Berlin

Beziehungsfragen hinter Zuckerwatte

Eine deutsche und eine US-amerikanische Flagge wehen am 26.07.2013 auf dem Gelände des 53. Deutsch-Amerikanischen Volksfestes in Berlin an einem Fahrgeschäft.
Eine deutsche und eine US-amerikanische Flagge wehen auf dem Volksfest an einem Fahrgeschäft. © picture alliance / dpa / Daniel Reinhardt
Von Jürgen Stratmann · 28.07.2014
Im Gegensatz zu den aktuellen politischen Zerwürfnissen zwischen Deutschland und Amerika, sei das menschliche Verhältnis gut, sagt der Veranstalter des Volksfestes beider Länder. Allerdings: Die Zukunft des Rummels ist ungewiss.
Wer beim Deutsch-Amerikanischen Volksfest - vor einigen Jahren vom ursprünglichen Festplatz vorm amerikanischen Hauptquartier in Zehlendorf vertrieben in die verkehrsumtoste Ödnis einer riesigen Baulandbrache hinter dem Berliner Hauptbahnhof - wer dort nach Anzeichen sucht, dafür, das etwas nicht stimmt im deutsch-amerikanischen Miteinander, stößt an jeder Ecke auf Indizien: wenn etwa aus den Lautsprechern einer Geisterbahn vor geheimen Mächten gewarnt wird, vor einem ...
"... Reich der Schatten ..."
... in dem ...
"… schaurige Kreaturen ..."
... unbescholtene Bürger behelligen. Wer denkt da nicht automatisch an NSA, CIA und Konsorten? Oder wenn ein quer übers Gelände gespanntes Transparent vom "Beginn einer neuen Eiszeit" orakelt, ist das zwar schnell als Reklame einer quietschbunten Soft-Eis-Bude erkannt, wäre aber auch als Kommentar zur transatlantischen Beziehung interpretierbar.
Und: Was denkt sich eigentlich ein Veranstalter, der in Zeiten zügelloser Geheimdienst-Eskapaden dreimal täglich eine Band namens "Clandestine" - zu deutsch: heimlich, geheim, im Verborgenen tätig - als Haupt-Attraktion auf die Bühne stellt? Gut, die Musik der vermeintlichen Geheim-Combo klingt eher unverdächtig ... und:
"Es sind echte Indianer!", … erklärt der Conférencier und Programmdirektor, der nur als "Clown Pauly" vorgestellt werden möchte:
"Echte! Dat is native American Musik."
Indianer-Gesang ...
Wobei einem zum Problem "wachsender Anti-Amerikanismus" schnell der Gedanke kommen kann: echte Indianer?
"Nix Nachgemachtes! das sind Echte!"
Gelten die nicht bei uns, im Land Karl May-sozialisierter Winnetou-Verehrer, als "nicht-richtige" und damit als die irgendwie besseren Amerikaner? Ein subtiler musikalischer Beschwichtigungsversuch für US-kritische Festbesucher?
"Ick war immer Cowboy"
"Ach nö, für mich waren die Cowboys immer die Besseren, weil: Die Indianer ha´m den Leuten die Haare abjeschnitten - skalpiert! - Nee, nee, ick war immer Cowboy, ick war nie Indianer - warum auch immer!"
Ja, warum auch immer. Clown Pauly ist jedenfalls angesäuert:
"Ick bin mit den Amerikanern aufgewachsen - ´50 jeboren, in Tempelhof, Amerikaner, wo man hinjeschaut hat. Ick habe mit 18 bei den Amerikanern anjefangen zu arbeiten, nachts in den Clubs, als Moderator, ich hab Stimmung gemacht, ich bin Jongleur, Zauberer, Magic Shows, Quizspiele - alles was die Amis wollten, ick bin mit denen einfach groß geworden."
Und jetzt?
"Jetzt mit den Abhörgeschichten - da hab ich gedacht: geile Freundschaft! - Scheiße!"
Eine beim ...
"Ami-Fest ..."
... verbreitete Haltung:
"Ich find die NSA-Geschichte sehr sehr asozial! Unter aller Sau!"
Was allerdings längst nicht alle Volksfestbesucher so sehen, denn:
"Amis sind hier auch teilweise, weil: Es leben ja noch´n Großteil hier in Berlin!"
Denen das Thema, tja ...
"Och, ja! was kann ich sagen! Jahaaa !Everything is good, thank you!"
Alles gut? Ja, irgendwie schon, denn erstens:
"Ich weiß nicht, wie es politisch ist, aber: freundschaftlich isses gut - menschlich isses gut!"
... so der Veranstalter Thilo Harry Wollenschläger bei seiner Eröffnungsrede. Und ja: Der Ami? Rein menschlich?
"... kann man nischt jegen sagen!"
Erstes Fest während des Mauerbaus
Und zweitens hat man ja auch viel zusammen erlebt:
"Das erste Fest fand im Sommer 1961 statt - auf einem Höhepunkt der Berlin-Krise -, während der Berliner Mauer Stein für Stein hochgezogen wurde!"
... und dann ...
"als '89 die Mauer fiel, ich bin geboren in Ost Berlin - da ha´m wir das natürlich nicht nur Gorbatschow zu verdanken gehabt! Ich sag mal: Danke!"
Nun ist ...
"... die Mauer schon lange weg! Aber das Deutsch-Amerikanische Volksfest gibt es immer noch!"
Fragt sich mancher: Warum eigentlich? Denn seitdem habe ...
"… dat amerikanische Flair ziemlich abgenommen. War früher besser - mit Rodeo und allet!"
Und, mal ehrlich:
"Die meisten Leute sind wegen Rummel und Spaß hier, anstatt wegen der deutsch-amerikanischen Kultur!"
Nun steht möglicherweise - ausgerechnet in dieser deutsch-amerikanischen Beziehungskrise - das gute alte Volksfest vor dem Aus. Aber wenn Veranstalter Wollenschläger nach Argumenten für den Fortbestand der Traditionsveranstaltung sucht, fällt ihm auch nichts Besseres ein, als irgendwelchen Wirtschaftspolitikern, die auf Deubel komm raus für ihr Freihandelsabkommen TTIP werben, so gehe es schließlich ...
"... um circa 1000 Arbeitsplätze. Zulieferer, Wachschutzfirma und und und … Müllentsorgung ..."
... und eben nicht bloß: um irgendeine alte Freundschaft! Trotzdem:
"All the best for the German American Volksfest for many years to go!"
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