Berlinale

Schwule und lesbische Filmhelden

John Lithgow (l.) and Alfred Molina (r.) haben in dem preisgekrönten Film "Love is strange" mitgespielt.
John Lithgow (l.) and Alfred Molina (r.) haben in dem preisgekrönten Film "Love is strange" mitgespielt. © picture alliance / dpa
Von Gerd Brendel · 14.02.2014
Am Freitagabend wurde der Teddy verliehen, der Preis für die besten schwul-lesbischen Filme der Berlinale. Ein Blick auf die Preisträger-Filme zeigt, wie sehr sich die Filmlandschaft verändert hat.
Eine New Yorker Hochzeitsfeier im kleinen Kreis. Ben und George sind seit einer halben Ewigkeit zusammen. Ira Sachs erzählt in "Love is strange" das letzte Kapitel ihrer Liebesgeschichte, einer Geschichte mit Hindernissen. Denn George verliert nach der Heirat seine Arbeit als Musiklehrer an einer katholischen Privatschule. Die beiden alten Männer müssen ihre Wohnung verkaufen. Er selbst kommt bei schwulen Nachbarn unter. Sein Partner Ben bei der Familie seines Neffen und das geht nicht ohne Konflikte ab.
"Ben und George sind Charaktere, die wissen, wer sie sind. Sie sind selbsbewußt und trotzdem stellt sie das Leben vor große Probleme. Ihre Geschichte unterscheidet sich von meinen früheren Filmen, in denen ich von Leuten erzählt habe, die noch herausfinden wollten, wer sie selber sind."
Vor zwei Jahren gewann Ira Sachs den Teddy für sein schwules Beziehungsdrama "Keep the lights on". Jetzt ist er auf die Berlinale mit einem Film über ein schwules Paar zurückgekehrt. Ben und George haben einander und sich selbst längst gefunden. Jetzt leben sie zum ersten Mal getrennt und müssen sich in fremden Welten zurechtfinden: Das schwule Paar von nebenan, bei denen George, gespielt von Alfred Molina, unterkommt, feiert jede Nacht durch. Ben zieht bei der Familie seines Neffen ein, die mit sich selbst genug zu tun hat: Der Neffe arbeitet Überstunden, seine Frau reibt sich auf zwischen eigenem Beruf und pubertierendem Sohn. Im Laufe des Films lernen sie von Ben und George, was es heißt ganz beim anderen zu sein und trotzdem bei sich zu bleiben.
Ältere schwule Paare im Fokus
Die beiden sind nicht die einzigen homosexuellen Hauptdarsteller im Rentenalter, die auf dieser Berlinale auf der Leinwand zu sehen sind. Das queere Kino blickt zurück in die eigene Vergangenheit und entdeckt seine eigenen Helden , fiktive und reale: Yves Saint-Laurent zum Beispiel, dessen Leben Jalil Lespert verfilmt hat, oder Ernst Ostertag und Röbi Rapp. Ernst Ostertag und Röbi Rabb?
"Sie sind in der Schweiz und in Zürich durchaus bekannt, als diejenigen, die als erstes gleichgeschlechtliches Paar geheiratet haben."
Der Regisseur Stefan Haupt erzählt in "Der Kreis" die Geschichte ihres Kennenlernens und ein fast vergessenes Kapitel Emanzipationsgeschichte. Denn der "Kreis" war eine der ersten Homosexuellen-Zeitschriften mit Abonnenten in der ganzen Welt lange vor der sexuellen Befreiung der 60er-Jahre, herausgegeben von einem kleinen Verein in Zürich zu dessen Mitgliedern auch Röbi und Ernst zählten. In Spielszenen leben die die legendären Vereinsfeste wieder auf, aber auch die Konflikte mit der spießigen Umwelt.
Als mehrere Schwule Opfer eines Serienmörders werden, schüren die Medien mit Sensationsberichten die Stimmung gegen das "sittenlose" Homosexuellen-Millieu. Die Polizei fordert die Herausgabe der Mitglieder-Datei. Die Mischung aus langen Interviewpassagen mit dem über 80-jährigen Röbi und seinem Partner und packenden Spielfilm-Sequenzen überzeugte auch die Teddy-Jury. "Der Kreis" bekam heute abend den Preis für den besten Dokumentarfilm verliehen.
"Für mich ist das ein unglaublich aktueller Film und überhaupt kein Historienstück."
Marten Rabarts, australisches Jury-Mitglied, Kritiker und Produzent. Ich habe im Film meine Zeit wiedererkannt, zum Beispiel das, was gerade in Russland passiert.
Filmvorführungen und Bombendrohungen
Rabarts russische Jury-Kollegin, die Künstlerin Masha Godovannaya, nickt heftig. Im letzten Jahr war sie Mitglied der Jury des St. Petersburger queeren Filmfestivals "side by side". Die Filmaufführungen waren begleitet von Bombendrohungen. Die Veranstalter müssen sich vor Gericht dagegen wehren als "ausländische Agenten" gebranntmarkt zu werden. Für sie haben die Teddy-Filme vor allem eine politische Bedeutung.
"In so einem Film erkennt sich das Publikum selbst, und so ein Film kann einem die Realität von Anderssein vor Augen führen, und den eigenen Blickwinkel ändern."
Das zeigt auf eine ganze andere Art der Film, den die Teddy-Jury als besten Spielfilm auszeichnete: "Hoje eu quero voltar sozinho", "The way he looks", vom brasilianischen Regisseur Daniel Ribeiro. Ribeiro erzählt zwar eine schwule Liebesgeschichte zwischen Teenagern, aber einer der Protagonisten muss nicht nur als einziger Schwuler in seiner Schulklasse klarkommen, sondern auch als einziger Blinder, der mit seiner Schreibmaschine die Mitschüler nervt, bis ja bis ein neuer Schüler Gabriel auftaucht.
Die schwullesbischen Filmhelden auf der Berlinale: Sie sind alt, rührend, fallen aus dem Rahmen und sie sind alles andere als perfekt.
"Ich glaube das Kino heute den Platz einnimmt, an dem in primitiven Kulturen Stammesmitglieder ihre eigene mündliche Geschichte erfahren haben."
Egal ob als Schwule, Lesben, Transgender oder Heterosexuelle - fürTeddy-Jury-Mitglied Marten Rabarts sind wir alle Mitglieder eines von vielen globalen Stämmen und das Flackern der Film-Projektoren ist unser Lagerfeuer.
"Wir sitzen in diesen dunklen Sälen, die an Höhlen erinnern und teilen unsere globale Stammesgeschichte miteinander, und jeder trägt ein anderes Stück zu dieser verrückten Geschicte dieses sehr großen Stammes bei."