Berliner Philharmoniker

Likör zur Auferstehung

Dirigentin Emmanuelle Haïm, 2014
Die Dirigentin Emmanuelle Haïm © Stiftung Berliner Philharmoniker / Marianne Rosenstiehl
11.11.2014
Dirigentinnen bei den Berliner Philharmonikern - eine heikle Geschichte! Mehrfach hat das Hauptstädtische Orchester unter weiblicher Leitung musiziert. Doch Emmanuelle Haïm ist die erste Frau, die hier nicht nur debütieren, sondern auch wiederkommen durfte.
Sowohl das erste Auftreten der mitreißenden Barock-Interpretin Emmanuelle Haïm 2008 (mit Händel) als auch ihre Rückkehr 2011 (mit Händel und Rameau) haben wir im Deutschlandradio Kultur übertragen – es waren Höhepunkte der jeweiligen Spielzeiten. Jetzt ist die Spannung groß vor dem dritten philharmonischen Konzert der französischen Dirigentin und Cembalistin, in dem wieder Musik Georg Friedrich Händels auf dem Programm steht. Mit dem Oratorium „La Resurrezione" hat Haïm ein Werk im Gepäck, das dem Komponisten einen frühen Erfolg in Italien bescherte.
Von Händels Oratorien sind vor allem jene aus der Londoner Zeit des Hallenser Barock-Meisters bekannt geworden. Seine in England perfektionierte Wandlungsfähigkeit, gepaart mit einem schier unerschöpflichen Ideenreichtun, hatte Händel als junger Mann erstmals in Italien erproben können. Dass der bekehrungsunwillige Lutheraner im Heimatland der Päpste mit Anfang Zwanzig zum gefragten Komponisten höchster römisch-katholischer Kreise werden konnte, verblüfft noch heute. Am liebsten hätte er wohl Opern geschrieben, aber deren Aufführung war unter Papst Clemens XI. ebenso tabu wie öffentliche Auftritte von Sängerinnen. Darüber haben sich Händel und seine Mäzene allerdings bei der Uraufführung des Auferstehungs-Oratoriums Ostern 1708 großzügig hinweggesetzt.
Zeitgenössische Berichte über die Aufführung des „Oratorio per la Resurrezione di Nostro Signor Gesù Cristo" lassen weiterhin den Schluss zu, dass es hier durchaus opernhaft zugegangen sein muss – mit lustvoll inszenierter Zerknirschung ob der (aus dem apokryphen Nikodemus-Evangelium entlehnten) Höllenfahrt Jesu sowie der Darreichung von Likör und Süßigkeiten in der Konzertpause zwischen Kreuzigung und Auferstehung. Eine konzertante Aufführung dieses rein solistischen Oratoriums im preußischen Berlin wirkt da geradezu wie eine protestantische Rückeroberung von Händels Jugendsünde – wäre da nicht der frische und saftige Händel-Sound, für den Emmanuelle Haïm allenthalben geschätzt wird.
Philharmonie Berlin
Aufzeichnung vom 29.10.2014
Georg Friedrich Händel
„La resurrezione" - Oratorium für Soli und Orchester HWV 47
Camilla Tilling, Sopran
Christiane Karg, Sopran
Sonia Prina, Alt
Topi Lehtipuu, Tenor
Christopher Purves, Bariton
Berliner Philharmoniker
Leitung: Emmanuelle Haïm