Bergbau

Pumpen für die Ewigkeit

Das Gelände des Bergwerks Nordschacht in Falscheid.
Das Bergwerk Nordschacht in Falscheid war bis 2012 in Betrieb. © imago / Becker&Bredel
Von Tonia Koch  · 16.03.2015
Für den Steinkohlebergbau in Deutschland ist noch lange nicht Schicht. Selbst dann nicht, wenn im letzten Steinkohlebergwerk im Ruhrgebiet im Jahr 2018 keine Kohle mehr gefördert wird. Denn auch danach müssen die Schächte mit jährlichem Millionenaufwand ausgepumpt werden.
An Schacht IV in Reden dreht sich die Seilscheibe.
Paulus: "Wenn das Rad sich dreht, dann pumpen wir",
erläutert Ralph Paulus. Er ist Steiger bei der RAG. Die Goldknöpfe seiner beigefarbenen Steiger-Jacke blitzen in der Sonne. Ralph Paulus kümmert sich mit 20 anderen Bergleuten ums Grubenwasser. Täglich fahren Sie über Schacht IV nach unter Tage. 800 Meter tief.
Paulus: "Außer Leuten braucht man Pumpen, Schieber, Rohre; alles was verschlissen wird unter Tage muss ordnungsgemäß instandgesetzt werden, die defekten Teile werden nach über Tage gebracht."
In der Wasserprovinz Reden werden jährlich13 Millionen m³ Gruben-Wasser gefördert. Es sammelt sich in großen Tiefen, in Kammern und Hohlräumen, die der Bergbau hinterlassen hat. Und bevor es in einen Nebenfluss der Saar eingeleitet wird, speist es einen künstlerisch gestalteten Wassergarten.
Etwa drei Meter ragen zwei geschwungene Wände auf. An der Oberkante sprudelt das Wasser aus Wasserspeiern heraus. Besucher können durch die künstliche Wasserschlucht hindurchlaufen. Im Volksmund heißt die Installation in Anlehnung an alttestamentarische Szenen deshalb Mosesgang.
Paulus: "Nach dem Motto, Moses teilte das Meer und durchschritt die Fluten..."
Trinken sollte man es nicht, denn es ist über 30 Grad warm und weist eine Menge Frachten auf, die für Mensch und Umwelt ungeeignet sind. Darunter Chloride, Nitrat, Sulfat und Eisen. Momentan wird das Grubenwasser ungefiltert in die Flüsse eingeleitet.
Schäfer: "Es ist alles aufgrund der kontinuierlichen Überprüfungen im Rahmen der entsprechenden Genehmigungswerte."
Noch werden keine Grenzwerte überschritten, versichert Axel Schäfer. Ob das aber auch in Zukunft so sein wird, dazu wagt auch der RAG-Experte keine Prognose.
Der Bergbaubetreiber RAG verfolgt neue Pläne. Er will die Pumpen abstellen. Das Wasser soll allmählich ansteigen bis zur Tagesoberfläche. Die Bergleute nennen diesen Prozess: Fluten. Er dauert sehr lange, 20 Jahre. Erst im Jahr 2035, wird das Grubenwasser oben ankommen, dann soll es in die Saar eingeleitet werden. Dieses Konzept, sagt Schäfer, habe viele Vorteile.
Schäfer: "Die Vorteile liegen darin, dass ich das Auftun von Gefahrenstellen vermeide, denn wenn ich eine Lagerstätte planmäßig, ordnungsgemäß flute, läuft sie nicht unplanmäßig zu. Zum anderen sind es ökologische Gründe, denn ich leite nicht mehr an fünf Stellen in kleinere Gewässer ein sondern es wird konzentriert in den größten Vorfluter eingeleitet. Und es gibt den finanziellen Vorteil, dass ich nicht mehr an fünf Stellen pumpen muss sondern das Ganze auf vielleicht nur einen Standort am Ende reduzieren kann."
Das Wasserhaltungskonzept, das die RAG an der Saar verfolgt, weicht zumindest in seiner Endstufe von dem ab, was 2007 vereinbart worden war. Damals hatten die Revierländer Nordrhein-Westfalen und Saarland sowie die RAG einen sogenannten Erblastenvertrag geschlossen. Grundlage für die Berechnungen der Erblasten war ein Gutachten externer Berater und diese gingen davon aus, dass die Pumpen auf ewig laufen müssen, um mögliche Risiken für die Menschen in den ehemaligen Bergbaugebieten zu vermeiden. Beglichen werden diese sogenannten Ewigkeitslasten aus dem Vermögen einer Stiftung.
Kramp-Karrenbauer: "Ich gehe davon aus, dass die Stiftung in der Lage ist, das zu stemmen."
Die saarländische Ministerpräsidentin Annegret Kramp-Karrenbauer sitzt wie die nordrhein-westfälische Ministerpräsidentin Hannelore Kraft im Kuratorium der RAG-Stiftung. Nach derzeitigen Berechnungen werden ab 2019, wenn der Bergbau auch an der Ruhr und in Ibbenbüren zu Ende ist, etwa 220 Millionen Euro pro Jahr benötigt, um die Kosten für die Wasserhaltung zu decken. Dieses Geld muss die Stiftung selbst erwirtschaften. Unter dem Dach der Stiftung wurden daher neben der Steinkohleförderung auch andere industrielle Aktivitäten angesiedelt wie etwa die Spezialchemie und die Stromerzeugung auch ein Immobilienunternehmen gehört dazu. Diese Unternehmen müssen also für einen sehr, sehr langen Zeitraum, sehr viel Geld, Milliarden, verdienen, um die Ewigkeitslasten zuverlässig zu finanzieren. Die Revierländer Saarland und NRW hoffen, dass es gelingt.
Kramp-Karrenbauer: "Wenn das nicht reichen sollte, dann ist natürlich klar, dass die öffentliche Hand, Bund und Revierländer hier auch eintreten müssen. Das Ziel, das wir als ehemaliges Revierland, als Saarland haben, ist natürlich genau diesen Zustand zu vermeiden."
Sonst ist der Steuerzahler an der Reihe.
Mehr zum Thema