Berliner Philharmonie

Die Orgel wird 50

Blick in den Konzertsaal der Philharmonie Berlin
Der Konzertsaal der Philharmonie Berlin © Deutschlandradio / Manfred Hilling
Von Claus Fischer · 24.11.2015
Vielen Besuchern der Berliner Philharmonie fällt auf den ersten Blick gar nicht auf, dass es im Saal auch eine Orgel gibt. Denn sie steht nicht auf dem Podium, sondern hoch oben über den Rängen. Mit einem Orgelkonzert von Iveta Apkalna wird jetzt ihr 50. Geburtstag gefeiert.
Die Berliner Philharmonie, der größte Wurf des Architekten Hans Scharoun. Im Zentrum das Podium für das Orchester. Rundherum erheben sich die Ränge der Zuschauer, ähnlich wie Weinberge um einen See. Vielen Besuchern fällt beim ersten Blick gar nicht auf, dass es im Saal auch eine Orgel gibt. Um im Bild der Weinberge zu bleiben: weit oben – sozusagen im Himmel.
Der Berliner Orgelbauer Karl Schuke, der das Instrument vor 50 Jahren geschaffen hat, war mit diesem Standort absolut nicht einverstanden. Seiner Ansicht nach sollte die Orgel dort stehen, wo die Musik spielt, also auf dem Podium. Doch mit diesem Konzept konnte er sich bei Hans Scharoun nicht durchsetzen, wie er 1984 im Interview mit dem damaligen Sender Freies Berlin zugab.
"Es war für uns immer eine sehr komplizierte Aufgabe gewesen, einem Architekten beizubringen, welchen Raum eine Orgel – vor allem: wo sie stehen muss, damit sie zum Klingen kommt, und sich überhaupt klanglich entfalten kann."
Ursprünglich eher für Kirchenmusik geeignet
Wie Eiszapfen wirken die Pfeifen im Prospekt der Orgel. Optisch durchaus gelungen. Allerdings musste hier der Architekt Zugeständnisse an den Orgelbauer machen, betonte Karl Schuke süffisant.
"Zeigte er mir eine Skizze. Sagte: 'Herr Sharoun, Sie haben hier ein schönes Bildchen gemalt von einer Orgel, aber darauf müssen wir erst mal eine Orgel machen.'"
"Die Auftragsvergabe erfoglte ja nach dem Bau der Mauer", erzählt Oliver Hilmes, der als Dramaturg heute für die Orgelkonzerte in der Berliner Philharmonie zuständig ist,
"Und da galt es natürlich insbesondere in Westberlin eben auch Westberliner Firmen zu unterstützen. Da ist die Wahl auf Schuke gefallen. Insbesondere hat Schuke ja auch zu dem Zeitpunkt ja schon andere große Bauten – in der Musikhochschule, in der Kaiser-Wilhelm-Gedächtniskirche – realisiert, sodass die ja auch einen hervorragenden Ruf hatten."
Die Orgel der Berliner Philharmonie war in ihrer ursprünglichen Gestalt eigentlich ein Kircheninstrument, meint Oliver Hilmes. Werke von Bach klangen auf ihr erheblich besser als z.B. sinfonische Orgelkompositionen von Cesar Franck oder Camille Saint-Saëns.
"In den 1960er-Jahren ... Das Wissen über den Konzertsaal-Orgelbau ist leider etwas in Vergessenheit geraten. Und so hat man Orgeln disponiert, die genauso gut in Kirchen funktionieren können. Dass die aber nicht immer alle gut in Konzertsälen funktionieren, ist allerdings die Kehrseite."
Heute ist der Klang nicht mehr so spitz und obertonreich
So wurde das Instrument in den letzten 50 Jahren mehrfach umgebaut und klanglich, um ihm mehr Gravität zu verleihen, das letzte Mal vor drei Jahren. Dank dieser Arbeiten, die ebenfalls die Firma Karl Schuke durchgeführt hat, ist der Klang bei weitem nicht mehr so spitz und obertonreich wie nach der Erbauung. Außerdem hat die moderne Computertechnik Einzug gehalten.
"Wir haben eben durch diese neuen Spielhilfen, durch diese neuen Zusatzfunktionen, die die Orgel nun hat wirklich in unzähliger Zahl, damit haben wir die Möglichkeit, verschiedene Klänge eben auch zu modifizieren, nach unten zu verdoppeln – das nennt man dann Oktav-Koppeln zum Beispiel Und das sind also alles Möglichkeiten, die den Klang etwas breiter, etwas tiefer, etwas wärmer machen, ohne die grundsätzliche Charakteristik des Instruments zu verändern."
Die Organisten aus aller Welt, die in der Berliner Philharmonie gastieren, sind mit der Orgel in ihrer heutigen Gestalt zufrieden, betont Dramaturg Oliver Hilmes.
"Also wir bekommen sehr viele positive Rückmeldungen von unseren Gast-Organisten. Die sagen, dass das Instrument einerseits eine Herausforderung ist. Man muss sich auf das Instrument einlassen, man muss mit dem Instrument arbeiten. Andererseits aber auch, dass diese Orgel unglaublich viele Klangmöglichkeiten bietet."
"Wenn man reingeht in ein Gebäude und eine Orgel sieht, Orgel von sich gibt schon einen großen Glamour", sagt die lettische Organistin Iveta Apkalna:
"Und wenn wir Organisten das noch glamouröser und schöner machen können, das ist natürlich dann auch schön und wichtig."
"Klavier ist Verstand, Orgel ist Herz"
Klavier ist Verstand, Orgel ist Herz, meint Iveta Apkalna, die regelmäßig in der Berliner Philharmonie zu Gast ist. Wenn man ihr bei den Proben zuschaut, dann staunt man, mit welcher Kraft sie bei ihrem sehr zierlichen Körperbau ans Werk geht. Orgelspiel ist, so sagt sie, durchaus mit Hochleistungssport vergleichbar.
"Natürlich beim Konzert, das spüren wir nicht und denken auch nicht nach. Wir sind rein emotional vertieft in Musik. Aber natürlich: Man kann schon sagen, dass Orgelspielen auch physisch sehr... und da muss man auch sehr fit sein, weil, natürlich, wir spielen nicht nur mit Füßen und Händen gleichzeitig, sondern wir müssen auch unseren ganzen Körper richtig halten."
Iveta Apkalna wird also am kommenden Samstag gemeinsam mit dem Rundfunk-Sinfonieorchester Berlin unter Marek Janowski das Jubiläum der Philharmonie-Orgel feiern. Allerdings ist, so betont sie, jeder Auftritt für sie ein Fest.
"Wenn ich ein Konzert spiele, dann empfinde ich mich wirklich als in einem sehr, sehr glücklichen Moment, in einem Moment, der nur einmalig ist und den es nur einmal in meinem Leben gibt. Und ich feiere das. Und wenn das Publikum das mit mir zusammen feiern kann, bin ich sehr glücklich."
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