Berlinale: "Colo" und "Rückkehr nach Montauk"

Von Armut, Verzweiflung und Liebe

Nina Hoss und Stellan Skarsgård in Volker Schlöndorffs "Rückkehr nach Montauk".
Die einstigen Liebenden Rebecca (Nina Hoss) und Max (Stellan Skarsgård) kehren zurück an den Küstenort Montauk. © © Wild Bunch Germany 2017 / Ann Ray
Katja Nicodemus im Gespräch mit Liane von Billerbeck · 16.02.2017
Volker Schlöndorff lässt in "Rückkehr nach Montauk" ein altmodisch bürgerliches Männerbild lebendig werden - arbeitet aber mit sensationell guten Schauspielern. Noch mehr beeindruckt hat unsere Kritikerin der Film "Colo" von Teresa Villaverde über eine portugiesische Familie in der Wirtschaftskrise.
In Teresa Villaverdes Film "Colo" geht es um die Auswirkungen der Wirtschaftskrise auf eine portugiesische Familie. Vater, Mutter und die 17-jährige Tochter wohnen gemeinsam in einem Hochhaus und suchen jeweils eigene Wege, mit der Krise umzugehen.
"Das Außergewöhnliche an Teresa Villaverdes Film ist, dass hier nichts ausgestellt oder dramatisiert wird. Die Regisseurin arbeitet eher mit einer diskreten Zeichenhaftigkeit. (…) Man begleitet die Familie und gleitet langsam in den Krisenzustand hinein. Aber die Krise ist nicht nur negativ, sondern sie öffnet auch Handlungsräume, Spielräume. Die Beziehungen innerhalb der Familie verschieben sich."
Dieses aktuelle, aus der Wirklichkeit kommende Thema setzt die Regisseurin Villaverde geschickt in Bilder um:
"Was die Bildsprache angeht, ist Teresa Villaverdes Film einer der außergewöhnlichsten dieser Berlinale, denn die einzelnen Einstellungen sind wie Tableaus komponiert. Die Wohnung im Hochhaus hat rötliche Farben, Braun- und Ockertöne, und wirkt mit ihrem Dekor, Wandteppiche, Bilder, Schmuckteppiche an den Wänden, wie ein Raum der Vergangenheit. Die Außenwelt hingegen, das Meer und die Stadt, hat intensivere Farben, weil die Familie dieses Außen immer stärker wahrnimmt. Die einzelnen Figuren bekommen durch diese Bildkomposition eine große Würde und Schönheit."
Darstellerin Alice Albergaria Borges (Marta) im Berlinale Wettbewerbsfilm "Colo"
Sorgenvolles Grau: Die 17-jährige Marta kann in "Colo" das Geld für den Schulbus nicht aufbringen.© © Alce Filmes
Dabei habe die Bildästhetik auch etwas vor der Krise Schützendes, ohne dass der Film Zweifel daran ließe, dass Armut und Arbeitslosigkeit zur Verzweiflung führten. Die Bewegung, die dadurch entstehe, hat Katja Nicodemus sehr gut gefallen. "Colo" habe auf jeden Fall einen großen Preis verdient, so das abschließende Urteil der Kritikerin.

Der einsame Wolf, der weiterziehen muss

Volker Schlöndorffs "Rückkehr nach Montauk" ist von einer Erzählung von Max Frisch inspiriert. Ein berühmter Schriftsteller begegnet in New York der Frau, die er einst sang- und klanglos verlassen hat und kehrt mit ihr zurück nach Montauk, jenen Ort, an dem die Liebenden einst glücklich waren. Es ist nicht das erste Mal, dass Schlöndorff Stoff von Max Frisch verfilmt. "Homo Faber" hatte Anfang der 1990er Jahre keine großen Erfolge erzielt. Und diesmal?
"Die Rücksichtslosigkeit und Egozentrik des Schriftstellers wird von Volker Schlöndorff zwar verhandelt, aber mir geht der Film zu affirmativ mit einem bestimmten Männerbild um: so einem altmodisch bürgerlich literarischen Männerbild. Der Mann, der von einer Frau zur nächsten wechselt und sein Leben in Literatur verwandelt. Der Mann, der sich nicht binden kann, aber trotzdem von den Frauen angehimmelt wird. Der einsame Wolf, der immer weiterziehen muss..."
Die Hauptrollen hingegen seien mit den beiden eher zurückhaltend agierenden Schauspielern Nina Hoss und Stellan Skarsgård hervorragend besetzt.
"In ihrem Minimalismus sind beide Darsteller wirklich sensationell. Gerade Nina Hoss, die die frühere Geliebte des Schriftstellers spielt. (…) In Montauk, am Meer an der amerikanischen Ostküste, eröffnet sie dem Ex-Geliebten ihr Herz. Erzählt von der großen Liebe, die ihr nach der gemeinsamen Geschichte begegnet und gestorben ist. Man hängt an ihren Lippen. Und Skarsgård, ihr ebenbürtiger Sparringspartner, hängt auf der Leinwand ebenfalls an ihren Lippen. Ist ihr ein leidenschaftliches Gegenüber, der ihr den Raum zum Spielen eröffnet. Da schaut man sehr gerne zu."
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