Berliner Ensemble

Der große Dramatiker und die Politik

Von Michael Opitz  · 19.03.2014
Bertolt Brecht entschied sich 1949 für die sowjetisch besetzte Zone Deutschlands, auch weil ihm dort ein eigenes Theater versprochen wurde. Er hat dafür vieles in Kauf genommen, akzeptierte Übel und ließ sich auf Kompromisse ein.
Fünf Jahre lang besaß das im November 1949 auf Brechts Veranlassung gegründete und von Helene Weigel geleitete Berliner Ensemble keine eigene Spielstätte. Man war Untermieter im Deutschen Theater, was weder Wolfgang Langhoff, dem Intendanten, noch Bertolt Brecht gefiel. In dem in der Schumannstraße gelegenen Haus hatte am 11. Januar 1949 Brechts legendäre Inszenierung der "Mutter Courage" Premiere. Als der Planwagen der Courage über die Bühne rollte, begann ein neues Kapitel der Theatergeschichte.
Ein entscheidender Grund für Brechts Rückkehr in die SBZ war ein Versprechen. Nach 16 Jahren Exil wollte man ihm nicht nur die Möglichkeit einräumen zu arbeiten, sondern er sollte auch ein eigenes Theater bekommen, um seine Stücke inszenieren zu können. Vergleichbare Angebote hatte es von anderer Seite nicht gegeben.
Doch seine Geduld wurde auf eine harte Probe gestellt, denn erst am 19. März 1954 konnte das Berliner Ensemble mit Molières "Don Juan" in der Regie von Benno Besson eine eigene Inszenierung in einem eigenen Haus aufführen. Fast wäre das Haus am Schiffbauerdamm nicht die neue Wirkungsstätte des Berliner Ensembles, sondern das Theater der Kasernierten Volkspolizei geworden.
Seit seiner Rückkehr hatte Brecht mit den "Mühen der Ebenen" zu kämpfen. Folgerichtig zitiert Werner Hecht, Verfasser der Brecht-Chronik und Mitherausgeber der Großen kommentierten Berliner und Frankfurter Ausgabe, im Buchtitel Worte aus Brechts Gedicht "Wahrnehmung" (1949).
Brecht akzeptierte das Übel
In 14 Kapiteln sowie einem Prolog und einem Epilog zeigt er an den Querelen, die den Stückeschreiber Kraft und Zeit kosteten, wie es "Brecht in der DDR" ergangen ist. Als Brecht zurück nach Europa kam, war er staatenlos. Doch in der Schweiz wollte man ihn nicht, weshalb er sich um die österreichische Staatsangehörigkeit kümmerte, die er auch bekam.
Brecht hatte Gründe, als er sich entschied, in den Ostteil der geteilten Stadt zu gehen. Leicht machte man es ihm in der DDR nicht. Erich Honecker wollte, dass er den Namen von Ernst Busch aus dem "Herrnburger Bericht" entferne, die Oper "Das Verhör des Lukullus" wurde abgesetzt; Brecht musste sich mit Formalismus-Vorwürfen auseinandersetzen und es hagelte Kritik, weil er keine Veranlassung sah, seine Auffassung von einer "epischen" Spielweise zu ändern. Die Künste wurden kommandiert und Brecht bekam die Arroganz der Partei und ihrer Kulturpolitik zu spüren.
Brecht war klug und listig, aber hoffte er nicht auch zu viel? Werner Hecht kennt sich bei und mit Brecht aus - man merkt es dem Buch an. Sicher geht er mit dem Material um und dennoch hat man den Eindruck, als würde man viele seiner Beispiele und Argumente bereits kennen. So verteidigt er Brecht gegen alle Vorwürfe, die es wegen seiner Haltung zum 17. Juni 1953 gab. Brecht akzeptierte das Übel und ließ sich auf Kompromisse ein. Wie hoch war der Preis?
Damit im Zusammenhang stehende Fragen nicht gestellt, sie aber provoziert zu haben, ist ein Verdienst des Buches, das umfassend darüber informiert, wie selbstherrlich man in der DDR mit einem Autor umging, der weiterhin weltweit gespielt und gelesen wird, während die damaligen Potentaten der Macht und das Land, das sie regierten, von der politischen Bühne verschwunden sind.

Werner Hecht: Die Mühen der Ebenen. Brecht und die DDR
Aufbau Verlag, Berlin 2013
362 Seiten, 29,99 Euro

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