehen kann.
Wellinski: Es hat auf jeden Fall sehr gut funktioniert. Als Sie den Drehbuchpreis im Januar in Saarbrücken bekommen haben für den Film, hat die Jury gesagt, wir zeichnen einen Film aus, der als neue Art der weiblichen Komödie gelten soll. Sehen Sie das so? "Ferien" als neue Art der weiblichen Komödie, was auch immer das sein soll.
Knoller: Ja, was auch immer das sein soll. Keine Ahnung, aber es ist natürlich – es ist ein tolles Kompliment, weil man ja oft sagt, Frauen sind weniger lustig. Und das ist ja, das ist Unsinn.
Wellinski: Der ganze Film ist ja eigentlich ja auch eine Frauenarbeit und Frauenteamwork, also Regie, Buch, Schnitt, Bildgestaltung, Kostüme, Tongestaltung – wahrscheinlich habe ich noch was vergessen. Zufall, oder war das Absicht?
Knoller: Es ist schon Absicht, mit wem man arbeitet. Aber es sind dann einfach Leute, mit denen man sich während des Studiums schon gut verstanden hat. Es sind auch ein paar Männer dabei. Aber es sind viele Frauen, ja.
Wellinski: Wie viel Improvisation ist dahinter, und wie viel ist bewusst schon so inszeniert gewesen?
Knoller: Eigentlich war das so geschrieben, und ein paar Sachen waren es nicht. Denn das mag ich ganz gern, wenn man nicht alles komplett kontrollieren kann. Ich mag es manchmal seltsame Komparsen zu haben oder – nein, seltsam ist ein doofes Wort –, also einfach keine professionellen Schauspieler und denen dann auch mal ein bisschen mehr Raum zu geben. Deswegen finde ich es schön z.B. mit Kindern zu arbeiten oder mit Leuten, die das erste Mal vor einer Kamera spielen.

Detlef Buck spielt mit

Wellinski: Jetzt spielt den Vater von Vivi – und die Frage kommt sicherlich in jedem Interview dreimal – Ihr eigener Vater, Detlef Buck. Wie haben Sie denn die Zusammenarbeit empfunden? Haben Sie denn ihn auch als Regiekollegen mit irgendwie akzeptiert am Set, oder wollten Sie ihn einfach nur als Schauspieler haben?
Knoller: Nein, ich hatte da irgendwie ein bisschen echt Respekt davor, weil man ja manchmal mit seinen eigenen Eltern dünnhäutiger ist als mit allen anderen Menschen auf dieser Welt. Und das will man ja auf keinen Fall, dass man sich blöd streitet oder verletzt ist. Und das war überhaupt nicht so, sondern es war irgendwie total nett und eher cool dass man jemanden da hat, den man so gut kennt und dem man auch nicht so viel erklären muss. Und Papa ist auch jemand, der ohne Worte gut funktioniert. Der ist kein Schauspieler, dem man so viel sagen muss, und das fand ich dann eher schön. Und er hat sich aber auch zurückgehalten. Ich glaube, er hat öfter mal gerne geschrien. Aber er hat sich auch selbst zurückgehalten und auch Spaß daran gehabt, wie wir das so machen.
Wellinski: Wenn man jetzt in die Zukunft guckt, was immer schwer ist, ist denn der Ton der Films, den wir ja so versucht haben, so ein bisschen zu umschreiben als lakonische Komödie, ist denn das etwas, wo Sie gerne tiefer drin rumwühlen würden, in dieses Art von Filmton, oder, wenn es um die Tonalitäten geht, stellen Sie sich vor, ganz andere Genres, ganz andere Richtungen, ganz andere Rhythmen?
Knoller: Ich schreibe gerade mit Paula auch wieder an einer Geschichte, was eine ganz, ganz andere Geschichte sein wird. Ich bin gespannt, wie das wird, weil wir noch am Anfang sind. Aber im Moment rutscht das Humorvolle immer wieder mit. Vielleicht, weil wir uns auch so eingetuned haben. Mal gucken – ich bin gespannt.
Wellinski: Wunderbar, wir sind auch gespannt. Aber zuvor haben wir noch den ersten Film, "Ferien", und der kommt dann nächste Woche in die Kinos. Bernadette Knoller, vielen Dank für die Zeit, und viel Erfolg!
Knoller: Danke!
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio Kultur macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
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