Berliner Polizei

"Unsere Arbeit ist, mit Vielfalt umzugehen"

Polizisten stehen vor der ehemaligen Gerhart-Hauptmann-Schule in Berlin.
Polizisten oder Spezialbeamte wie dieser GSG-9-Beamte haben in Deutschland noch immer vorwiegend deutsche Wurzeln. © dpa / picture alliance / Paul Zinken
Von Kemal Hür · 15.12.2014
Ein Drittel aller Menschen in Berlin haben einen Migrationshintergrund. Die Berliner Polizei ist nicht so durchmischt, was dazu führt, dass sie im Dienst oft auf Menschen stößt, deren Sprache sie nicht spricht oder deren Gepflogenheiten sie nicht teilt. Gezielte Maßnahmen sollen nun Menschen mit Migrationshintergrund anlocken.
"Hey, Durmuş. Wir haben doch jetzt das interkulturelle Beisammensein. Da kommt doch Murat Topal. Hast Du schon eingetragen?"
Polizeikommissar Özgür Aktaş beim Berliner Landeskriminalamt ist Ansprechpartner für interkulturelle Aufgaben. Es steht eine Weihnachtsfeier an, an der auch der Comedian Murat Topal teilnehmen wird. Topal war früher auch Polizist. Özgür Aktaş ist seit acht Jahren bei der Polizei. Er hatte vorher ein Studium abgeschlossen, war 26 Jahre alt und wollte unbedingt Polizist werden. An die Aufnahmeprüfung erinnert sich Aktaş noch sehr gut.
"Ich war in einer Klasse, wo viele mit Migrationshintergrund waren. Drei haben dann bestanden, und zwar mein Bruder, ein türkischstämmiger Kollege und ich. Die anderen sind leider durchgefallen. Das heißt, ne große Hürde war das Diktat, und ich hatte da viel trainiert, war aber sehr viel mit Mühe und Schweißarbeit verbunden."
Als er 2006 nach bestandenem Diktat eingestellt wurde, war Aktaş einer von wenigen Polizeibeamten mit Einwanderungsgeschichte. In jenem Jahr lag der Anteil der neu eingestellten Polizisten nicht-deutscher Herkunft in Berlin bei nur acht Prozent. Seitdem hat er sich mehr als verdoppelt und liegt bei über 20 Prozent. Özgür Aktaş arbeitete zunächst auf einem Abschnitt im Berliner Stadtteil Wedding mit hohem Zuwandereranteil. Dort musste er oft als Sprachmittler einspringen. Aktaş spricht Türkisch, Kurdisch und Arabisch.
Noch ist die Polizei kein Abbild der Gesellschaft
"Viele konnten da leider nicht so gut Deutsch. Und dann kam ich als Mittler und hab das dann übersetzt und hab die Anzeigen auch mal selbst übernommen. Oder bei bestimmten Schadensfällen, wo die Polizei ratlos war, also die Kollegen, die das nicht konnten, die Sprache, haben gesagt: Was möchte der Herr von mir? Und dann kam ich dazu und hab gesagt: Hey, das ist sein Anliegen, und das können wir auch gut erfüllen. Es ist eine Belastung, aber ich mach's gerne."
Aktaş und Löher: "Protokoll ist gleich fertig. Ich leg's dir hier auf den Tisch. Dann kannst du in Ruhe drauf schauen, okay? – Hattest du mit Andrea nochmal drüber gesprochen?"
Özgür Aktaş legt eine Mappe auf den Schreibtisch des Kriminalhauptkommissars Uwe Löher. Auch Löher ist Ansprechpartner für interkulturelle Aufgaben bei der Polizei. Berlin bemüht sich seit 2003 darum, Jugendliche aus Einwandererfamilien für den Polizeiberuf zu gewinnen und arbeitet dabei mit Migranten-Organisationen zusammen. Anfangs hätte es unter den angestammten Polizisten eine große Skepsis gegeben, aber seitdem die Politik offen von einer Einwanderungsgesellschaft spreche, habe sich die Haltung geändert, sagt Löher.
"Fast ein Drittel der Bevölkerung in Berlin hat Einwanderungsgeschichte. Unsere tägliche Arbeit ist, mit Vielfalt umzugehen. Und je mehr Kollegen und Kolleginnen mit unterschiedlicher Herkunft, Hautfarbe und Religion in die Polizei kommen, desto besser wird natürlich auch die Akzeptanz."
Der Migrationshintergrund der Polizisten wird nicht konsequent erfasst. Aber es gibt fundierte Recherchen des Mediendienstes Integration. Danach ist klar, noch ist die Polizei kein Abbild der Gesellschaft. Noch ist in jedem Bundesland der Anteil der Polizisten mit Migrationshintergrund geringer als ihr Anteil in der Bevölkerung.
Sprachkenntnisse und eigene Erfahrungen spielen eine Rolle
Berlin und Niedersachsen konnten aber mit gezielten Maßnahmen immerhin bei den Bewerberzahlen den Anteil wie in der Bevölkerung erreichen. 32 Prozent in Berlin, 17 Prozent in Niedersachsen. In Berlin hat die Polizei mit Bildungseinrichtungen und Migrantenorganisationen eigens für Bewerber aus Einwandererfamilien Vorbereitungsseminare durchgeführt. Vor einigen Jahren wurden auch die Fremdsprachenkenntnisse der Bewerber an den Bedarf in Berlin angepasst, sagt Uwe Löher.
"Es war früher ausschließlich Englisch und Französisch. Und jetzt wurde es um verschiedene Bedarfssprachen – sogenannte – erweitert, die in Berlin eben zum Tragen kommen. Und dabei ist zum Beispiel Polnisch, Arabisch, Türkisch und andere Sprachen, die in Berlin einfach gesprochen werden. Und da kann man eben z. B. schlechte Englischkenntnisse durch gute Türkischkenntnisse ersetzen."
Löher betont, dass bei der alltäglichen Arbeit die Sprachkenntnisse von Vorteil sind. Genauso wichtig seien aber die biografischen Erfahrungen, die Polizisten wie Özgür Aktaş mitbringen.
"Zum einen natürlich klare Fakten und auch Wissen zu bestimmten kulturellen Dingen, Religion oder Sitten, aber auch Empathie. Wenn ich jetzt einen Kollegen habe, der selbst Diskriminierungserfahrungen gemacht hat oder Erfahrungen mit rassistischen Anfeindungen, dann glaube ich dem wahrscheinlich eher als jemandem, der einen anderen Beruf hat, oder dem ich nicht so nahe stehe. Das darf nicht unterschätzt werden, dass hier auch Erfahrungen reingebracht werden von Herrn Aktaş zum Beispiel, die ich nicht gemacht habe."
Bei Ermittlungen wie um die NSU-Mordserie könnten solche Erfahrungen den Blickwinkel schärfen, sagt Löher.
"Weil ich eher weiß, was in der Realität tatsächlich vorkommt. Und dass es eben, nicht nur organisierte Kriminalität ist, sondern dass Menschen auch Opfer von rassistischen Überfällen werden. Dafür ist es sich auch eine gute Sensibilisierung."
...wie Özgür Aktaş bei Diskussionen mit seinen Kollegen auch feststellen konnte.
"Diese 'Dönermorde' war für mich natürlich wieder stigmatisierend und sagen: Hey, warum denn 'Dönermorde'? Also nicht hier mit bestimmten Begriffen zu stigmatisieren und jemanden sogar abfällig zu behandeln. Das habe ich diskutiert, und da haben mir auch viele zugestimmt und gesagt, hey, finde ich auch ein ganz doofes Wort."