Berliner Friedrichstadt-Palast

Nachwuchscasting fürs Revue-Ballett

Kindershow "Ganz schön anders" im Friedrichstadt-Palast, 2015
Kindershow "Ganz schön anders" im Friedrichstadt-Palast © Pedro Becerra
Von Verena Kemna · 25.02.2015
Jährlich bewerben sich mehr als 100 Kinder und Jugendliche, um im Ensemble des modernsten Show-Palastes Europas zu tanzen. Wer es schafft, erhält im Friedrichstadt-Palast während der Schulzeit eine professionelle Ausbildung. Ein Besuch beim Casting.
"Pass auf, Frieda, du ziehst dich um, dass du was Leichteres anhast, dann klebst du dir diese Nummer hier vorne drauf, du bist die Nummer eins, das macht die Mama. Toll! Viel Spaß! / Danke! / Ich kleb mir die eins gleich drauf, die anderen haben eine viel höhere Zahl!"
Frieda Fleischer, sieben Jahre alt, zerrt ihre Mutter an der Hand in eine Ecke des Foyers, setzt sich auf den schwarzen, polierten Fußboden und zieht sich um. Sie will wie 150 andere ins Jugendensemble des Friedrichstadt-Palastes aufgenommen werden. Heute, beim ersten Casting, sind noch alle Kinder, die gerne tanzen, willkommen. Ulrike Fleischer hilft ihrer zierlichen Tochter dabei, die weiße Strumpfhose anzuziehen. Frieda schlüpft in ein schwarzes langärmliges Oberteil. Wochenlang hat sie zuhause gequengelt, damit sie heute hier vortanzen darf.
"Da wird sie noch ewig von zehren, allein, dass wir hier sein dürfen und dass du heute da rein darfst, das ist schon toll. / Hu, ich freu mich!"
Wie im Ballettunterricht
Frieda steht versonnen vor einem Spiegel im Foyer, sie ist einen Kopf kleiner als die anderen. Das zierliche Mädchen hebt und senkt die Arme elegant, so wie sie es beim Ballettunterricht gelernt hat. Ihre blonden Haare sind als Zopf um den Kopf gesteckt. Andere Mädchen sehen aus wie kleine Profi-Ballerinas. Die schulterlangen Haare sind in einem Knoten festgezurrt, sie tragen rosafarbene oder weiße Tutus. Friedas Mutter, Ulrike Fleischer, selbst eine begeisterte Tänzerin, beobachtet wie einige Mädchen Arme und Beine strecken, sich dehnen und fast im Spagat, lässig auf dem Boden sitzen.
"Ich hab halt gesagt, du kannst hier gerne mitmachen und das ist bestimmt ganz toll, aber ich weiß ja auch, dass die nach sehr gedehnten Kindern suchen. Na, dass die halt aus dem Stand wahrscheinlich schon Spagat machen können, Frieda ist halt nicht gedehnt."
Plötzlich wird es ruhig, alle blicken zu Petra Grube. Die Theaterpädagogin hat ein schwarzes Namensschild mit dem Logo des Friedrichstadt-Palastes an den Pullover geheftet. Mit dem Mikrofon in der Hand erklärt sie, wie es weiter geht.
"Dieses Ensemble wird von ganz vielen Kindern begehrt und deshalb kommen immer ganz viele Kinder zum Casting und leider können wir nicht immer alle nehmen."
Nur rund 30 von 150 Kindern, die an diesem Wochenende vortanzen, schaffen es in die zweite Runde.
"Wir gehen in den Ballettsaal, der Test dauert mindestens 45 Minuten. Ich bitte die Eltern und Großeltern hier zu warten, es kommen leider keine Eltern und Großeltern mit in den Saal!"
Wer hat schon mal getanzt?
Fünfzig Kinder stürmen durch lange schmale Gänge, laufen die Treppen hoch bis in die dritte Etage. Im großen Ballettsaal sind zwei Seiten verspiegelt, in der Ecke, ein schwarzes Klavier. Wer hat schon mal getanzt, fragt die Chefin vom Jungen Ensemble. Alle strecken die Arme in die Höhe. Christina Tarelkin inspiziert die Kinder mit dem Blick des Profis. Sind sie musikalisch, haben sie Rhythmusgefühl, Ausdruck und Talent? Fast auf Anhieb gelingt der erste Sprechchor:
"… und gleich geht’s los."
Sie stampfen und trampeln auf der Stelle, hüpfen durch den Saal, legen sich mit durchgedrücktem Rücken auf den Fußboden, pressen die Fußsohlen aneinander, lassen die Knie nach rechts und links fallen. Sie wippen mit den Beinen als wären es die Flügel eines Schmetterlings.
Christina Tarelkin läuft jetzt von Kind zu Kind. Die Füße sollen spitz wie ein Bleistift gestreckt sein, der Kopf locker auf den Knien liegen, die Hände zu den Fußspitzen zeigen. Es dauert nur Sekunden, Christina Tarelkin drückt die Rücken der Kinder vorsichtig nach unten, dann zeigt sie ihrer Assistentin mit den Fingern die Noten. Eins, zwei, drei oder Kopfschütteln, die Kinder bemerken davon nichts. Nach gut 45 Minuten ist das erste Casting zu Ende. Schließlich heißt es ein letztes Mal aufstellen.
"Die 33, die 34, die 43, die 46, du bist die 46, die Eins, ja, na, klar!"
Die Kinder in dieser Gruppe bekommen ein Din A 4 Blatt in die Hand gedrückt. Darauf steht Recall, einige springen vor Begeisterung in die Luft, Frieda strahlt, hält das Papier noch etwas ungläubig fest in der Hand. Für die anderen findet die Ensemblechefin tröstende Worte.
"Ihr solltet auch weiterhin tanzen und wenn ihr nochmal Lust habt, das Gleiche nochmal auszuprobieren, im nächsten Jahr und nicht traurig sein!"
Unten im Foyer warten die Eltern, Frieda rast zu ihrer Mutter, hält ihr das Blatt entgegen, will nochmal auf Nummer sicher gehen.
"Was bedeutet das? Dass du nochmal kommen darfst und nochmal eine Probestunde machen darfst. So, wie du es dir gewünscht hast! Toll, Frieda!"
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