Bericht an den Club of Rome

Tropenwaldexperte läutet "Endspiel" bei Abholzung ein

Regenwald im "Serra dos Orgaos"-National Park in Brasilien
Weiterhin bedroht: der tropische Regenwald © imago / Mint pictures
Von Johannes Kaiser · 05.08.2015
Früher rodeten Bauern kleine Waldflächen, heute schlagen kommerzielle Unternehmen riesige Areale. Claude Martins Bericht über die Zerstörung der Regenwälder ist hoch aktuell und die derzeit beste Bestandsaufnahme zum Thema - und enthält ein Maßnahmenpaket zu deren Rettung.
Urwaldriesen, die in Rauchwolken gehüllt sind, riesige Kahlschlagflächen – diese Bilder schreckten in den 1980er-Jahren die Weltöffentlichkeit auf. Schnell machten Schätzungen von bis zu elf Millionen Hektar zerstörten Regenwaldes pro Jahr die Runde und alarmierten die Öffentlichkeit, dabei basierten die Zahlen auf unvollständigen, kaum überprüfbaren Daten, wie der Schweizer Biologe Claude Martin jetzt in "Endspiel" detailliert ausführt.
Denn erst die Auswertung von Satellitenaufnahmen zeigt das tatsächliche Ausmaß der Verluste. Jedes Jahr gehen rund 4,9 Millionen Hektar Regenwald verloren – eine Fläche, die der Niedersachsens entspricht. Erstaunlicherweise ist aber die Entwaldungsrate im brasilianischen Amazonasbecken seit 2004 stetig gesunken. Dagegen sind die Regenwälder Südostasiens zwischen 2000 und 2012 um elfeinhalb Prozent geschrumpft. Noch ist der Waldverlust in Afrika mit jährlich einen Viertel Prozent relativ gering.
Der ausgewiesene Tropenwaldexperte, der an der Planung mehrerer Schutzgebiete beteiligt war, konstatiert nüchtern und sachlich den Stand der Forschung. Sein Bericht ist verständlich formuliert, präsentiert zahlreiches, gut aufbereitetes Datenmaterial – veranschaulicht durch einige Farbfotos aus den Tropenwäldern sowie Satellitenauswertungen. Eingefügt sind vertiefende Hintergrundberichte verschiedener Experten zu konkreten Projekten und Problemen.
Alle Betroffenen mit einbeziehen
Der Autor konstatiert dabei eine dramatische Veränderung der Art der Entwaldung. Während früher Kleinbauern kleine Flächen rodeten, bebauten und dann weiterzogen, so dass der Wald die Flächen erneut überwuchern konnte, werden heute große Flächen für kommerzielle Unternehmen geschlagen, um Soja- oder Palmölplantagen sowie Viehweiden anzulegen. Das führt zu absurden Ergebnissen: Ein Hektar Regenwald muss weichen, damit eine Kuh Weideland hat.
Die fortschreitende Entwaldung bedroht auch die Artenvielfalt. In den Tropischen Regenwäldern lebt rund die Hälfte aller Tier- und Pflanzenarten, so ergaben Stichproben, dass allein im Amazonas bis zu 20.000 verschiedene Baumarten vorkommen. Viele dieser Arten kommen aber nur in einem einzigen Urwaldgebiet vor. Wird es gerodet, sterben die Arten aus.
Noch aber ist es nach Ansicht von Claude Martin nicht zu spät und er unterbreitet in seinem Bericht an den Club of Rome ein ganzes Maßnahmenpaket, wie die weitere Zerstörung der Wälder gestoppt werden kann. Etwa am Beispiel Brasiliens: Dort haben Umweltverbände, indigene Stämme und Regierung gemeinsam einen Schutzplan für das Amazonasgebiet verabschiedet. Seitdem sinkt die Entwaldungsrate deutlich. Zudem fordert der Tropenwaldexperte die kommerzielle Landwirtschaft in Regenwaldgebieten zu stoppen. Aber er weiß auch: Erst wenn alle Betroffenen mit einbezogen werden, kann eine Rettung gelingen – am besten funktioniert das in Demokratien. Claude Martins Bericht ist damit ein hoch aktuelles Buch und zweifelsohne auch die derzeit beste Bestandsaufnahme zum Thema.
Claude Martin: Endspiel. Wie wir das Schicksal der tropischen Regenwälder noch wenden können. Der neue Bericht an den Club of Rome
oekom Verlag, München 2015
352 Seiten, 22,95 Euro

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